EU-Mahnung: Ärzte arbeiten zu viel

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Mediziner in österreichischen Spitälern sind oft 72 und mehr Stunden pro Woche im Dienst, die EU-Arbeitszeitrichtlinie erlaubt aber nur 48 Stunden. Eine Klage vor dem EuGH droht.

Wien. In die seit Jahren anhaltende Debatte über zu lange Arbeitszeiten von Spitalsärzten hat sich jetzt auch die EU-Kommission eingeschaltet – und droht Österreich mit einer Vertragsverletzungsklage, sollten für die Krankenhäuser nicht die europaweit gültigen Arbeitszeitstandards eingeführt werden.

Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz erlaubt, dass Spitalsärzte hierzulande immer noch 72 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten. Durchgehende Dienste dauern oft 32, an den Wochenenden sogar 49 Stunden. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie erlaubt aber nur noch Dienste von maximal 25 Stunden am Stück und eine Wochenarbeitszeit von durchschnittlich höchstens 48 Stunden. Lediglich in Niederösterreich und in einigen Spitälern in Wien werden diese Vorgaben größtenteils eingehalten, in allen anderen Bundesländern stehen 32-Stunden-Dienste und Arbeitszeiten von bis zu 80 Stunden in der Woche an der Tagesordnung. Sollte sich Österreich daher nicht bis Ostern an die EU-Richtlinien anpassen, droht dem Land eine Klage.

Ärztekammer fordert Lösung

„Es ist bedauerlich, dass die Europäische Union einschreiten muss, damit Österreich mit den überlangen Arbeitszeiten in den Spitälern aufräumt“, sagt der Bundesobmann der angestellten Ärzte, Harald Mayer. Die jahrelangen Forderungen der Ärztekammer seien von der Regierung ignoriert worden. „49-Stunden-Dienste und Wochenarbeitszeiten von 72 Stunden und mehr sind für Ärzte und Patienten gleichermaßen unerträglich. Sie führen zu chronischer Überlastung der Ärzte und gefährden die Patienten“, so Mayer.

Nun sei das zuständige Sozialministerium am Zug, um mit den Ländern rasch „sozial verträgliche und organisatorisch mögliche Lösungen“ zu finden. „Der Raubbau an den Spitalärzten darf nicht weiter ein tragendes Element für das Funktionieren der österreichischen Krankenhäuser sein.“

Vonseiten des Sozialministeriums hieß es am Donnerstag auf „Presse“-Anfrage, dass man den Mahnbrief bis Ende April beantworten und versuchen werde, „das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz im Sinne der EU-Richtlinien zu reparieren“. Demnächst stünden diesbezüglich Gespräche mit den einzelnen Ländern an. Im Gesundheitsministerium wollte man die Klagsdrohung der Kommission nicht kommentieren, das Ressort sei nicht zuständig.

Der Brief aus Brüssel kam keineswegs überraschend – sind die erlaubten Arbeitszeiten doch ganz klar in der Richtlinie 2003/88/EG, die in allen Mitgliedstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt werden muss, festgelegt.

Gemäß den Bestimmungen haben Arbeitnehmer aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen Anspruch auf eine Beschränkung ihrer Arbeitszeit auf höchstens 48 Stunden (inklusive Überstunden) in sieben Tagen. Zudem muss pro Tag eine Mindestruhezeit von elf und einmal wöchentlich von 24 zusammenhängenden Stunden gewährleistet sein. Diese Mindestruhezeiten können allerdings in „begründeten Fällen“ verschoben werden. Seit dem Jahr 2009 sind die Bestimmungen der Richtlinie auch für alle Ärzte im Ausbildungsverhältnis gültig.

Klagen gegen Irland, Italien

Reagiert das Sozialministerium nun nicht innerhalb der kommenden zwei Monate mit Änderungsvorschlägen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, könnte eine empfindlich hohe Geldstrafe gegen Österreich verhängt werden.

Dass die Behörde mit ihrer Drohung einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Ernst machen könnte, zeigen mehrere Beispiele aus der Vergangenheit: So wurden in den vergangenen Jahren bereits Irland, Griechenland und Italien wegen „Verstoßes gegen EU-Recht im öffentlichen Gesundheitswesen“ verklagt – dort sind die Bedingungen teilweise noch schlimmer als hierzulande.

In Griechenland müssen Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern oft mindestens 64, manchmal sogar mehr als 90 Stunden arbeiten, moniert die Behörde. In Italien haben insbesondere „leitende Angestellte“ in den Spitälern zu wenige Ruhezeiten. Irland wiederum wirft die Kommission vor, Auszubildenden nicht ausreichend Ruhephasen zu gewähren: Die jungen Ärzte müssten „regelmäßig Schichten mit 36 Stunden, mehr als 100 Stunden in einer Woche oder durchschnittlich 70 bis 75 Stunden pro Woche arbeiten – und dies ohne angemessene Erholungs- oder Schlafpausen“.

AUF EINEN BLICK

Mahnbrief. Die EU-Kommission droht Österreich mit einer Klage, sollten in den Krankenhäusern nicht die europaweit gültigen Arbeitszeitrichtlinien eingehalten werden. In Österreich arbeiten Spitalsärzte 72 und mehr Stunden pro Woche, durchgehende Dienste dauern oft 32, an den Wochenenden sogar 49 Stunden. Das zuständige Sozialministerium will nun das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz im Sinn der EU-Richtlinien reparieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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