Mängel bei Strahlentherapie: "Wir verlieren Menschenleben"

Archivbild: Ein Patient wird für die Strahlentherapie vorbereitet
Archivbild: Ein Patient wird für die Strahlentherapie vorbereitet(c) imago stock&people
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In Österreich fehlen die Kapazitäten für Strahlentherapien, beklagen Radio-Onkologen. Statt mindestens 60 notwendigen Geräten existieren nur 43.

In Österreich sterben Krebspatienten, weil die notwendigen Kapazitäten für eine Strahlentherapie fehlen. Statt mindestens 60 notwendigen Geräten, existieren nur 43. Das ist der Alarmruf, den heimische Radio-Onkologen am Montag beim Kongress ihrer europäischen Fachgesellschaft (ESTRO) mit rund 6000 Teilnehmern in Wien losließen.

"Wir verlieren Menschenleben. Jeder Tag, den wir (bei Krebspatienten; Anm.) verlieren, bedeutet schlechtere Überlebenszeiten. Man kann davon ausgehen, dass man pro vier Wochen Wartezeit auf eine Strahlenbehandlung um zehn bis 20 Prozent geringere Heilungschancen hat", sagte der Wiener Strahlentherapeut Robert Hawliczek (SMZ-Ost).

Die Misere, die bereits Anfang des Jahres in einer europäischen Vergleichsstudie in "Lancet Oncology" publiziert worden ist, liegt in einer Stagnation der Strahlentherapie in Österreich seit den Jahren 2000 bis 2005. Die Daten dazu sind allen Gesundheitspolitikern, so die Fachleute, längst bekannt. Sie sprechen dafür, dass insbesondere die Bundesländer als Spitalserhalter die Vorgaben Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) nicht einhalten und Abhilfe ausgeblieben ist.

43 "Großgeräte" vorhanden,  mindestens 60 nötig

Die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Radio-Onkologie (ÖGRO), die Grazer Expertin Karin Kapp, führte dazu die Daten an. So gibt es in Österreich derzeit 43 "Großgeräte" (Linearbeschleuniger) für die Strahlenbehandlung an den Krankenhäusern. Nimmt man die vom ÖSG genannte obere Schwelle von einem Gerät pro 100.000 Einwohner, sollten es rechnerisch 84,6 sein. Bei der unteren Schwelle von einem Gerät pro 140.000 Einwohner müssten es zumindest 60,4 sein.

Laut der Expertin werden die angepeilten Zahlen nur in Vorarlberg, Tirol und Salzburg erfüllt: "Von dem Mangel besonders betroffen ist Wien, wo 30 Prozent der niederösterreichischen Patienten behandelt werden. Niederösterreich kommt nicht dem Auftrag des ÖSG nach." Die Steiermark stehe ganz schlecht da. Laut Hawliczek müsste Niederösterreich wiederum auf eine ähnliche Zahl der Geräte wie Wien - auf zwölf bis 14 (Wien derzeit: elf) - kommen: "Es sind in Niederösterreich aber nur fünf, einer davon 'gehört' dort dem Burgenland." Man verstecke sich offenbar hinter dem MedAustron-Großprojekt: "Dieses Großprojekt wird nicht versorgungswirksam."

Wartezeiten von zwei bis drei Monaten

International schneidet Österreich mit 5,1 Millionen Linearbeschleunigern auch pro Million Einwohner schlecht ab. Richard Pötter, Chef Universitätsklinik für Strahlentherapie im Wiener AKH (MedUni Wien): "In Dänemark sind es 9,7 Geräte pro Million Einwohner, in Finnland 8,3 pro Million Einwohner. Wir haben bei Mammakarzinompatientinnen Wartezeiten von zwei bis drei Monaten, ebenso bei Prostatakarzinompatienten." Das Defizit fresse die durch die modernste Kombination von Strahlen und medikamentöser Therapie möglichen Fortschritte in der Krebsbehandlung auf.

Laut den Fachleuten ist die Strahlentherapie an 26 Prozent aller Therapien beteiligt, die zur Heilung von Krebserkrankungen führen. In zwölf Prozent ist es ausschließlich die Strahlenbehandlung. Weil es aber auch für einen Aufholprozess zu wenige Ausbildungsstellen für Strahlentherapeuten in Österreich gibt, dürfte sich die Situation auch bei einem allfälligen Ausbau der apparativen Einrichtungen bestenfalls erst in vier bis fünf Jahren ändern.

(APA)

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