Viele Firmen ignorieren Psychostress

Young woman trying to cure headache
Young woman trying to cure headacheErwin Wodicka - BilderBox.com
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Seit Anfang 2013 sind alle Unternehmen gesetzlich verpflichtet, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu erheben. Doch viele Firmen tun das nicht, wie Kontrollen zeigen.

Wien. Die oberösterreichische Gebietskrankenkasse hat gerade ihren Krankenstandsbericht veröffentlicht. Demnach haben sich die Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2005 verdreifacht. Sie haben im Vorjahr bereits mehr als zehn Prozent aller krankheitsbedingten Abwesenheiten ausgemacht. Oberösterreich ist kein Einzelfall. Laut Erhebungen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger erhielten in Österreich zuletzt 840.000 Menschen vom Arzt Psychopharmaka verschrieben, davon sind zwei Drittel Antidepressiva. Krankenstände, die durch Stress und andere psychische Faktoren ausgelöst werden, dauern durchschnittlich 31,9 Tage. Das ist dreimal so lang wie Krankenstände, die durch körperliche Probleme entstehen.

Um die Situation in den Griff zu bekommen, sind seit Anfang 2013 alle Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung von psychischen Erkrankungen zu ergreifen. Dazu muss eine genaue Evaluierung der Stressfaktoren am Arbeitsplatz vorgenommen werden.

Wegen der Gesetzesnovelle gingen anfangs die Wogen hoch. Firmen befürchteten, dass ihnen dadurch ein enormer finanzieller und bürokratischer Aufwand aufgebürdet wird. Denn jeder Betrieb muss dokumentieren, ob und wie die vorgeschriebene Evaluierung durchgeführt wurde, sonst drohen Strafen von bis zu 16.000 Euro. Zum Aufspüren der Stressfaktoren sollen unter anderem Arbeits- beziehungsweise Organisationspsychologen herangezogen werden.

Das Arbeitsinspektorat hat nun eine erste Bilanz veröffentlicht. Im Vorjahr wurden in Österreich 5600 Unternehmen wegen psychischer Belastungen unter die Lupe genommen. Dabei stellte sich heraus, dass 40 Prozent der überprüften Firmen die gesetzlichen Vorgaben ignoriert haben. Die restlichen 60 Prozent „sind bereits auf einem guten Weg“, sagt Anna Ritzberger-Moser, die zuständige Leiterin im Arbeitsinspektorat.

Die 60 Prozent haben schon mit der Evaluierung begonnen, doch nur bei der Hälfte war alles in Ordnung. Strafen gab es bislang nicht. Denn das Arbeitsinspektorat trete laut Ritzberger-Moser hier nicht mit erhobenem Zeigefinger auf, sondern wolle die Firmen zunächst motivieren und beraten.

Geldstrafen drohen

Sollten sich Unternehmen aber trotz mehrmaliger Aufforderungen weigern, die Vorschriften umzusetzen, wird ein Bußgeld verhängt. In der Anfangsphase wurden große Unternehmen hinsichtlich psychischer Belastungsfaktoren kontrolliert. Nun sollen auch verstärkt kleinere und mittlere Betriebe überprüft werden.

Die vom Gesetzgeber angeordnete Evaluierung kann Monate in Anspruch nehmen, wie das Beispiel der in Stockerau ansässigen Firma Xylem Austria (früher Vogel Pumpen) zeigt. Diese ist unter anderem auf Wasserpumpen spezialisiert und machte im Vorjahr mit 270 Mitarbeitern einen Umsatz von 68 Millionen Euro.

Im Rahmen der von Dezember 2013 bis April 2014 durchgeführten Evaluierung zeigten sich Probleme, „wie es sie wohl in vielen Betrieben gibt“, sagt Xylem-Austria-Geschäftsführer Peter Steinbach: eine mangelhafte Telefonanlage, zu viel Lärm im Großraumbüro, unzureichende Kommunikation in und zwischen den Abteilungen.

Die psychischen Belastungen wurden anhand von standardisierten Fragebögen erhoben. „Insgesamt haben wir für die rund vier Monate laufende Evaluierung 115 Stunden, also ungefähr 14 Arbeitstage, verbraucht“, so Steinbach. Die Kosten lagen bei 12.500 Euro.

Nun werden Maßnahmen zur Reduktion der Stressfaktoren gesetzt. So wurde beispielsweise ein Raumakustiker angefordert, um den Lärm im Großraumbüro einzudämmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

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