Melodiöse Medizin: Musik gegen Schmerz

(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Alleine das Anhören bestimmter Melodien wirkt schmerzlindernd. Zu den weiteren nicht-medikamentösen „Schmerzmitteln“ gehören Erwartungshaltung, Zuwendung und Trockenbäder.

Flotte Weisen oder Entspannungsmusik statt Schmerztablette? „Musik wirkt in der Tat schmerzlindernd und angstlösend, das haben wir in Studien festgestellt“, sagt Günther Bernatzky, Professor an der Universität Salzburg und einer der führenden Schmerzexperten Österreichs. Auch eine Meta-Analyse von 51 Studien (mit insgesamt 3663 Patienten) kam zu dem Ergebnis, dass das Anhören von Musik die Schmerzintensität reduzieren kann. Damit können auch Schmerzmitteldosen und Nebenwirkungen verringert werden.

CD gegen chronische Schmerzen. Mozart oder ein fröhliches Lied helfen auf mehrfache Weise gegen Kopf- oder Kreuzweh. „Musik entspannt und verbessert die Stimmung“, erklärt Bernatzky. Aber auch auf Grund von Assoziationen, die man mit dieser oder jener Melodie verbindet, können Töne Schmerz lindern. Entsprechende Suggestionen verstärken die schmerzlindernde Wirkung. All das haben Bernatzky und Kollegen bei der Erstellung der CD „Entspannung bei Schmerzen. Musik mit Entspannungsanleitung für mehr Lebensqualität bei Krankheit, Schlafproblemen und vegetativen Störungen“ beachtet. „Diese CD wurde wissenschaftlich getestet. In jahrelangem Einsatz hat sie sich nicht nur bei akuten, sondern vor allem auch bei chronischen Schmerzen bewährt“, sagt der Experte. Das Hören bestimmter Musik verbessere aber auch Schlafqualität und Lebensfreude.

Freilich kann man sich auch mit schönen Bildern oder Spielen von Schmerzen ablenken. Angst hingegen verstärkt den Schmerz. „Auch deswegen, weil dann im Körper vermehrt das Hormon Cholecystokinin, kurz CCK, ausgeschüttet wird, und das vergrößert den Schmerz.“ CCK aber ist ein Gegenspieler von Morphium. Und das, so Bernatzky, könne ein Grund sein, warum ein Morphiumpräparat bei vielen Patienten viel von seiner schmerzhemmenden Wirkung einbüßt.

Eine keineswegs zu verachtende Rolle spielt auch die Erwartungshaltung. Bernatzky: „Egal, ob ich eine Tablette nehme, eine angenehme Melodie höre oder mich auf eine Magnetfeldmatte lege, wenn ich dadurch eine Schmerzreduktion erwarte, wird sich auch wirklich etwas in diese Richtung verändern, und zwar auch physiologisch.“ Es geht aber auch umgekehrt: Glaubt ein Patient nicht an eine Erleichterung, kann diese Einstellung die Wirksamkeit einer Schmerztablette auf bis zu null sinken lassen.

Gehirn und Psyche, Einstellung und Erwartungshaltung können also eine Schmerztherapie deutlich verbessern oder wirkungslos machen. Die Erwartungshaltung ist auch ein wesentlicher Bestandteil des gesicherten Wissens um den Placeboeffekt. Zahllose Studien belegen signifikante Schmerzreduktion unter Placebo.

Rotlicht und »Heilgas«. Erwähnte Fakten sollten Ärzte viel mehr in ihrem Denken und Tun berücksichtigen und sich nicht nur auf Physiologie und Lehrbuch verlassen. „Was in der Ärzteschaft auch immer wieder stark vernachlässigt wird, ist die Tatsache, dass Berührung und Körperkontakt wichtige Aspekte gegen Befindlichkeitsstörungen und damit gegen Schmerzen sind“, sagt Bernatzky. Im Klartext: Zuwendung kann Schmerzen lindern.

Eine ganze Reihe nicht-medikamentöser Therapeutika setzt auch der Wiener Schmerzarzt Reinald Brezovsky ein: unter anderem Lichttherapie: Der Repuls Tiefenstrahler rückt mit hoch intensivem, gepulstem, kaltem Rotlicht Entzündungen und Schmerzen mit einer Erfolgsrate von bis zu 95 Prozent zu Leibe. Auch P-Stim bekämpft den Schmerz: Hinter dem Ohr werden Dauernadeln angebracht, die über eine Art kleinen Mikroprozessor elektrische Stimulations-Impulse versenden. Es kommt so, einfachst erklärt, zur Durchblutungsförderung im Gehirn sowie zur Freisetzung von Endorphinen und in Folge zu Stimmungsaufhellung und Schmerzreduktion. Neuerdings arbeitet Brezovksy auch mit „Heilgas“ in Form von Trockenbädern mit CO2(Kohlenstoffdioxid). „CAT, also Carbonic Acid Therapy, verbessert die Durchblutung und Sauerstoffsättigung und kann auf diesem Wege effektiv Schmerzen lindern, aber auch die Wundheilung verbessern.“

Die meisten nicht-medikamentösen Maßnahmen gegen den Schmerz sind in der Lage, die körpereigene Schmerzhemmung zu aktivieren, das Schmerzempfinden zu ändern und Ängste zu lindern. „Und wenn dem Patienten dies oder jenes hilft, seine Schmerzen zu reduzieren, ist dieses Mittel für ihn goldrichtig, auch wenn große Studien dazu fehlen“, meint Bernatzky. Schließlich gehe es um die Lebensqualität der Patienten und nicht um sture Lehrmeinungen.

Tipps

Lesenswert. Für alle, die nicht nur Medikamente schlucken wollen, liefert das Buch „Chronische Schmerzen natürlich behandeln. Heilmethoden, die für Linderung sorgen. Das können Sie selbst tun“ wertvolle Tipps (Schlütersche Verlagsgesellschaft, 136 Seiten; 20,60 €). Die Ärztin Heike Bueß-Kovács rät unter vielem anderen zu Teufelskrallenextrakt (gegen Arthrose), Pfefferminzöl (gegen Kopfweh) oder zum Kauen von Ingwerwurzel gegen Migräne und zu Senfmehl gegen Muskelschmerzen.

Schmerzinfos: www.musikament.atwww.schmerzarzt.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.