Wenn das iPad in der Schulter schmerzt

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Bei intensiven Nutzern von Tablet, Smartphone und PC wird zunehmend eine neue und ziemlich schmerzhafte Diagnose gestellt – das Impingement-Syndrom, umgangssprachlich auch iPad-Schulter genannt.

„Das war ein fürchterlicher Schmerz“, sagt Rudolf Penz. „Wenn ich nur leicht die Hand gehoben habe, hat es mir einen furchtbaren Stich in der Schulter gegeben, es war zeitweise fast nicht mehr zum Aushalten.“ Die Schulterschmerzen, anfangs nur leichter Natur, wurden immer stärker. Irgendwann konnte der 42-Jährige nur noch mit großen Schmerzen einen Mantel anziehen und keine Nacht mehr durchschlafen. „Ich konnte auch nicht mehr richtig mit meinem dreijährigen Sohn spielen. Sobald ich die Hand nur ein wenig weiter nach oben gehoben habe, tat es unheimlich weh.“

Etwa ein Jahr lang biss der Wiener die Zähne zusammen, behalf sich mit Schmerzpflastern und bemühte sich „damit umzugehen“. Es war seine Frau, die ihn zu einem Arzt schickte. „Sie hatte von dem Mediziner in der Zeitung gelesen.“ Arzt Thomas Schwingenschlögl fand alsbald den Grund für Penz‘ Leiden: Eine sogenannte iPad-Schulter, die die intensive Nutzung von Computer, Tablets, Smartphones und Ähnlichem mit verursachen. „Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers, aber sie ist auch relativ empfindlich. Vor allem eine ungünstige Haltung stresst die Schulter, ob man nun jahrelang bucklig vor dem Computer sitzt, sich mit Tablets oder Smartphone stundenlang auf dem Sofa beschäftigt oder sonst irgendwelche einseitigen Tätigkeiten ausführt.“

Arbeit am Computer

Häufiges Surfen im Internet oder stundenlange Arbeit vor dem Bildschirm können so zum Impingement-Syndrom führen, auch Schulterengpass-Syndrom genannt. Rund zehn Prozent der Österreicher leiden an diesem Syndrom, das auch der Doktor schmerzvoll am eigenen Leib erfahren hat. „Ich habe es mir beim schlechten Training im Fitnessstudio geholt. Wenn man da den Arm nur leicht anhebt, gibt es einen Stich, wie wenn jemand mit Messern hineinstechen würde. Im akuten Zustand eines Impingement-Syndroms geht eigentlich gar nichts mehr, die Bewegungseinschränkung ist auf Grund der Schmerzhaftigkeit enorm.“

Die iPad-Schulter ist die häufigste Störung des Schultergelenks und tritt meist um das 50. Lebensjahr auf. Bei Schwingenschlögl, der es mit dem Training übertrieben hatte, setzte das Leiden früher ein. „Auch bei Menschen, die sich lange extrem einseitig bewegen, können diese chronischen Schulterschmerzen schon früher auftreten. So ist etwa immer wiederkehrende, eintönige, manuelle Tätigkeit, wie sie Kassiererinnen im Supermarkt durchführen, eine katastrophale Bewegung für die Schulter. Auch der Friseurberuf stellt eine ständige Überlastung der Schulter dar und eben auch intensive PC- oder Handynutzung über Jahre.“

Rudolf Penz sitzt seit etwa 20 Jahren jobmäßig „großteils vor dem PC. Und ich glaube, ich sitze auch ziemlich krumm davor. Beziehungsweise, ich saß ziemlich krumm davor, jetzt sitze ich ein wenig anders.“ Denn die Übungen, die er jetzt regelmäßig macht, helfen nicht nur gegen die Schmerzen, sondern verbessern à la longue auch die Haltung.

Schlechte Haltung

Computerarbeit, so Schwingenschlögl, fördere eine schlechte Haltung, und die wiederum verenge den Schulterraum, der von Haus aus schon eng sei. Eine zusätzliche Verengung aber führe zu einer chronischen Überlastung der Sehnen. „Denn infolge der Verengung haben die Sehnen noch weniger Platz und reiben bei jeder Bewegung am knöchernen Schulterdach. Sie werden eingequetscht und reiben mit der Zeit immer stärker und immer früher, es kommt zu Vernarbungen und Entzündungen in der Schulter, die sehr schmerzhaft sein können. Die ständige Reibung verursacht zusätzlich noch Schmerzen.“ Wenn die Entzündungen länger anhalten, werden immer mehr Entzündungszellen in die Schulter gelockt, und das kann allmählich zu einer Verkalkung der Schulter führen. „Der Kalk, der in diesem Fall nicht Ursache, sondern Folge ist, reibt nur noch mehr, verschlimmert das Ganze noch einmal.“ Mit anhaltender Einengung von Sehnen und auch Nerven steigt zudem das Risiko für Muskel- und Sehnenrisse und für das Absterben des Gewebes.


Zu den charakteristischen Beschwerden eines Impingement-Syndroms gehören:

  • Schmerzen beim seitlichen Heben des Armes zwischen 80 und 120 Grad. Häufig treten diese Beschwerden beim Bügeln, Fenster putzen oder anderen Bewegungen auf, bei denen die Arme hochgehalten werden.
  • Das seitliche Anheben des Armes gegen einen Widerstand verstärkt den Schmerz.
  • Wechselnd starke Spontan- und Ruheschmerzen.
  • Typische Bewegungsschmerzen: Hände auf dem Rücken, Mantel anziehen, Arme hoch heben.
  • Reibegeräusch bei Bewegung.

In der Akutphase der Erkrankung helfen Schmerztabletten, Infiltrationen, Injektionen, Infusionen, lokale Kältetherapie, auch Akupunktur hilft gut gegen die Schmerzen. „Anschließend, wenn die Entzündung abgeklungen ist, ist aber unbedingt Physiotherapie angezeigt“, betont der Arzt. Und die Übungen, die man dabei lernt, müssen regelmäßig durchgeführt werden, die Stärkung der Schultermuskulatur sollte unbedingt gezielt trainiert werden. „Sonst verengt sich die Schulter recht bald wieder, und das Ganze geht von vorne los.“ Eine Operation kommt eigentlich nur bei einem akuten Muskelabriss im Schulterbereich und anderen schweren Schädigungen in Frage.

Regelmäßige Pausen

Empfehlenswert, so Schwingenschlögl, seien zudem regelmäßige Pausen bei der Computerarbeit. „Halbstündlich sollte man eine Pause einlegen und ein paar Lockerungsübungen machen. Auch Schulterkreisen ist gut.“ Und auf alle Fälle Ausgleichssport. „Der ist Prävention und Therapie gleichzeitig.“ Am besten seien Einzelheilgymnastik und bestimmte Übungen in einem Fitnessstudio. „Man darf nur ja nicht Gewichte über die Schulter hochziehen. Alles, was man nach unten zieht, stärkt die Schultermuskulatur und bewirkt, dass der Schulterraum wieder weiter wird.“ Rückenschwimmen sei gut für die Schulter, Brustschwimmen sei nicht unbedingt ideal. Auch Nordic Walking sollte man bei akuten Schulterproblemen besser lassen. „Jeder Stockeinsatz ist ein Schlag auf die Schulter.“

Rudolf Penz joggt zwei- bis dreimal in der Woche, macht regelmäßig seine Übungen und hat sich auch Hanteln zugelegt. „Es geht mir sehr gut. Ich kann wieder durchschlafen und vor allem, ich kann mit meinem Sohn wieder herumtollen und spielen.“

Lexikon

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des Körpers, es wird nur durch Muskeln und Bänder zusammengehalten. Bei den meisten anderen Gelenken gibt es auch knöcherne Strukturen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

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