Zahlenspiele: Was leistet die Kreativbranche?

Zahlenspiele leistet Kreativbranche
Zahlenspiele leistet Kreativbranche c Erwin Wodicka wodicka aon.at
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Rund 38.000 Kreativunternehmen gibt es in Österreich, vier von zehn sitzen in Wien. Aber das Potenzial auf dem Land ist groß. Das steht im fünften Österreichischen Kreativwirtschaftsbericht.

Es ist eine Branche – oder vielmehr sind es verschiedenste kleine Branchen, die leben und blühen wie wenig andere, in Bewegung sind und stets Neues versprühen. Kein Wunder, ist doch genau das die genuine Aufgabe der österreichischen Kreativen. Wie es aber tatsächlich um die Architekten, Designer, Musik- und Filmemacher oder Softwareentwickler steht, das hat die Wirtschaftskammer im jüngst erschienenen fünften Österreichischen Kreativwirtschaftsbericht in Zahlen gegossen.

Zu den Eckdaten: Jedes zehnte Unternehmen Österreichs zählt zur Kreativwirtschaft. 2010 (das sind die jüngsten Zahlen, die im neuesten Bericht, den die Wirtschaftskammer mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums erstellt, stehen) waren das 38.400 Firmen. Zwei Drittel davon sind Ein-Personen-Unternehmen, der Anteil ist damit viel größer als in der Gesamtwirtschaft. In ihr haben Solo-Unternehmer einen Anteil von rund 37 Prozent. In Summe arbeiten in Österreich 130.500 Menschen in Kreativbetrieben; 2010 haben diese 18,2 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftet, das ist ein Anteil von 2,7 Prozent an der Gesamtwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung trug 2010 mit 3,5Prozent zur Gesamtwirtschaft bei.

Besser als die Gesamtwirtschaft. Und die Branche wächst. Zwischen 2008 und 2010 ist die Zahl der Kreativbetriebe mit plus sechs Prozent stärker gewachsen als die Zahl der gesamten Unternehmen in Österreich (plus zwei Prozent). In diesem Zeitraum haben vor allem Solo-Unternehmer ihre eigene, neue Firma eintragen lassen. Während aber in der gesamten Wirtschaft die Zahl der Beschäftigten stagniert ist, konnte diese bei den Kreativen um drei Prozent gesteigert werden.

Und auch, wenn man die Umsätze betrachtet, stehen die Kreativen besser da als Österreichs gesamte Ökonomie: Die Umsätze sind von 2008 bis 2010 zwar um ein Prozent gesunken, der Rückgang war aber schwächer als gesamtwirtschaftlich betrachtet (minus fünf Prozent). Nur die Bruttowertschöpfung ist mit minus fünf Prozent bei den Kreativen ebenso gesunken wie quer durch alle Branchen.


Kleines Minus 2011. Erste Schätzungen für das Jahr 2011 zeigen aber einen Rückgang der Unternehmen auf etwa 38.000, die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten ist dieser Schätzung nach hingegen um drei Prozent auf rund 96.000 gestiegen. Die stärksten Rückgänge bei der Zahl der Unternehmen wurden im Bereich Musik, Buch und künstlerische Tätigkeit verbucht – das ist mit mehr als 30 Prozent der Kreativunternehmen auch der größte Sektor innerhalb der Branche.

Und ein vielschichtiges Feld: Zählen dazu doch Tonstudios, Musikverlage, Produzenten von Hörfunkbeiträgen, Händler von Musikinstrumenten oder Büchern, Musiker, Schauspieler, Maler, Schriftsteller, Konzertveranstalter gleichermaßen wie Kunsthändler. Einen überdurchschnittlichen Zuwachs gibt es bei Unternehmern aus den Sparten Design, Werbung, Architektur, Software und Games. Letztere Sparte, Software und Games, ist, wenn man Umsatz und Bruttowertschöpfung betrachtet, die produktivste innerhalb der heimischen Kreativwirtschaft. Die knapp 28.000 Beschäftigten haben einen Umsatz von 4,59 Mio. Euro erwirtschaftet und für eine Bruttowertschöpfung von 2,18 Mrd. Euro gesorgt.


„Noch zu wenig.“ Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist, wie er sagt, mit den Kreativen recht zufrieden. Er sprach bei der Präsentation des Berichts von einem „dynamischen Faktor“ der Wirtschaft. Und auch von erfolgreichen Unternehmen: So konnten 2010/ 11 immerhin 71 Prozent der Betriebe positive Betriebsergebnisse erzielen – ein höherer Anteil als gesamtwirtschaftlich betrachtet. Aufholbedarf gibt es allerdings auf dem Land. Schließlich sitzen vier von zehn Kreativen in Wien. „Die Kreativwirtschaft ist dort situiert, wo auch Großbetriebe sind.“ Das Potenzial auf dem Land, so Mitterlehner, könne man am besten durch stärkere Kooperationen mit Klein- und Mittelbetrieben ausschöpfen.

Und auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl betont die Möglichkeiten abseits der Metropolen. „Im überschaubaren Umfeld“, sagt er, könne sich Kreativität oft besser entwickeln. Leitl sehe Österreichs Stärken, wenn es um Kreativität geht, vor allem in der Fantasie, Gestaltungskraft, im Design und in der Kombination, wie er sagt. Hier könne man auch dem EU-Vergleich standhalten. „Die Kreativwirtschaft hat die Chance, zu einem Zugpferd zu werden und damit die Gesamtexporte zu stärken.“ Aber, es gibt genug Luft nach oben. „Nur drei Prozent der Umsätze werden bisher in der Kreativwirtschaft gemacht. Das ist zu wenig“, sagt Leitl. Auch, wenn es um den Anteil der Kultur- und Kreativwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt geht, stehen Kreative anderer Länder stärker da: In den Niederlanden, Schweden, Großbritannien, Dänemark, Finnland, oder Deutschland ist der Anteil größer.

Laut einer Studie des deutschen Wirtschaftsforschers Michael Söndermann aus 2009 zählt Österreich aber immerhin zu jenen zehn Ländern Europas mit dem größten Anteil der Kreativen an der Gesamtwirtschaft.


Wien als Nabel. Innerhalb Österreichs ist klar Wien der Hotspot der Kreativen, mit eigenen Grätzeln, lebendigen Netzwerken und Coworking Spaces. Vier von zehn Kreativunternehmen in Österreich sitzen in Wien, hier ist auch der Anteil der Kreativen an der gesamten Zahl der Unternehmen höher als die bundesweiten zehn Prozent. Fokus des jüngsten Kreativwirtschaftsberichts aber sind die Kreativen auf dem Land.

Und vor allem die Frage, wie man diese fördern und davon abhalten kann, in die Städte zu flüchten. Schließlich könnten, dank grenzenloser Kommunikation und ortsunabhängiger Arbeitsweisen (jeder Zweite kann nach eigenen Angaben ortsunabhängig arbeiten), auch ländliche Regionen zu „Brutstätten des Fortschritts“ werden. Bisher haben sich aber nur 18 Prozent der Kreativwirtschaftsunternehmen jenseits von Wien oder der Landeshauptstädte angesiedelt. Aber gerade auf dem Land ist die Dynamik stark. Die Wachstumsraten sind mit bis zu zehn Prozent höher als in den urbanen Gebieten mit sechs Prozent. Darin, so die Analyse im Kreativbericht, spiegle sich der Strukturwandel auf dem Land wider, hin zu Dienstleistungsunternehmen. Auch, weil Kreative auf dem Land gezielt gefördert werden – oder eigene, starke Netzwerke wachsen.


Top-down oder Bottom-up? Im Vorarlberger Rheintal zum Beispiel, in dem 2008 der Campus Dornbirn gegründet wurde – eine sogenannte Top-down-Initiative, eine von oben, von institutioneller Seite beschlossene Förderung Kreativer, die sich mit lokalen Projekten und Unternehmen verzahnen soll. 2007 hat eine Untersuchung gezeigt, dass Handwerk und Design oder Architektur durch den „Werkraum Bregenzerwald“ als Impulsgeber und Plattform zwar gut vernetzt sind, aber die Berührungspunkte zwischen Großbetrieben und Kreativszene fehlen.

Also haben Wisto (Wirtschaftsstandort Vorarlberg) und Prisma (Zentrum für Standort und Regionalentwicklung) gemeinsam auf dem ehemaligen Postgaragenareal den Campus Dornbirn gegründet, dort sitzt heute etwa das Designforum Vorarlberg. Das erste Gebäude ist heute mit 30 Kreativunternehmen und ca. 150 Mitarbeitern voll ausgelastet, acht Firmen sind Neugründungen, drei davon Spin-offs der FH Vorarlberg. Das zweite Gebäude auf dem Campus ist derzeit in Bau.


Netzwerk aus der Szene. Ein anderer Ansatz, um Kreative auf dem Land zu fördern, wurde in Oberösterreich gewählt. Dort sind in bisher fünf Gemeinden, Vorchdorf, Vöcklabruck oder Ottensheim zum Beispiel, auf Initiative von Kreativen vor Ort und mit Unterstützung der Gemeinden Otelos (Offene Technologielabors) entstanden – Experimentierräume für Musik, Technik, Medien und Design. Das Modell expandiert – mittlerweile sind auch in Niederösterreich oder Deutschland Otelos geplant, schließlich ist um die oberösterreichischen Otelos ein lebendiges Netz an Kreativen gewachsen. Aus einzelnen Otelo-Experimenten sind Start-ups geworden: RepRap Austria zum Beispiel – über diese Firma verkauft Benjamin Krux weltweit selbst entwickelte Bauteile für 3-D-Drucker. Oder der Ogg-Streamer, ein von Georg Ottinger entwickeltes und mittlerweile beim „Xport Pro Design Contest“ Silicon Valley prämiertes Gerät zur Online-Übertragung von Audiodateien.

Ein drittes Beispiel für lebendige Kreativwirtschaft ist die Region um das oststeirische Pöllau. Dort hat sich die Firma Kapo als Leuchtturm für die Kreativwirtschaft etabliert. Der Holzfenster- und Möbelhersteller, seit 1986 auch Inhaber der Marke Neue Wiener Werkstätte, fällt mit Innovationen und enger Zusammenarbeit mit Kreativen auf: So hat Kapo etwa den NWW Design Award ins Leben gerufen, einen Preis, der auch eine Plattform zum Vernetzen von Handwerk, Design und Industrie sein soll.


Familienbetrieb als Leuchtturm. Das Familienunternehmen hat auch konkrete Projekte unterstützt: etwa den Hypercubus, ein temporäres Hotelzimmer aus dem Grazer Büro WG3, das etwa beim Designmonat Graz 2011 genutzt wurde. Und so zieht der Traditionsbetrieb Kreative an; der Anteil an der Wirtschaftsleistung wächst damit auch in der sehr ländlichen, traditionell geprägten Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)

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