Designobjekte aus dem Mist

Designobjekte Mist
Designobjekte Mist(c) Erwin Wodicka (Erwin Wodicka)
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Vom Plasticksackerl, das zum Lampenschirm wird, bis zu Büchern als Dämmstoff: Der Trend zum Upcycling ist ungebremst. Beim REdesign Award wurden innovative Ideen prämiert.

Es ist ein kurzer Weg – von der Produktion, ins Geschäft, durch den Haushalt und in den Mistkübel. Ein viel zu kurzer Weg, in vielen Fällen. Denn oft wäre ein Abfallprodukt, selbst ein simples Plastiksackerl, noch lang nicht am Ende seiner Möglichkeiten, wenn es im Mist landet. Wie sich Abfall und alte Materialien neu verwenden und aufwerten lassen, das zeigen Kreative nun schon seit geraumer Zeit: Der Trend zum Upcycling, zum Wiederverwerten, bei dem der Stoff ohne großen Aufwand aufgewertet wird, hält an.

Kürzlich wurden einige innovative Projekte, bei denen aus vermeintlich Wertlosem Designerstücke entstanden sind, mit dem REdesign-Award 2013 ausgezeichnet. Der Wettbewerb wurde heuer schon zum zweiten Mal von Designaustria durchgeführt. Designer aus ganz Europa waren aufgerufen, ihre Arbeiten einzureichen.

Und wie hoch das Thema Upcycling bei diesen im Kurs steht, das zeigt die Zahl der eingereichten Arbeiten: 155 Designer und Projektteams aus elf Ländern, um 50 Prozent mehr als beim ersten REdesign-Award im Jahr 2010, haben sich um den Preis beworben. In vier Kategorien (Mobilität und öffentlicher Raum, Haushalt und Wohnen, Accessoires und Give-aways sowie Schmuck und Mode) wurde je ein mit 1000 Euro dotierter Preis vergeben.


Wegwerfsackerl als Designerlampe. Und die Ideen sind breit gefächert: So wurde ein Abluftkraftwerk, bei dem Abluft, etwa aus PCs, zur Energiegewinnung genutzt wird, genauso prämiert wie das Projekt ReBlock: Dabei entstehen aus Altpapier neue Notizblöcke. Ebenso wie Taschen aus alten Seesäcken und gebrauchten Fallschirmen aus dem Hause Wienzwoelf oder Garderobenhaken aus alten Fahrradschläuchen und Kunststofftonnen.

Oder Lampenschirme, die einmal alte Plastiksackerln waren. „Plastiksackerln sind in Unmengen vorhanden, also wollte ich etwas aus ihnen machen“, erklärt Verena Knöbl, die mit ihren Lampenschirmen „Plasticky“ in der Kategorie Haushalt & Wohnen ausgezeichnet wurde. Sie bügelt Plastiktaschen so, dass sie aneinanderkleben und dann an einer Halterung befestigt werden können. So entsteht ein Lampenschirm. Knöbl hat dazu mit unterschiedlichsten Plastiksorten, von PET-Flaschen bis zu diversen Verschlüssen und Taschen, experimentiert. Der Award bestärkt die Designerin, die in England Produktdesign studiert hat, auch an anderen Formen zu arbeiten. So ist schon ein Einkaufskorb aus altem Plastik entstanden. „Ein interessantes Zusammenspiel wäre auch ein Mistkübel aus Müll.“


Trinkglas statt Glascontainer. Auch Karoline Sieberer hat ihren Werkstoff im Haushaltsabfall gefunden: Die niederösterreichische Designerin, die sich mit ihrem Label k.roh eigentlich mit der Produktion von Holzmöbeln befasst, hatte schon lang die Idee, Flaschen abzuschneiden und sie so in Trinkgläser zu verwandeln. „Die Möglichkeit, am Award teilzunehmen, hat mich motiviert, die Idee umzusetzen“, sagt Sieberer. Für die Trinkgläser „Alt.Glas – das Glas aus der Flasche“ wurde sie nun ebenfalls in der Kategorie Haushalt & Wohnen prämiert.

Die Gläser hat sie von einem Glaser aus ihrem Ort machen lassen, schließlich sei es nicht leicht, Flaschen zu schneiden. Material musste sie nicht zukaufen, nachdem sie leere Weinflaschen ohnehin selbst oder bei Bekannten sammeln konnte. „Es ist Zeit, anders zu konsumieren“, sagt sie. Auch, um Energie und Geld zu sparen.

Die Gläser, die einmal Flaschen waren, will sie weiterhin anbieten. Und sie will auch eckige Flaschen abschneiden, um neue Glasformen zu kreieren. Jede Flasche wird auf eine Höhe von 15 oder zehn Zentimetern gekürzt, die klassische Flaschenform sorgt für eine als Trinkglas ungewohnte, zugleich aber vertraute Anmutung. „Das Schöne ist, wie simpel es ist. Weinflaschen hat jeder. Wenn man sie einfach nur abschneidet, bekommen die Flaschen eine ganz andere Ästhetik. Das hat mich selbst überrascht.“


Hauptpreis an Sozialprojekt. Auch bei Josef Pfeiffer vom oberösterreichischen Projekt Kunst am Rand dreht sich alles um das Prinzip des Wiederverwertens. Er ist, gemeinsam mit dem Team von Kunst am Rand, Hauptpreisträger. Und dieser Hauptpreis ist mit der Umsetzung der Produktion durch einen sozialwirtschaftlichen Betrieb verbunden. Das passt zu dem Projekt, richtet sich Kunst am Rand doch, wie der Name verrät, ohnehin an Menschen am Rand der Gesellschaft, die in Workshops gemeinsam Projekte realisieren.

Ausgezeichnet wurde schließlich das Projekt Altstoff Buch als Werkstoff. Dabei werden Druckwerke und Bücher zur Schalldämmung verwendet oder als Bodenbelag, als Türverkleidung oder als Verbundwerkstoff genutzt. „Mir ist eingefallen, dass die Gebet- und Gesangsbücher Gotteslob in allen deutschsprachigen Kirchen ausgeschieden und durch neue ergänzt werden. Das sind in Summe 3,6 Millionen Bücher, die wir da nun zur Verfügung haben“, sagt Pfeiffer.

Denn zumindest im Kleinen, sagt er, könne man man Dinge, die eigentlich weggeworfen werden sollten, doch noch weiterverarbeiten. „Wir haben gesagt, dass wir uns den Luxus leisten, dass wir uns ein Material gestalten, aus dem wir Produkte machen können. Das ist ja an sich die coole Geschichte.“ Er meint weiters: „Die Müllberge kann man nicht so einfach wegrecyceln, aber es gehört ganz neu gedacht. Und auch die Idee des Wiederverwertens gehört neu ins Spiel gebracht.“ Denn was bereits da ist, soll neu wahrgenommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2013)

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