Neues Futter für die Crowd

Isabel Philipp
Isabel Philipp Die Presse
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Start-ups haben Crowdfunding schon längst für sich entdeckt. Doch auch etablierte Unternehmen finanzieren sich durch eine Masse von Kleinanlegern. Grüne Erde zum Beispiel.

Die Idee ist so einfach, dass sie jedes Kind versteht. Isabel Philipp hatte sie jedenfalls schon lang, bevor sie den Entschluss fasste, sich als Tischlerin selbstständig zu machen: „Wenn jeder Österreicher mir einen Schilling geben würde, hätte ich sieben Millionen Schilling. Dieser Gedanke hat mich als Kind total fasziniert.“

Genau das ist das Prinzip von Crowdfunding. Viele Anleger investieren kleine Beträge in ein Unternehmen, meistens ein Start-up. Dadurch minimiert sich das Risiko der Anleger. Der Unternehmer profitiert gleich in mehrfacher Hinsicht davon: Die Crowdfunding-Plattformen, auf denen das Unternehmen präsentiert wird, steigern dessen Bekanntheit.

Das Feedback, das von der Crowd kommt, ist außerdem quasi ein erster Testlauf, wie das Produkt oder die Dienstleistung bei den Konsumenten ankommt. Und für viele Start-ups ist die Crowd eine finanzielle Eintrittskarte ins Unternehmertum, denn in der Frühphase ist es für viele schwierig, einen Bankkredit zu bekommen.

Letzter Schliff. Entscheidend für den Erfolg eines Projektes bei der Masse ist eine knackige Präsentation, meist in Form eines kurzen Videos, das die Geschäftsidee auf den Punkt bringt. Tischlerin Isabel Philipp präsentiert ihr Projekt gerade auf der Crowdfunding-Plattform 1000x1000. Ihr Konzept: Sie will ihre Kunden in den Entstehungsprozess ihres eigenen Möbelstückes einbinden. "Finally you" heißt das Projekt. Vor Kurzem hat Philipp eine Werkstatt im Wiener WUK bezogen, in der sie ihre Kunden empfängt.

„Der Kunde soll eine Beziehung zum Möbelstück aufbauen“, erklärt Philipp. Je nach Möbel gibt es mehrere Module, je nachdem, wie stark sich der Kunde handwerklich einbringen will. Wie Ikea für Fortgeschrittene muss man sich das nicht vorstellen. Es geht eher darum, dem Möbel den letzten Schliff zu verleihen.

„Gerade hat eine Bekannte eine Truhe in Auftrag gegeben, die sie ihrer Freundin zur Hochzeit schenken will. Dass sie dann selbst an der Fertigstellung arbeitet, macht das Geschenk viel persönlicher“, meint Philipp. Das von der Crowd eingesammelte Geld will die Jungunternehmerin vor allem in Handmaschinen und Werkzeug stecken. Die Summe, die sich sich als Ziel gesteckt hat, ist mit 8500 Euro eher bescheiden.

Bis zu 250.000 Euro darf man in Österreich mit Crowdfunding einsammeln. Dabei gibt es zwei Modelle: das reward-based Crowdfunding, bei dem das Investment mit einem „Geschenk“ abgegolten wird. Und das Crowdinvesting, bei dem man sich finanziell am Unternehmen beteiligt und dafür Zinsen bekommt. Die Beteiligung erfolgt meist in Form von Genussscheinen, deren Wert steigt, sobald das Unternehmen Gewinn macht. Darin besteht auch das Risiko für die Anleger. Denn nicht alle Start-ups schaffen es in die Gewinnzone. In dem Fall ist das gesamte Investment futsch. Dafür verdient man im Erfolgsfall auch wesentlich mehr als bei „konservativen“ Anlagemodellen.

Isabel Philipp hat sich für die Reward-based-Crowdfunding-Variante entschieden, also für Geld gegen Goodies. Je nach investierter Summe bekommt man von der Tischlerin verschiedene Gegenleistungen. Für 50 Euro gibts einen hölzernen Schlüsselanhänger, für 700 Euro kann man einen Tag in der Werkstatt verbringen, für 2500 Euro gibt es einen Gutschein für einen Tisch oder ein Bett. „Bevor ich mir Investoren an Bord hole, möchte ich die Firma so weit aufgebaut haben, dass ich weiß, dass sie funktioniert. Mindestens eine erste Jahresbilanz möchte ich in der Hand haben“, sagt Philipp. Bis Ende April hat sie noch Zeit, die auf 1000x1000 angepeilte Summe zu erreichen. Sammelt sie nicht genügend Geld ein, bekommt sie gar nichts – das ist eine eiserne Regel des Crowdfunding.


Mobilität auf dem Land. Auf Greenrocket, einer Crowdfunding-Plattform mit speziellem Fokus auf Projekte mit ökologischem Mehrwert, hat Alexander Stiasny mit seinem Start-up ISTmobil die Finanzierungsschwelle von 25.000 Euro bereits überschritten. Stiasny arbeitet seit einigen Jahren an Mobilitätslösungen für die Landbevölkerung und hat mit dem ISTmobil in der Südsteiermark ein erfolgreiches Pilotprojekt gestartet. „Es gibt auf dem Land eine Versorgungslücke in der Mobilität, die derzeit nur das Auto füllt“, sagt Stiasny. „Der öffentliche Verkehr zieht sich immer mehr zurück, und es ist in vielen Regionen quasi unmöglich, ein Taxi zu bekommen.“ ISTmobil bietet eine Art ressourcensparendes Taxiservice an, indem man auf die bestehenden Angebote zugreift und diese vernetzt.

„Fahrzeuge gibt es genug. Wir schaffen keine neuen Autos an“, sagt Stiasny. Kilometer und damit Abgase spart ISTmobil, indem man Aufträge, die auf einer Strecke liegen, miteinander kombiniert. Das senkt auch den Preis für die Fahrgäste. „Derzeit sind wie in 14 Gemeinden in der Südsteiermark präsent. Bis 2015 wollen wir zumindest drei weitere Regionen erschließen.“ Die Nachfrage sei derzeit so groß, dass sein Team nicht einmal alle Gemeinden beraten kann. „Gerade sind wird dabei, Personal auszubilden und unser Netz von Kooperationspartnern auszuweiten.“

Die Crowd hilft ISTmobil beim Wachsen. „Ich habe mich für Crowdinvesting entschieden, obwohl das nicht das günstigste Finanzierungsmodell für meine Firma ist. Immerhin bekommt man bei uns auf zehn Jahre gerechnet 18 bis 20 Prozent Zinsen.“ Warum also trotzdem die Crowd? „Für mich ist das Netzwerken ganz wichtig. Viele Gemeinden sind durch die Kampagne auf uns aufmerksam geworden.“

Kunden als Geldgeber. Aber nicht nur für Start-ups und Kreative ist Crowdinvesting mittlerweile eine willkommene Alternative zur Finanzierung durch Bankkredite. Auch etablierte Unternehmen setzen auf die Finanzkraft der Masse. Grüne Erde zum Beispiel. Der Händler für ökologische und faire Mode, Möbel und Kosmetika hat vor knapp einem Jahr damit begonnen, die Finanzierung von Bankkrediten auf Crowdinvesting umzustellen. „Wir haben in den Jahren nach der Finanzkrise erfahren, dass die Banken ihre Funktion nicht mehr erfüllen“, sagt Grüne-Erde-Geschäftsführer Reinhard Kepplinger. Als potenzielle Investoren hat man sich in erster Linie an Grüne-Erde-Kunden gewandt und das Modell in einem Rundschreiben beworben. „Wir waren überwältigt, wie positiv das angekommen ist.“ Die durchschnittliche Summe, die investiert werde, seien 7000 Euro. Die Anleger erhalten fünf Prozent Zinsen. Bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres will Kepplinger die Basisfinanzierung ganz auf Kundendarlehen umstellen. Damit wird auch der rechtliche Nachteil reduziert, den Kleinanleger haben. Im Fall einer Insolvenz haben sie nämlich Nachrang vor anderen Gläubigern, wie zum Beispiel Banken oder Lieferanten. Wenn es keine Banken als Geldgeber gibt, wird dieses Risiko geringer.

Kepplinger glaubt, dass es die Unternehmensphilosophie ist, die den Kunden das Vertrauen einflößt, zu investieren. Bei vielen Projekten, die von der Crowd finanziert werden, geht es genau um diesen Sympathiebonus. „Die Leute wollen mit ihrem Investment etwas Positives bewegen.“ Wenn sich Sympathie mit dem Glauben paart, dass das Unternehmen Erfolg haben könnte, kann man mit der Crowd einiges erreichen.

Crowd- Funding

Plattformen. Derzeit gibt es drei österreichische Crowdfunding-Plattformen: 1000x1000, Greenrocket und Conda. Auf diesen Plattformen können Unternehmer für ihre Ideen werben und selbst die Summe festlegen, die sie brauchen.

Crowdfunding basiert auf dem Tausch Geld gegen Geschenke. Dabei handelt es sich meistens um Varianten des Produktes, für das das Geld gedacht ist.

Crowdinvesting. Hier können die Kleinanleger ihr Geld für sich arbeiten lassen. Es gibt hohe Renditen, allerdings nur, wenn das unterstützte Unternehmen auch tatsächlich Gewinn abwirft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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