Gründermesse der anderen Art

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Symbolbild. (c) imago/Westend61 (Retales Botijero)
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Nächstes Wochenende geht die Maker Faire Vienna über die Bühne. Vordergründig geht es ums Selbermachen, aber auch um innovative Produktideen und Unternehmensgründung.

Das Tamagotchi war gestern. Was demnächst auf uns zukommen könnte, erinnert aber irgendwie daran: Topfpflanzen, die mit ihren Besitzern „sprechen“, von ihnen Pflege und Zuwendung einfordern. Echte Pflanzen freilich, keine virtuellen. Und die Sache ist auch nicht als Spiel gedacht: Der Sensor, auf dem die Kommunikation beruht, könnte ein sehr reales Hilfsmittel für Pflanzenfreunde werden, vor allem für solche mit nicht ganz so grünem Daumen. Oder vielleicht irgendwann, in einer weiterentwickelten Form, auch für Profis, die mit Pflanzen arbeiten, von Büro-Begrünungsfirmen bis zu Gärtnereien oder Landwirten.

Entwickelt hat den Pflanzensensor ein Wiener Start-up. Man steckt ihn in den Blumentopf, er erfasst diverse Daten, wie Feuchtigkeit, Temperatur, Lichtmenge, und schickt dem Besitzer eine Nachricht aufs Handy. Da wird dann vermeldet, was die Pflanze gerade braucht: Sie möchte gegossen werden. Oder wünscht sich mehr Licht. Oder die Raumtemperatur passt nicht – was auch immer. Auf dem Markt ist „helloplant“ noch nicht, wohl aber gibt es Sensoren im Testbetrieb. Kommendes Wochenende, auf der Maker Faire Vienna, werden sie einem breiteren Publikum vorgestellt. Der nächste Schritt soll dann eine Kickstarter-Kampagne sein. Man will via Crowdfunding Geld einsammeln, dann kann – so hofft man – die Serienproduktion anlaufen.

Der Messeauftritt ist somit eine Art erster Markttest für diese Produktidee, aber auch für viele andere, die am 20. und 21. Mai im Veranstaltungszentrum Metastadt in Wien Donaustadt vorgestellt werden. Zum Beispiel „Zeppy“, ein ebenfalls von einem Wiener Start-up entwickelter „Musikbegleiter für Indoor und Outdoor“, der nicht nur durch seinen Sound überzeugen, sondern sogar schwimmfähig sein soll. Oder „CamCar“, eine Diplomarbeit an der HTL Rennweg, bei der es darum geht, ein Fahrzeug zu entwickeln, das – wie es in der Projektbeschreibung heißt – „schnell und unkompliziert atemberaubende Kamerafahrten für Marketingzwecke“ ermöglichen soll. Oder ein „Industrie-4.0-Cocktailroboter“, der im Studiengang Smart Engineering an der FH St. Pölten entwickelt wurde, als „Beispiel für individualisierte Produktion“. Über eine Smartphone-App kann man damit den Cocktail seiner Wahl zusammenstellen.

Um 3-D-Druck geht es klarerweise auch, in vielerlei Arten und Anwendungen, er ist laut den Veranstaltern eines der großen Themen der Messe. Ebenso wie Elektronik und Roboter, aber auch klassisches Handwerk, Re- und Upcycling, Kunst und Design. Fast ein bisschen gruselig: die „Herde der Maschinenwesen“, eine Installation aus recycelten Fahrrädern. Die gigantischen Tierfiguren, geschaffen von der Münchner Künstlergruppe Foolpool, werden sich, so die Ankündigung der Veranstalter, selbstständig auf dem Freigelände bewegen.

„The Growroom“ wirkt da schon heimeliger, der „Gemüsegarten für den urbanen Raum“, den ein dänisches Designstudio zusammen mit Ikea entwickelt hat. Drei Meter hoch ist er und nicht käuflich zu erwerben, wer einen haben will, muss ihn schon selbst bauen, aus Sperrholzplatten und nach einer im Internet frei zugänglichen Bauanleitung. Auf der Messe wird das dem Publikum vorgemacht, wobei, wie es heißt, digitale Produktionstechnologien eingesetzt werden sollen.

Die Idee für die Maker Faire ist nicht neu, sie stammt aus den USA, weltweit gab es laut den Proponenten schon über 150 derartige Veranstaltungen in 38 Ländern. In Wien findet die Messe heuer zum zweiten Mal statt. Innoc – die Österreichische Gesellschaft für Innovative Computerwissenschaften –, Happylab und das deutsche Magazin „Make“ fungieren als Veranstalter, auch die Wiener Wirtschaftsagentur, das Wirtschafts- und das Familienministerium sind mit an Bord. 240 Aussteller gab es im Vorjahr, diesmal sollen es um die 900 sein.

Laut Eigendefinition ist die Maker Faire eine Erfindermesse, aber auch „eine Art Jahrmarkt“. Jedenfalls aber ein Treffpunkt, an dem Selbermacher im weitesten Sinne zusammenkommen, um ihre Projekte vorzustellen. Wie Sprecherin Leyla Jafarmadar sagt, sind Pensionisten genauso als Aussteller vertreten wie Leute, die an einem Produkt arbeiten, das sie vermarkten wollen: Kreative, Tüftler und Technikfreaks, Gründer und solche, die es erst werden wollen, aber auch das eine oder andere bereits etablierte Unternehmen. Und das Publikum soll nicht nur schauen, sondern die diversen Produkte und Erfindungen selbst ausprobieren, bei Projekten mit anpacken und sich – auch in Workshops – Fertigkeiten und Kniffe abschauen.

Was da geboten wird, ist also eine wilde Mischung von Do-it-yourself für den privaten Gebrauch und Produkten, die schon auf dem Markt sind oder demnächst zur Marktreife gelangen sollen – so sie denn ein Käuferpublikum finden, was sich in einem solchen Rahmen vielleicht tatsächlich abschätzen lässt.

Vieles dreht sich auch um die Unternehmensgründung selbst: So steht etwa ein Workshop über digitale Produktionstechnologien auf dem Programm, mit denen man relativ schnell Prototypen zur Umsetzung neuer Produktideen anfertigen kann, und ein weiterer, den eine Unternehmensberaterin zum Thema Gründen abhält, frei nach dem Motto: „Sieben Dinge, von denen ich wünschte, ich hätte sie vorher gewusst“. Crowdfunding wird ebenfalls thematisiert, und sogar das Patentamt ist vor Ort, um über Patent-, Marken- und Designschutz zu informieren.

Und ja, es gibt auch den einen oder anderen Teilnehmer, der mit klassischer Umsatzmaximierung wirklich gar nichts am Hut hat. Das Reparaturnetzwerk Wien etwa. Oder der „1. Wiener Leihladen“.

Maker Faire

Die Idee. Sie stammt aus den USA, es gab bisher rund 150 derartige Veranstaltungen in 38 Ländern.

Die Teilnehmer. Jeder kann mitmachen, vom Hobbyerfinder bis zum Profi. Viele Aussteller sind Start-ups oder wollen ein Unternehmen gründen. Aber auch etablierte Unternehmen sind vertreten und ebenso Anlaufstellen, die bei der Gründung helfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2017)

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