Comics: "Raus aus dem Schmuddeleck"

Comics Raus Schmuddeleck
Comics Raus Schmuddeleck(c) Georgia Meinhart
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Der heimischenComicszene fehlen eine lange Tradition und ein großer Markt. "Nextcomic", Österreichs Festival für Bildliteratur, stellt sie jetzt in Linz in die Auslage.

Nicht Zürich, sondern Luzern. Nicht Berlin, sondern Erlangen. Nicht Paris, sondern Angoulême. Nicht Wien, sondern Linz: Es ist kein Zufall, dass sich die internationale Comicszene fern der Metropolen etabliert, sagt Gottfried Gusenbauer (übrigens nicht verwandt mit dem Exbundeskanzler), der Festivalleiter von Nextcomic, Österreichs heuer zum zweiten Mal stattfindendem Festival für Bildliteratur in Linz. Noch bis 5. März treffen sich in der Stahlstadt Zeichner, Designer, Verleger, Sammler und Interessierte zu Ausstellungen, Lectures, Workshops und an der Comicbörse.

Kleinere Städte würden sich besser für die Kunstform abseits der Hochkultur eignen, glaubt Gusenbauer. Linz, als Industrie- und Arbeiterstadt, mit seinem Hang zur Medien- und Gegenwartskunst, passe auch ideologisch gut zur niederschwelligen Comic-Kunst: „Malerei schaut man sich im Museum an, da geht es ums Original. Und die Doofen kaufen dann ein Poster im Museumsshop. Beim Comic ist das aber anders: Das Heft, das Buch für alle, die Vervielfältigung ist das Wichtigste daran. Kommerz und Comics haben schon immer zusammengehört“, sagt Gusenbauer. Deshalb freut er sich über die Riege an Landes- und Stadtpolitikern, die zur Eröffnung erschienen ist, und darüber, dass der hiesige Tourismusverband mit dem Festival wirbt und ein Linz-Package „Nextcomic“ (Nächtigungen und Halbpension) anbietet.

Haderer als Schirmherr. Die breitere Öffentlichkeit soll helfen, der überschaubaren, aber produktiven heimischen Comicszene öffentliche Anerkennung zu verschaffen: Dabei hilft die „Schirmherrschaft“, die Karikaturenmeister und Lokalmatador Gerhard Haderer übernommen hat: „Ohne seinen Windschatten würde es nicht gehen“, sagt Gusenbauer. Haderer selbst bezeichnet die Aufbaupflege der heimischen Branche als „kulturelle Wühlarbeit“, ihre Protagonisten seien „keine Großkünstler“, die Szene „sehr intim und kleinteilig“: „Deshalb ist es wichtig, dass nun erfreulicherweise in Linz ein Platz geschaffen wurde, an dem sich die Szene in Zukunft auch großen deutschsprachigen Verlagen präsentieren kann.“ Gusenbauers Ziel ist es, „rauszukommen aus dem atmosphärischen Schmuddeleck, in dem Comics noch immer stecken. Die Bandbreite ist schließlich riesengroß: Sie reicht von bezahlter Auftragsarbeit bis hin zu Avantgarde-Bildliteratur.“

Der Nextcomic-Gründer, selbst Mittelpunkt der Linzer Gruppe Linc, hat nun einen Treffpunkt für Konsumenten und Produzenten der „Neunten Kunst“ rund um einen harten Kern von einer Handvoll Comicgruppen in Wien, Graz und Linz geschaffen. Dazu gehören u.a. Pictopia, ein Ein-Mann-Vertrieb und Logistikpartner für Independent Comics und Graphic Novels, Verlage wie Tonto, Prequel, Murmel Comics oder Moff, der Gerhard Haderers gleichnamiges „kleines Schundheftl“ mit Politik- und Sozialcartoons verlegt. Sie alle bedienen eine seit geraumer Zeit größer werdende Fangemeinde, und mit „Luftschacht“ gibt es auch einen österreichischen Literaturverlag, der Comics verlegt.

Viele Jahre, sagt Gusenbauer, habe die intern stark vernetzte, aber in der Öffentlichkeit kaum präsente Comicgemeinschaft vergeblich versucht, eine Plattform wie das Festival auf die Beine zu stellen: „Das Problem im Vergleich zu Frankreich oder Italien ist, dass es hier keine Comictradition gibt und einen noch relativ kleinen Markt.“

In Linz brauchte es die Starthilfe der Kulturhauptstadt, die das erste Nextcomic-Festival 2009 finanzierte. 10.000 Besucher kamen, heuer hofft der Festivalleiter auf 15.000. Das Budget ist schmal: 45.000 Euro für Werbung, Spesen und Hotelrechnungen, die das Land Oberösterreich, die Stadt Linz und Sponsoren aufbringen. Allerdings: Wenn man die Produktionskosten, die alle zwölf teilnehmenden Institutionen übernehmen, mitrechnet, kommt man auf sattere 250.000 Euro. Außer dem Hauptschauplatz, dem OK Centrum für Gegenwartskunst, beteiligen sich das Ars Electronica Center, das Architekturforum, der Kulturverein Kapu, die Galerie Maerz etc.

Zur Ausbildung ins Ausland. Bedeutend für die Zugkraft und den künftigen Erfolg des Festivals sind aber auch populäre Aushängeschilder. Mit Florian Satzinger ist ein Coup gelungen: Der in Graz lebende Character-Designer war Schüler des legendären Disney-, MGM- und Hanna-Barbera-Trickfilmregisseurs Ken Southworth, aus dessen Feder „Alice in Wonderland“, „Woody Woodpecker“ oder „Tom und Jerry“ stammen. Ab dem Sommer 2011 wird Satzinger im Zweijahrestakt nach einer bemerkenswerten Laufbahn bei Warner Bros., wo er an Erfolgsserien wie „Looney Tunes“ oder „Pinky and the Brain“ beteiligt war, beim französischen Verlag Soleil die groß angelegte Serie „Starducks“ herausbringen. Allen, die in der Branche Fuß fassen wollen, rät er zu einem Studium der klassischen Malerei und einer Ausbildung im Ausland: „In Österreich mangelt es nicht an Talenten, aber an Möglichkeiten. Es gibt keinen Markt, keine Industrie und deshalb auch keine Ausbildung.“ Neben Satzinger gehört auch Til Mette zu den Festival-Aushängeschildern: Seit 1995 veröffentlicht der Deutsche seine subtilen, schnörkellosen Arbeiten exklusiv im Wochenmagazin „Stern“.

Vielleicht schon nächstes Jahr soll einer der Helden der Branche nach Linz geholt werden, der aktuelle Zeichner der „Lucky Luke“-Bände: Achdé vulgo Hervé Darmenton.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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