Briefmarken: Vier Quadratzentimeter Design

Vier Quadratzentimeter Design
Vier Quadratzentimeter Design(c) Teresa Zötl
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In den Ferien haben Briefmarken wieder Saison. Innovation findet dabei auf technischer Ebene statt. Beim Design ist hingegen oft die Ehrfurcht vor einem Staatsdokument sichtbar.

Liebe Tante Greti! Hier in der Toskana ist es wunderschön. Das Wetter ist herrlich, das Meer glasklar und das Essen köstlich. Ich genieße das Leben und sende Dir liebe Grüße, Deine Anna.“ So oder ähnlich lesen sich wohl die meisten Urlaubsgrüße, die verstärkt ab Juli um die ganze Welt verschickt werden. Auf der Vorderseite sind meist idyllische Landschaften oder Sehenswürdigkeiten abgebildet, manchmal auch etwas „Lustiges“ – oder zumindest das, was die Sender dafür halten. Und neben dem Text – dessen Hauptinformation („Ich denke an Dich“) zwischen den Zeilen steht – findet sich eine bunte Marke. Kinder und Philatelisten lösen diese gerne über Wasserdampf ab, um sie anschließend ins Sammelalbum zu stecken. Je schöner und exotischer die Marke, desto beliebter ist sie. Das weiß auch die Österreichische Post, die bestimmt, welche Motive darauf abgebildet werden. Doch wer gestaltet sie? Und worauf legen diese Menschen Wert?


Kleine Größe. Renate Gruber hat ihre erste Briefmarke bereits 2003 gestaltet. „Die hängt noch immer in meinem Büro, da bin ich lange gesessen“, sagt die Grafikdesignerin. Anlass für die Marke „Turandot“ waren die Opernfestspiele in St. Margarethen. Generell vergibt die Post ihre Designaufträge meist passend zu anstehenden Veranstaltungen oder Jubiläen. Rund 60 neue Briefmarken gibt die Post pro Jahr heraus. „Als Grafikdesignerin ist man es gewohnt, ein bisschen Platz zu haben. Man kann sich meist austoben. Briefmarken sind aber nur ein paar Quadratzentimeter groß. Es ist eine echte Herausforderung, da alles unterzubringen“, sagt Gruber, die in Österreich wohl die einzige Grafikerin ist, die sich kontinuierlich mit Briefmarken befasst. Ihre männlichen Kollegen schätzt sie auf „rund eine Handvoll“.

Für Gruber macht aber nicht nur die kleine Größe die Arbeit an den Marken so spannend, sondern auch die Ehrfurcht. „Obwohl ich schon sicher 40 Briefmarken entworfen habe, empfinde ich jedesmal große Ehrfurcht. Es ist einfach etwas Besonderes. Es ist ein staatliches Dokument, das in die Welt geschickt wird. Da bemüht man sich besonders.“ Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Langlebigkeit der Marke. Im Gegensatz zu werblichen Grafikaufträgen werden diese über Generationen weitergegeben.

Dieses ehrfurchtsvolle Gefühl kennt auch Adolf Tuma. Er ist vor 39 Jahren als junger, langhaariger Lehrling in die Österreichische Staatsdruckerei gekommen. Seit Kurzem darf er sich Professor nennen und ist so etwas wie der Haus-und-Hof-Briefmarken-Künstler in der Staatsdruckerei, die für den Druck verantwortlich ist. „Meine erste Briefmarke habe ich 1984 für Luxemburg gestaltet, 1990 die erste für die Österreichische Post, und ich bin noch immer sehr stolz, bei jeder einzelnen Marke“, sagt Tuma, der an die 250 Briefmarken gestaltet hat. Für ihn ist eine Briefmarke ein Kulturgut und „ein Kunstwerk, das sich jeder leisten kann“. Gearbeitet wird in siebenfacher Größe; so kann auch jedes kleinste Detail genau ausgearbeitet werden. Und genau muss man auch sein, denn die Philatelie-Kunden sehen genauer hin. Bei einer Sondermarke zum Nationalpark Donauauen erhielt er einen Anruf von einem französischen Briefmarken-Fan: Die darauf abgebildeten Enten passten nicht zur Jahreszeit.

Post mit Betonstaub. Die Philatelisten werden bei der Post durchaus ernst genommen. Rund 80 bis 100 Millionen Briefmarken werden pro Jahr verkauft. „Das bleibt konstant bzw. nimmt, wenn, dann nur leicht ab“, sagt Post-Mitarbeiter Stephan Fuchs. Rund 70.000 Philatelie-Kunden, ein Drittel davon stammt aus Deutschland, finden sich in der Kartei. Und diese sind für die Post besonders interessant, immerhin sind sie nicht nur treue Kunden, sondern kaufen die Marken, ohne dafür eine Leistung (die Zustellung) einzufordern. Mancher munkelt, dass sich das auch in der Gestaltung bemerkbar macht. Während es im technischen Bereich häufig Innovationen gibt – vom Betonstaub auf der Sondermarke „50 Jahre Haus des Meeres“ über die runde Panda-Marke aus dem Tiergarten Schönbrunn bis zu kleinen Kristallen auf der „Swarovski“-Sondermarke – ist die Optik meist ähnlich. Moderne Grafiken finden sich eher selten. Herr Tuma möchte das Klischee der verstaubten Briefmarkensammler aber nicht gelten lassen. „Die sind sehr offen für Neues. Die Reihe mit moderner Kunst aus Österreich ist sehr begehrt, vor allem die Hundertwasser-Marken.“ Herbert Götz, Vorstandsdirektor der Österreichischen Post und für Philatelie zuständig, hebt die Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Kunst im Jahr 2005 hervor. Die Schüler haben dabei eine Briefmarke von Adolf Tuma, die eine verschneite Salzburger Berghütte zeigt, mit einem Zitat von Helmut Qualtinger („Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt“) überdruckt.

Für Sondermarken gibt es immer wieder Zusammenarbeiten mit externen Künstlern. So hat die Post beispielsweise für das Jubiläum „100 Jahre Urania Wien“ beim österreichischen Künstler Herbert Sedmik angefragt. „Das Bild habe ich bereit 1995 gemalt. Natürlich hat es mich gefreut, dass ich dadurch so viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen habe. Als Honorar habe ich 150 Briefmarken erhalten“; versprochen, sagt er, waren allerdings mehr.

Das heimische Designduo dasuno hat sich ebenfalls mit dem Thema auseinandergesetzt. Im Rahmen eines Artikels der „Presse am Sonntag“ haben die Grafikerinnen die Marke „Mehlspeisland Österreich“ entworfen, die Bambi in Form des süßen Klassikers Rehrücken zeigt. „Wir haben sie beim Designwettbewerb Josef Binder Award eingereicht, allerdings nur eine lobende Erwähnung erhalten. Vielleicht versuchen wir es noch bei der Post“, sagt Grafikerin Susanne Safer.


E-Postkarte und Sammlerstücke. Und wie sieht die Zukunft der Briefmarken und Postkarten aus? Immerhin mehrt sich die handschriftliche Korrespondenz nicht gerade. Rund eine Million Postkarten verschickt die heimische Post pro Jahr, den Großteil davon für Wettbewerbe. „Der Korrespondenz-Karten-Absatz gehen zurück“, heißt es aus der Post. Das will man mit einem neuen Produkt ändern. Bei der E-Postkarte können Bild und Text per Handy an die Post geschickt werden. Diese druckt die private Postkarte in Österreich und stellt sie zu. Eine Briefmarke wird dabei hinfällig. Dennoch dürfte das kleine Kunstwerk nicht aussterben. Herbert Götz meint dazu: „Zuallererst ist die Briefmarke mit ihrer rund 125-jährigen Geschichte ein Kulturgut, das wir hegen und pflegen, aber auch für die moderne Zeit adaptieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2010)

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