Im Prager Palast der Kreativität

Prager Palast Kreativitaet
Prager Palast Kreativitaet(c) EPA (Filip Singer)
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Designblok statt "Ostblock": Nicht nur in Wien, auch in Prag war Design Week. Auch im Alltag arbeiten tschechische Designer mit traditionellen Herstellern zusammen.

Ein Gebäude als Programm: Der Palast der Elektrizität mit seinen riesigen Glasflächen thront über der Moldau. Funktional und klar wurde das vierstöckige Zentralgebäude der Elektrischen Betriebe in den frühen 1930er-Jahren in Prag errichtet. Die Beamten sind längst aus den Büros, die rund um eine luftige Galerie angeordnet sind, aus- und Prags Kreativszene ist eingezogen. Aus dem Palast der Elektrizität ist der Palast der Kreativität geworden.

Zumindest für eine Woche, denn dort hat Designblok Prag – das Äquivalent zur Vienna Design Week – sein „Superstudio“ eingerichtet. Auf 7000 Quadratmetern präsentieren sich selbstbewusst, klar, funktional etablierte Designer, Jungtalente und Hersteller der Tschechischen Republik. Daneben zeigen Designer in ihren eigenen Studios und Galerien in den drei Prager Bezirken Holešovice, Karlín und Altstadt ihre Arbeiten.

„Abgesehen von den etablierten Designshows in Mailand und in London, fand die erste Designshow in Mitteleuropa vor zwölf Jahren in Prag statt“, erklärt Jana Zielinski, die Designblok-Organisatorin. Die Vienna Design Week gehört mit der diesjährigen vierten Auflage überhaupt zu den jüngeren Ausgaben in Europa. Designblok – ein Wortspiel aus Ostblock und Block als Einheit der Branche – hat Bewegung in die tschechische Szene gebracht. An dem Höhenflug hat auch die zierliche blonde Frau, die hauptberuflich eine Galerie und eine Medienagentur im Boom-Bezirk Holešovice leitet, einen wesentlichen Anteil. Seit elf Jahren organisiert sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Jiři Macek Designblok (diese geht heute, Sonntag, zu Ende) und gibt einen tschechischen Designführer heraus.

War die erste Designwoche im Grunde eine Party unter Freunden, ist sie nun in der Mitte der Stadt und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Zu Beginn waren wir sehr frustriert, die Szene war so klein“, sagt Zielinski. In den vergangenen drei Jahren habe sich aber viel verändert. Noch vor einigen Jahren hätten die Hersteller ihre alten Produkte irgendwie weiterentwickelt. „Die legten nicht viel Wert darauf, wie ihre Produkte aussahen.“ Das habe sich nun grundlegend geändert. „Die tschechischen Produzenten haben verstanden, dass sie mit Designern zusammenarbeiten müssen“, sagt Zielinski.

Weg von Prototypen. Traditionelle Firmen setzten nun auf nationale und internationale Designer, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Bei Designblok sind 20 tschechische Hersteller vertreten, die diese Strategie erfolgreich verfolgen. „Das ist eine außergewöhnliche Situation, die man so nicht in Deutschland oder in Österreich findet“, meint Zielinski.

Einer von ihnen ist der Möbelhersteller Ton – ursprünglich eine der Produktionsstätten der Gebrüder Thonet in Bystřice pod Hostýnem (Bistritz am Hostein) in Mähren. Dort hat der in Wien ansässige Michael Thonet in den 1850er-Jahren eine Fabrik gegründet und mit der Herstellung seiner berühmten Bugholzmöbel begonnen. 1953 wurde das Unternehmen dann in Ton umbenannt. Noch heute wird der Thonet-Stuhl Nummer 14 in Mähren gefertigt, aber auch moderne Interpretationen des klassischen Kaffeehaussessels – die neuesten stammen von dem Tschechen René Šulc und dem Slowaken Michal Riabic.

Immer wieder betont Jana Zielinski, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Produzenten sei. „Warum wohl ist Mailand die wichtigste Designmesse? Weil italienische Hersteller schon lange kapiert haben, dass Produkte innovativ sein müssen. Nur deshalb.“ Und: „Die Designszene braucht Produktion. Wenn die Designer nur Prototypen herstellen, kann das alles nie funktionieren.“

Vernachlässigtes Kristall. Auf tschechische Traditionen setzt auch der Lampenhersteller Lasvit, der gemeinsam mit dem Designerduo Koncern böhmischem Kristall eine neue Bestimmung gibt. Aus einzelnen, schillernden Elementen können Kristallmauern in verschiedenen Mustern und Größen zusammengesetzt werden. Ihr Zielpublikum: Lobbys großer Hotels. Böhmisches Kristall und Glas – das sind für Jana Zielinski zwei Bereiche mit großer Tradition in Tschechien. Allerdings gebe es genau dort am meisten aufzuholen. „Im Zentrum Prags sind an jeder Ecke Shops mit Glaswaren und Kristall. Man kann dort aber nur furchtbares Design kaufen“, sagt die Designblok-Chefin. Ihr Ziel: „Die Tschechen sollen wieder stolz auf ihr Glas sein können.“

Dass das Prager Publikum jedenfalls für Design empfänglich ist, zeigt der Ansturm bei Designblok: 30.000 Menschen schauten im Vorjahr vorbei. Morgens stehen Schulkinder, die mit ihren Lehrern Klassenausflüge unternehmen, Schlange vor dem Palast der Elektrizität. Noch nie war es so populär in Tschechien, Design zu studieren. Außerdem fördert der Staat Unternehmen, die sich für Design starkmachen: Das Industrieministerium unterstützt die Teilnahme tschechischer Firmen bei Designmessen, die Innovatives auf den Markt bringen.


Prag als Vorbild Wiens. Und wie sieht die Zusammenarbeit mit der Designszene im so nahen Wien aus? Regen Austausch gebe es, sagt Jana Zielinski. Die Vienna Design Week sei nach dem großen Prager Vorbild entstanden. Ihre Freundin Tulga Beyerle, die Organisatorin der Vienna Design Week, holte sich in Prag Inspiration, sagt Zielinski. Zudem sitzt Beyerle in der Jury, die jährlich die großen Designpreise in der Tschechischen Republik vergibt.

Eines ist jedoch nicht aufgegangen: Bewusst legten die Organisatorinnen die beiden Designausstellungen in Wien und Prag auf den gleichen Termin Mitte Oktober. Damit wollten sie internationalen Journalisten ermöglichen, beide Designwochen abzuklappern. „Damit sind wir aber gescheitert“, gibt Zielinski mit einem Schulterzucken zu.

Design im Internet

Designblok Prag geht bereits seit zwölf Jahren immer Anfang Oktober in der tschechischen Hauptstadt über die Bühne – zeitgleich mit der Vienna Design Week. Informationen unter: www.designblok.cz

Tschechischen Design-Neuheiten und Highlights widmet sich die Website www.designguide.cz.

Traditionelle Hersteller und Design-Talente unter: www.koncern.cz, www.ton.cz, www.laksvit.cz, www. tomasbem.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2010)

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