Creative Commons Licence: Frei mit Ausnahmen

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Während bei der klassischen Veröffentlichung immer schärfere Restriktionen gelten, bietet die Creative Commons Licence für Kreative eine reizvolle Alternative – aber auch Nachteile.

Seit über zehn Jahren steht die Kreativindustrie unter Druck. Und gibt ihn an Musiker, Autoren und Künstler weiter. Die Wende kam 1999. Da betrat mit Napster die erste erfolgreiche – und illegale – Tauschbörse die Szenerie, und seither ist nichts mehr, wie es war. Die „digitale Revolution“ veränderte Produktion wie Verbreitungsmittel kreativer Inhalte, und unzählige Nutzer bedienen sich seither einfach mittels Copy&Paste am Endprodukt, ohne den klassischen Vertriebsweg auch nur zu berühren. Die ehemals mächtigen Akteure auf dem Markt, allen voran die Musikkonzerne, aber auch zahlreiche kleinere Firmen und Labels, registrieren seither dramatische Einbrüche. Ein Trend, der sich durch nichts aufhalten lässt – weil das eine rettende Geschäftsmodell bis heute nicht in Sicht ist. So brachte im ersten Napster-Jahr beispielsweise in Österreich der Verkauf von CDs stolze 312,5 Mio. Euro ein. 2009 beliefen sich die Einnahmen aus dem Verkauf von CDs und digitalen Musikstücken gerade einmal auf 182 Mio. Euro. Man kann leicht ausrechnen, wie weitreichend die Rückgänge auf ungleich größeren Märkten wie Deutschland, Japan oder den USA sind.


Restriktionen nehmen zu. Nach einer intensiven Phase der Ratlosigkeit schlägt „das Imperium“ seit geraumer Zeit zurück: Über Interessenvertreter haben die Majors erreicht, dass mehrere EU-Regierungen mit drastischen Regelungen gegen digitale Piraten vorgehen. Zum Beispiel Frankreich mit einem Gesetz, welches das „Three strikes“-Modell anwendet: Nach der dritten Verwarnung sind Internetnutzer aus dem Netz zu verbannen. Zugleich verfolgen Rechteinhaber wie Bertelsmann oder Sony bei Verstößen eine immer strengere Politik der Sanktionierungen. Und gegenüber Urhebern geistigen Eigentums bestehen sie stärker denn je darauf, dass alle Verwertungsrechte auf sie übergehen – nicht nur in der Hoffnung auf eine Steigerung der schwindenden Einnahmen, sondern auch, um selbst für die Durchsetzung der Rechte bei Verstößen wie einer illegalen Verbreitung zu sorgen.

Kreative haben heute also die Wahl, ihre Werke erstens einfach zu verschenken. Oder zweitens alle Rechte an einen viel stärkeren Verhandlungspartner, etwa einen Musikkonzern oder Verlag, abtreten zu müssen. Oder drittens sich als Mitglied durch eine der ungefähr acht Rechteverwertungsgesellschaften in Österreich vertreten zu lassen. Auch hier gilt allerdings: Die Gesellschaft übernimmt die exklusiven Nutzungsrechte an dem jeweiligen Musikstück, Foto, Text. Ist also ein Text einmal veröffentlicht, hat der Autor keine Rechte mehr daran – im Austausch gewährleistet die Gesellschaft Einnahmen für jede Nutzung des Inhalts, den sie beobachtet. Solche Gesellschaften sind beispielsweise die Literamechana für Publizisten, AKM für Autoren, Komponisten oder Musikverleger, Austromechana unter anderem für aufgenommene Musik (die etwa im Radio gespielt wird) oder die Leistungsschutzgesellschaft LSG, die Label und Musikinterpreten beim Nutzungsschutz vertritt.


Dazu eine Alternative. Genau hier kommt die Creative Commons Licence ins Spiel: eine alternative Art, die Rechte am eigenen Werk zu sichern. Das Konzept dafür entwickelte 2001 der Stanford-Professor Lawrence Lessig, seit Jahren gibt es auch eine für das österreichische Rechtssystem auf Deutsch adaptierte Version von „Creative Commons Austria“ ebenso wie Anpassungen für zahlreiche weitere Länder. Creative Commons Austria versteht sich als heimischer Teil der internationalen Bewegung, Partner für organisatorischen Fragen ist die Österreichische Computer-Gesellschaft.


Individuelle Lizenzen. „Some Rights Reserved“, lautet der Slogan der Creative Commons Licence (CCL): Die Lizensierung des eigenen Werks geschieht irgendwo in der Mitte des klassischen, restriktiven Urheberrechts – „all rights reserved“ – und des völlig offenen „no rights reserved“. Wenn also Autoren, Komponisten, Filmemacher oder Grafiker ihr Werk unter dieser Lizenz veröffentlichen, bestimmen sie selbst, wie ihr Werk genutzt werden darf, statt es von vornherein an Dritte abzutreten.

Die Nennung des Urhebers ist obligatorisch. Zusätzlich muss jede Autorin, jeder Autor am Anfang entscheiden, ob er oder sie Folgendes erlauben will: a) kommerzielle Nutzung, b) weitere Bearbeitung und Veränderung des Werks, c) ob eine Weitergabe zu denselben Bedingungen erfolgen soll oder nicht. Der dritte Punkt bezieht sich darauf, ob zum Beispiel ein Werk, dessen kommerzielle Nutzung untersagt ist, nach einer Modifikation auch weiterhin nicht kommerziell genutzt werden darf. Anhand dieser drei Parameter ergeben sich sechs Versionen der Lizenz: von der sehr weitreichenden Erlaubnis, bis auf die Namensnennung alles mit dem Werk tun zu dürfen, bis zur strengen Vorgabe, die jede Veränderung untersagt und ein Entgelt vorschreibt.

„Das Besondere daran ist die Möglichkeit, dass ich als Urheber aussuchen kann, in welcher Form meine Werke genutzt werden. Ich bekomme also die Wahlfreiheit, die ich vorher nicht hatte“, sagt Peter Tschmuck vom Institut für Kulturmanagement der Wiener Universität für darstellende Kunst. Diese Lizenz betont die Prinzipien der Offenheit und Teilhabe und bietet dem Autor trotzdem Schutz vor Ideenklau und illegaler Nutzung: Ein Missbrauch ist, zumindest in Österreich, einklagbar, die Aussichten auf Erfolg sind gut.


Ein zentrales Problem bleibt. Der Urheber tritt in der Regel alle seine Rechte oder Teile davon an die Nutzer ab – und ob dabei etwa ein freischaffender Fotograf allein mit der Nennung seines Namens zufrieden ist, sei dahingestellt. Roland Alton-Scheidl, Vorsitzender der creativ wirtschaft austria, hält CCL trotzdem für eine gute Idee: „Wenn Sie einen normalen Vertrag abschließen, verlieren Sie alle Rechte. Die CCL verhilft dazu, auf dem Markt sichtbar zu werden und zu bleiben und auch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.“ So könne etwa ein Fotograf einige gute Fotos unter CCL veröffentlichen, um sich einen Namen zu machen und später ganz klassische Aufträge zu akquirieren. Oder eine Band veröffentlicht einige Tracks, mit deren Hilfe sie auf Konzerte eingeladen wird oder Aufträge für Kompositionen bekommt.

Auch Peter Tschmuck hält CCL grundsätzlich für eine sehr gute Möglichkeit. Doch er verweist wiederholt auf das zentrale Problem der Lizenz: „Die Lizenz ist eher für nicht kommerzielle Nutzung entworfen. Was mir fehlt, ist die Frage der Kommerzialisierung.“ Allerdings gebe es durchaus Urheber, die keine kommerziellen Interessen verfolgen – und andere, die über den Umweg einer freien Veröffentlichung langfristig trotzdem kommerziell erfolgreich werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2010)

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