Design: Keine Frage des Geschmacks

Design Keine Frage Geschmacks
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Gute Ideen machen noch kein erfolgreiches Projekt. Designer und Auftraggeber müssen erst zu einer gemeinsamen Sprache finden. Dazu brauchen Kreative auch Selbstbewusstsein.

Im Idealfall ist man in beiden Welten zu Hause. Philipp Prause arbeitet gerade an der Gestaltung des User-Interface einer wissenschaftlichen Software und bringt dort Kompetenzen aus zwei Bereichen ein. Er kann nicht nur ein umfangreiches Portfolio als Produkt- und Verpackungsdesigner vorweisen, sondern wickelt auch IT-Aufträge ab: „Der große Vorteil ist, dass ich meine Hände in der Programmierung habe beziehungsweise die Codes zumindest verstehe. Das schafft Einblicke in den Prozess und eine gute Zusammenarbeit mit den Entwicklern“, sagt Prause.

Selten stehen Kreative so nah am eigentlichen Prozess der Produktentwicklung. Aber Selbstläufer ist ein Projekt selbst dann noch nicht. „Natürlich geht es dem Kunden primär um die Funktionen. Ein User-Interface erklärt aber diese Funktionen erst und macht sie nutzbar.“ Je mehr Prause aktiv gestaltet, desto mehr Input kommt vom Auftraggeber. „Der Kunde beginnt dann über Dinge nachzudenken, die ihm zuvor gar nicht bewusst waren.“

In der Diskussion mit dem Gegenüber dreht sich viel erst mal um den Geschmack. „Jeder hat eine Meinung dazu, ob etwas gefällt oder nicht gefällt. Aber in Wahrheit ist das sehr unprofessionell“, meint Franz Piffl, selbstständiger Industriedesigner und Mitglied des Wiener Design-Kollektivs Microgiants: „In erster Linie geht es darum, dass man gemeinsam mit dem Gegenüber eine Zielsetzung definiert.“ Keine leichte Aufgabe, wie die Praxis zeigt.

Design als Draufgabe. Nicht jeder Kunde bringt Verständnis für den Designprozess mit. In manchen Branchen ist die Kontaktaufnahme mit einem professionellen Gestalter schon ein Hürdenlauf quer durch mühsame interne Entscheidungsprozesse. „Das ärgste Beispiel, das ich bislang gehört habe, war ein Auftraggeber, der meinte: ,Meine Tochter kann auch zeichnen'“, sagt Piffl. Das sind jene Fälle, in denen Design nur als „Mascherl“ verstanden wird, das einem Produkt, wenn's unbedingt sein muss, noch als Extra umgehängt werden kann – aber dann bitte schön, ohne dabei größere Probleme zu bereiten.

Hier ist Selbstvertrauen gefragt. „Wenn jemand mit einem mehr oder weniger fertigen Produkt kommt und ich merke, es hat Fehler oder nützt niemandem oder ist nicht auf den Markt ausgerichtet, kann ich als Designer nur sagen: Ich übersetze diese Botschaft nicht“, sagt Erwin K. Bauer, der mit seinem Wiener Büro die ganze Bandbreite visueller Gestaltung abdeckt. Für ihn ist es der Kern seiner Arbeit, Probleme zu lösen. Kommt ein Kunde mit einer Lösung anstatt einer Fragestellung, wird kaum ein gutes Ergebnis zu erzielen sein.


Mitten im Prozess. Egal, in welchem Bereich: Je früher der professionelle Designer in den Prozess der Produktentwicklung einbezogen wird, desto besser. Und: Je mehr er über das Produkt oder die Marke weiß, desto effizienter kann er arbeiten. Oft sind Kunden davon überrascht, wieviel ein Designer wissen will, und vor den Kopf gestoßen, wenn er schwierige Fragen stellt, die oberflächlich betrachtet nicht unbedingt in seinen Bereich fallen. „Es geht darum, die gesamte Benutzer-Experience zu gestalten: Da muss ich wissen, was das Produkt ist, wer der Kunde ist und was er damit machen soll“, sagt Prause. Deshalb muss man früh genug unbequeme Fragen stellen, bevor am Ende beide Seiten nicht mit dem Ergebnis leben können.

„Wirtschaftlich gesehen sind wir im Lieferantenstatus. Wenn man das immer bleibt, ist es schwierig, mit dem Kunden kritisch umzugehen. Dafür braucht der Designer einen gewissen Mut“, sagt Piffl. Ansonsten bewegt man sich im Bereich der „Machen wir Ihnen“-Agenturen. „Es gibt auch die Dienstleister, die keine Fragen stellen. Das ist bequemer, wenn alles so funktioniert, wie der Kunde sich das vorstellt. Aber in Wahrheit fängt Design dort an, wo es um Veränderung geht“, sagt Bauer. Gleichzeitig muss der Kreative manchmal zurückstecken. Gerade bei weniger designaffinen Unternehmen ist es hinderlich, wenn man das Klischee des eigensinnigen Kreativen lebt. „Design ist ein Berufsfeld, in dem es um individuelle Lösungen geht. Wenn die Persönlichkeit des Designers zu stark im Vordergrund steht, wird die Zusammenarbeit schwierig“, sagt Bauer. In einer lang gepflegten Beziehung zwischen Designer und Unternehmen haben sich die Abläufe in der Regel eingespielt. Bis dahin ist es aber ein langer Weg. „Man sollte sich nach der Research-Phase mit dem Kunden immer auf ein Konzept einigen, das von beiden Seiten getragen wird“, empfiehlt Piffl. Etwa einen Verkaufsraum freundlicher zu gestalten und dafür bestimmte Mittel einzusetzen. „Wenn der Kunde mit den daraus resultierenden Vorschlägen nicht einverstanden ist, braucht man nur einen Schritt zurückgehen und muss nicht wieder von vorn anfangen.“

Die österreichische Szene ist in kleinen Einheiten strukturiert. Anders als etwa in der Werbebranche fehlen Berufsbilder, die zwischen Kreativ- und Kundenseite vermitteln. So tut jeder gut daran, sich auf eine Exkursion in die Sprache der Wirtschaft einzulassen. Piffl hat beispielsweise ein Wirtschaftskolleg absolviert und profitiert indirekt noch heute davon. Und Erwin K. Bauer, nach eigener Definition auch als Designmissionar unterwegs, lehrt an der Universität für Angewandte Kunst in Wien Design Management: „Ich bringe Beispiele aus der Wirtschaft und vermittle Begriffe – damit ausgerüstet können sich Designer auf Augenhöhe mit dem Gegenüber bewegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2011)

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