Das neue Leben der Tonstudios

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Das Geschäft mit der Musik hat schon bessere Zeiten erlebt. Tonstudios konzentrieren sich deshalb auf Werbung und Film – oder analogen Retrosound.

Die fetten Jahre sind vorbei. Da sind sich alle in der Musikbranche einig. Mit CDs lässt sich kaum Geld machen, Vinyl ist zwar wieder im Kommen, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau aus, und Tonstudios gibt es zumindest in Wien wie Sand am Meer. 316 Tonstudioberechtigungen zählt die Wirtschaftskammer Wien derzeit – vom ORF bis zum Homestudio im eigenen Wohnzimmer. „Ich habe einmal gehört, dass es in Wien die größte Tonstudiodichte der Welt gibt. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber wundern würde es mich nicht“, sagt Bernd Jungmair von Cosmix Studios.

Das hat fünf junge Tontechniker aber nicht davon abgehalten, im 15. Wiener Bezirk ein Tonstudio auf rund 400 Quadratmetern zu eröffnen. Insgesamt drei Firmen (und drei Studios) stecken hinter dem Namen Westbahnstudios. Ein Türschild gibt es zwar noch nicht, immerhin wird erst seit letztem November in einem Hinterhof gearbeitet. „Wir treten als gemeinsame Marke auf, jeder von uns hat sich aber auf etwas spezialisiert. Wir bieten Recording, Mixdown und Mastering an. Man wundert sich immer, warum österreichische Produktionen nicht so fett klingen. Das liegt aber daran, dass hier die einzelnen Schritte oft von einer Person gemacht und nicht auf Spezialisten aufgeteilt werden“, sagt Karl Edlmair. Genau das wollen er und seine Kollegen jetzt ändern.


Analoge Schätze. Dass das – aufgrund der Konkurrenz und des nicht gerade blühenden Marktes – nicht so leicht sein wird, wissen die fünf Burschen. Deshalb haben sie sich ein besonderes Service für ihre Kunden einfallen lassen: Sie haben sich auf alte, analoge Geräte spezialisiert. „Ich hatte im Rahmen meiner Ausbildung als Tontechniker ein Aha-Erlebnis. Wir mussten eine Akustikgitarre mit aktueller und alter Technologie aufnehmen. Es war verblüffend, um wie viel besser die alte Technologie klingt“, sagt Edlmaier.

Deshalb hat er sich, gemeinsam mit seinem Kollegen Mathias Lenz, auf die Suche nach Geräten aus den 1960er-, 1970er- und teilweise 1980er-Jahren gemacht. „Wir haben Geräte gesammelt, die früher weggeschmissen wurden. Mittlerweile ist ihr Wert um das Doppelte gestiegen“, sagt Edlmaier. Vor allem bei deutschen Rundfunkstudios wurde er fündig. Das dürfte sich tatsächlich ausgezahlt haben. „Seit fünf Jahren haben die analogen Geräte wieder einen guten Ruf und werden verstärkt nachgefragt“, sagt auch Thomas Konrad, ebenfalls Teil der Westbahnstudios.

Das wiederum lässt Dieter Holly völlig kalt. Das Tonstudio Holly, das von seinem Großonkel 1947 gegründet wurde und somit das erste private Tonstudio Österreichs ist, hat sich auf Werbung spezialisiert. „Da spielt analoge Technik keine Rolle. Durch die digitale Technik ist die Arbeit viel schneller geworden“, sagt Holly. Das ist für ihn auch der Grund, warum es hier so viele Tonstudios gibt. Die Zahl sei in den letzten zehn Jahren „enorm“ gestiegen.

Um neue Stimmen für Werbespots muss sich Holly ebenfalls keine Sorgen machen. Es melden sich laufend Sprecher bei ihm, die in den Pool aufgenommen werden wollen. Holly sucht aber dennoch auch außerhalb der Studiowände nach Talenten. „Man muss ins Theater gehen, dort sind die großen Überraschungen. Auf der Bühne gibt es einfach andere Qualitätsstandards.“ Für Holly ist die Werbung ein wichtiges Feld, um als Tonstudio in Österreich zu überleben.


Einnahmequelle Werbung.
Das sieht auch Bernd Jungmair von Cosmix Studios so. „Auch wenn es jetzt nicht gut läuft – Werbung ist grundsätzlich eine fabelhaft funktionierende Industrie.“ Er kann nicht verstehen, warum sie bei manchen seiner Kollegen, die sich lieber auf Musik konzentrieren (würden), so verpönt ist. Immerhin werden dort angemessene Tarife gezahlt. „Als Tonstudio kann man ohne Werbung nicht existieren“, lautet sein Urteil.

Wobei Jungmair die Zukunft der Studios in der Kombination aus (österreichischer) Musik und Werbung sieht. Mit der Verwertung heimischer Titel in Werbespots lasse sich wesentlich mehr Geld verdienen als mit üblichen Verkäufen. Im Ausland haben Tonstudios diese Aufgabe unter dem Stichwort Synchronisation bereits übernommen. Auch hierzulande gibt es immer mehr Studios, die das als zusätzliche Einnahmequelle entdeckt haben. Seit drei, vier Jahren bietet auch Jungmair dieses Service an. „Damit kann man fünf bis zehn Prozent des Budgets für die Werbeschaltung verdienen.“


Neue Chance Film. Auch im Film sieht Jungmair ein wachsendes Geschäft für Tonstudios. Das wiederum liege an der heimischen Filmförderung, die seit Kurzem Projekte oft nur dann fördert, wenn Dienstleistungen nicht ins Ausland ausgelagert werden, sondern heimische Firmen – etwa Tonstudios – beauftragt werden. „Früher wurde Filmmusik fast immer im Ausland gemacht. Jetzt sind viele Filmemacher sozusagen dazu gezwungen, das hier zu machen. Das spüren wir schon, das kommt den Tonstudios zugute.“

Für Jungmair ist es momentan besonders wichtig, sich als Tonstudio auf Film und Werbung zu konzentrieren, denn: „Musik ist momentan total im Keller.“ Während man vor zehn Jahren bei Albumverkäufen noch 25.000 bis 35.000 Euro verdient hat, liegt dieser Betrag heute zwischen 5000 und 7000 Euro. „Wer sich als Tonstudio nur auf Musik konzentriert, muss entweder reiche Eltern haben oder extrem erfolgreich sein“, sagt Jungmair, der selbst auch als Musiker bei der Band „Heinz aus Wien“ tätig ist. Und: Wer auch im Ausland erfolgreich sein will, muss das von ebendort machen. „Viele Tonstudios haben auch eine Plattenfirma, wir haben unsere in Hamburg angesiedelt. Nur so kann man auch in Deutschland mitspielen.“

Dennoch ist Jungmair, der seit 20 Jahren in der Branche tätig ist, nicht pessimistisch. „Alles wird gut. Wenn die Werbung anspringt und heimische Musik spielt, wird sich in den nächsten sechs, sieben Jahren viel ändern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2011)

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