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Wenn das Publikum nicht ins Kino geht, kommt der Film nach Hause: Legale Download-Portale entdecken auch in Österreich gerade ungeahnte Möglichkeiten - und Hürden.

Die Feiertage können einen ganz schön träge machen. Das liegt an dem, was man gegessen hat. Oder an den Zuständen jenseits der Wohnungstür, die die gemütliche Sphäre von der rauen Welt da draußen trennt. Film schauen möchte man trotzdem. Und wenn der Zuseher nicht ins Kino geht oder in die Videothek, muss der Film zum Zuseher kommen. On Demand, quasi auf Knopfdruck alles verfügbar. Auch ein österreichisches Download-Portal mischt sich in die Diskussion, was wem in der Filmwirtschaft nützt und schadet, und vor allem in einen Markt, der wächst.

Karin Haager und Ulrich Müller-Uri haben 2008 gemeinsam mit ihrem Studienkollegen Walter Huber das Download-Portal Flimmit gegründet; gut acht Monate später wurde die Plattform gelauncht, damals mit etwa 160 Filmen. Heute ist das Repertoire auf knapp 650 Filme angewachsen, unter denen bereits 5000 registrierte User wählen. „Wir dachten, es darf nicht sein, dass Österreich sich zum weißen Fleck auf der Karte im Bereich ,On Demand‘ entwickelt“, so Haager. Flimmit versucht sich mit einer „Österreich-Ecke“, die mittlerweile rund 300 Titel umfasst, zu profilieren. Ebenso mit einer Suchfunktion, die den User gegebenenfalls weiterleitet, sollte man den gewünschten Film nicht selbst anbieten können. 2011 wurde Flimmit, das durch das Förderprogramm Impulse der AWS im Rahmen von Evolve unterstützt wurde, bei den Audiovisual Media Days als interessantestes und innovativstes Online-Video- und Web-TV-Start-up im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet.

Geld verdienen sie auf „Revenue Share“-Basis, was bedeutet: Die Einnahmen teilt man sich anteilig mit dem jeweiligen Lizenzgeber. Manche davon seien noch nicht sonderlich flexibel, was den Markt bremst, meint Haager: „Sie haben sich noch nicht entschieden, ob sie online gehen wollen. Aber auf der anderen Seite ist es schwierig, sich als Einzelner im Internet durchzusetzen“. Man müsse gemeinsam einen „Anker“ im Internet aufbauen. Wünschenswert wäre, so Müller-Uri, Technologie und Lizenzen zu teilen, gerade innerhalb Europas. So könnten sich die europäischen Anbieter etwa jeweils um die eigenen Sprachfassungen kümmern.

Erstrebenswert findet das auch Michael Stejskal, Geschäftsführer des Filmverleihs Filmladen und ebenfalls zuständig für das hauseigene Download-Portal. Doch er bleibt skeptisch: „Ich glaube schon, dass gerade kleine Territorien innerhalb eines großen Sprachraums Probleme haben. Bislang sind zwar Ländergrenzen auch im Download-Bereich vertraglich geregelt, aber ich bezweifle, dass sich das auf Dauer halten lässt.“ Stejskal gründete sein Geschäft ebenfalls auf der Idee, sein Portal als Dienstleistung anzubieten. „Speziell, um Verleihkollegen aus dem deutschsprachigen Raum eine Möglichkeit zu geben, selbst und kostengünstig direkt an ihre Kunden herantreten zu können“, erklärt er. Zunächst war das Feedback positiv. Doch danach kam wenig. Nun betreibt er das Portal zusätzlich zum Verleih. Verfügbar sind vor allem Filme aus dem eigenen Arthouse-Angebot. Stejskal war damit einer der ersten Anbieter in Österreich, doch seine Zielgruppe ist ein sehr enges Segment: „Es gibt gerade im Arthouse-Bereich grundsätzlich ein Bewusstsein dafür, dass ein gewisser Wert auch einen gewissen Preis verlangt.“ Die größere Hürde als die Bereitschaft zu bezahlen sei jedoch eine andere: „Wir haben es mit einer gewissen Skepsis gegenüber des Nutzens der schönen Welt der Technologie zu tun.“ Doch so hartnäckig die Technologieverweigerer auch sein mögen, das Publikum des Independent-Films stellt sich allmählich um, die Akzeptanz des „Download“ wächst.


Das Prinzip Komplementarität. Dass Kino durch die Download-Portale überflüssig werden könnten, glaubt Stejskal nicht. Doch: „Es wird eine viel bewusstere Entscheidung sein, ob man aus der Wohnung geht und für das Gemeinschaftserlebnis Kino Eintritt bezahlt.“ Das Erlebnis werde im Vordergrund stehen, denn den größten Vorsprung hat das Kino laut Stejskal längst verloren: den zeitlichen.

Obwohl der On-Demand-Sektor noch einen geringen Anteil am gesamten Verleihmarkt hat, am meisten bekommen ihn die Videotheken zu spüren. Leopold Homola, Berufsgruppenobmann der Videotheken bei der Wirtschaftskammer Wien, bestätigt das in Zahlen: „Vor zwei Jahren hatten wir in Wien rund 135 Videotheken, heute sind es noch 70.“ Aber er betont auch, dass „On Demand“ nicht das Hauptproblem sei: „Illegale Downloads sind einfach cooler, da braucht man nicht mit einer DVD aus der Videothek bei Freunden ankommen. Und rechtlich wird in Österreich kaum dagegen vorgegangen.“ Auch Karin Haager kennt das Problem, schließlich sei man als Download-Betreiber ständig mit dem Thema Piraterie konfrontiert. „Es geht eben viel zu einfach, das sind ja zum Teil auch unsere Kunden. Wenn es den Film legal nicht gibt, gehen sie woanders hin. Sie wollen ihn ja trotzdem sehen.“ Darum gelte es, die Filmsuche und das legale Angebot so reizvoll wie möglich zu gestalten. „Wir wollen wirklich gute Alternativen zu bieten“, so Haager.

Einen starken Impuls erwartet sich die Branche vom sogenannten „Connected TV“, also der Vernetzung des Fernsehers mit dem Internet. So kann der User bequem über den Fernseher den gewünschten Content bestellen und ansehen. Auch Stejskal sieht darin, einen Vorteil, wollen doch seine Kunden erfahrungsgemäß die Filme auf dem Fernseher ansehen, nicht auf dem Computer. „Wenn dieser Zwischenschritt aufgehoben ist, wird vieles möglich.“

Karin Haager denkt noch weiter, sie prognostiziert eine „Konvergenz durch alle Devices. Das heißt, ich erkundige mich übers Handy, was ich mir anschauen könnte, dann gehe ich nach Hause und stelle mir meine Wunschlisten am Tabloid zusammen, und danach schaue ich mir den Film am Fernseher an. Das wird kommen. Und dann wird hoffentlich der Markt so weit sein, dass die Lizenzinhaber bereit sind, einen großen Stock herzugeben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.01.2012)

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