Wiens Latein-Oberlehrer Stadtgeschichte besser verstehen

Peter Roland
Peter Roland Clemens Fabry
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Peter Roland übersetzt in seinen Kursen lateinische Inschriften in Wien. Und lässt einen so die Stadt völlig neu erleben. Seine Begeisterung für das Lateinische bricht dabei immer wieder hervor.

Es sind die Bilder im Kopf, die die Sache so interessant machen. Wer im Lateinische-Inschriften-Kurs von Peter Roland sitzt, sieht sie auf einmal alle im Geiste vor sich: Franz I., Kaiser von Österreich, der seinem „verehrten“ Großvater Franz Stephan von Lothringen ein Denkmal im Burggarten setzen will. Oder Kaiser Franz Joseph, der noch den frommen Wunsch „Diesem Gebäude haftet die einträchtige Liebe der Völker an“ auf die Rückseite der Neuen Hofburg meißeln ließ – zu einer Zeit, als die Monarchie schon längst am Zerbrechen war.

Oder „Iustitia. Regnorum Fundamentum“, der Satz, der ins Heldentor eingraviert ist und einen unwillkürlich ins Wien der früheren Jahrhunderte zurückreisen lässt. Frei übersetzt heißt er nämlich so viel wie „Gerechtigkeit ist die Grundlage der Regierung“. Seit vergangenem Montag erklärt Peter Roland, der ehemalige Leiter der „Maturaschule Dr. Roland“, in sieben Doppelstunden lateinische Inschriften in Wien. Sätze, die im Römermuseum zu finden sind, an der Alten Universität oder Inschriften im Palais Epstein. „Mich wundert es eigentlich selbst, dass ich nicht schon früher auf die Idee gekommen bin, so einen Kurs zu halten. Aber mir hat vorher das Kursmaterial gefehlt“, sagt Roland, ein Herr mit dichtem Haar und weißem Vollbart, der mit wohltönender Stimme erzählen kann.

Ausschlaggebend war schließlich ein Bildlexikon über lateinische Inschriften in Wien, das Latein-Professor Victor Böhm herausgegeben hat. „Ich habe mich mit ihm in Verbindung gesetzt und er hat mir seine Unterlagen zu Verfügung stellt“, sagt Roland.

Seither sitzt regelmäßig etwa ein Dutzend älterer Menschen in seinen Kursen (warum es dieses Mal nur Frauen sind, weiß er selbst nicht) und entziffert die auf den ersten Blick oft unverständlichen Sätze. Das ist nämlich gar nicht so einfach. „Bei Inschriften gibt es viele Abkürzungen“, sagt Roland, während er die Teilnehmer rätseln lässt. „Und gehen Sie einmal davon aus, dass die Endung fehlt“, gibt er den nächsten Tipp. Ist die Inschrift einmal entziffert, erzählt er meist eine kleine Anekdote dazu. Etwa über das Palais Epstein, wo die Inschrift erst im Jahr 2002 im Zuge einer Restaurierung hinzugefügt wurde.

Seine Begeisterung für das Lateinische bricht dabei immer wieder hervor. Latein, das ist „die schönste und edelste aller Sprachen, die es je gegeben hat“, wird er so oder so ähnlich immer wieder in seinem Kurs sagen. Dabei liegt schon auf dem Tisch ein Blatt Papier mit „20 guten Gründe, warum man Latein lernen sollte“.

Die Berufung für diese Sprache – und als Berufung kann man seine Begeisterung wohl bezeichnen – hat er von seinem Vater, dem Gründer der Maturaschule, geerbt. Bis zu seinem Tod haben die beiden einander regelmäßig Postkarten auf Latein geschrieben. Ältere „Presse“-Leser werden den Mann vielleicht auch noch aus einem anderen Zusammenhang kennen. Peter Roland hat vor fast 20 Jahren – noch zu Zeiten von Chefredakteur Thomas Chorherr – Latein-Kurse für „Presse“-Leser ins Leben gerufen. Der älteste Kurs (von insgesamt sieben, die seit dieser Zeit bestehen) wird seit 17 Jahren gehalten. „Wir treffen uns nach wie vor jede Woche für eine Doppelstunde“, erzählt er vergnügt. Drei Teilnehmer sind mittlerweile verstorben.

Er selbst denkt trotz seiner 74 Jahre noch lange nicht an seine Pensionierung. In der Maturaschule, die mittlerweile sein Sohn führt, ist er ganz normal angestellt. „Ich muss ja das Pensionsalter anheben“, sagt er verschmitzt. Und auch sonst ist Roland ziemlich umtriebig. Vor ein paar Jahren hat er für die Europa-Hymne einen lateinischen Text geschrieben. „Der wird an der Universität auch bei Feiern gesungen“, erzählt er stolz. Für die Zukunft wünscht er sich übrigens, dass Lateinlehrer zumindest einmal mit ihren Schülern durch Wien gehen und sich den Inschriften widmen: „Wissen Sie, man bekommt so einfach ein anderes Bild von der Stadt.“

Auf einen Blick

Wiener Latein. In sieben Doppelstunden erklärt Peter Roland lateinische Inschriften in Wien. Der Großteil davon behandelt Inschriften im ersten Bezirk. Dieser Kurs findet jeden Montag von 17 bis 19 Uhr in der „Maturaschule Dr. Roland“ statt. Der aktuelle Kurs hat schon am 1. Oktober begonnen, es ist aber noch möglich, heute, am 8. Oktober, einzusteigen. Der nächste Kurs startet am Mittwoch, 28. November. Weitere Informationen zu den Kursen unter: www.roland.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2012)

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