US-Künstler Andrew Mezvinsky in Wien

USKuenstler Andrew Mezvinsky Wien
USKuenstler Andrew Mezvinsky Wien(c) Nathan Murrell
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Als Teenager war er Praktikant von US-Vizepräsident Joe Biden, nun arbeitet der Künstler Andrew Mezvinsky in Wien an seiner neuen Ausstellung. Mezvinskys Arbeiten sind mehrheitlich mehrdimensional.

Die Kellnerin zum Beispiel, nennen wir sie Sally. Sie könnte synonym für die amerikanische Freundlichkeit stehen, wenn sie in einem x-beliebigen Restaurant in den USA den Gast mit einem fröhlichen „Hi, I'm Sally“ begrüßt. Das ist Andrew Mezvinskys Ding nicht. Sally und viele andere seiner Landsleute zeichne eine aufgesetzte, dick aufgetragene Freundlichkeit aus. Dann doch lieber den grantelnden Kellner im Wiener Kaffeehaus, den man minutenlang anfuchteln muss, damit er einen barmherzigerweise bemerkt. Hier, so Mezvinsky, fühle er sich nicht schuldig, wenn er im Café nicht ständig konsumiert.

Der 30-jährige Künstler lebt seit gut drei Jahren in Wien. Im Herbst bekommt er im Wiener Jüdischen Museum eine Einzelausstellung unter dem Titel „A good day“ (angelehnt an ein Kapitel mit demselben Titel im autobiografischen Bericht „Ist das ein Mensch?“ des Auschwitzüberlebenden Primo Levi). Mezvinsky arbeitet derzeit an den Bildern und zeigt auf mehrere großformatige Werke in seinem Studio in Wien Neubau. Es sind Kreidezeichnungen auf Jeansstoff – eine Parabel an den Jeanserfinder mit demselben Namen: Levi Strauss und seine Levi's.

Mezvinskys Arbeiten sind mehrheitlich mehrdimensional. Er setzt mehrere Zeichnungen zu einem Werk zusammen und stellt Serien her, die dann eine bestimmte Geschichte erzählen. Wie etwa jene Bilder, die den 2010 verstorbenen US-Senator Robert Byrd in verschiedenen Lebenssituationen zeigen. Der Demokrat Byrd – Mezvinsky zeichnet ihn mit einem Schnabel, ein ironischer Wink auf Byrds Nachnamen – war der längstdienende Senator der USA (57 Jahre). Mezvinsky lernte ihn als Teenager kennen, als er Praktikant im Senat war. Ein anderer Demokrat, für den er ebenfalls arbeitete, war Joe Biden – der nunmehrige Vizepräsident.

Mezvinsky stammt aus einer demokratischen Politikerfamilie. Er wurde in Philadelphia geboren und ist, wie er gern zu sagen pflege, „Nummer elf“. Zehn Geschwister also, sechs Schwestern, vier Brüder, fünf von ihnen wurden adoptiert, vier aus Vietnam und eine aus Südkorea. Mehrere seiner Geschwister sind katholisch, aber das war für seine jüdischen Eltern nie ein Problem, erzählt er. Ein eher aufregender Monat ist für ihn übrigens der Dezember: Viele seiner Geschwister haben dann Geburtstag und die Telefonate dauern traditionell lang. Nach Wien kam Mezvinsky – nach Zwischenstationen in Schottland, Ghana und Indien – der Liebe wegen. Oder sagen wir so: Das erste Mal, als er in Wien weilte, wollte er zwei Tage bleiben – und es wurden zwei Wochen. Einige Jahre später – er studierte gerade in Indien – suchten er und seine in Paris wohnende Freundin die goldene Mitte. Dass sie unabhängig voneinander auf Wien kamen, ist eine kuriose Anekdote, von beiden gern erzählt.

Aber diese ist fast besser: Als der Künstler vor einigen Jahren mit Nomaden durch die Mongolei zog und anschließend mehrere Bilder kreierte, wurden diese in einem mongolischen Museum ausgestellt. Etwas später brach ein Streik aus und das Museum wurde von der aufgebrachten Menge niedergebrannt. Irgendwie, so Mezvinsky, gefalle ihm diese Geschichte. Welcher Künstler kann schon mit solch einer Story aufwarten?

Ob Wien nur eine Zwischenstation ist, könne Mezvinsky noch nicht sagen. Künstlerisch profitiere er sehr von dieser Stadt. Aber wenn ihm eines Tages jemand ein Haus in Marokko zur freien Verfügung anbieten würde, „da könnte ich nicht Nein sagen.“

Zur Person

Künstler. Der 30-jährige Amerikaner Andrew Mezvinsky lebt seit drei Jahren in Wien. Derzeit arbeitet er an jenen Werken, die im Herbst im Jüdischen Museum in Wien ausgestellt werden.
Familie. Mezvinsky stammt aus einer Politikerfamilie und ist das jüngste von elf Kindern. Fünf seiner Geschwister wurden adoptiert, einige von ihnen sind katholisch, seine Eltern jüdisch.

www.andrewmezvinsky.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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