Sachertorte und Rindsrouladen Das Café Vienne in der Savanne

(c) REUTERS (JORGE DAN LOPEZ)
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Mitten in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso in Westafrika, betreibt die Oberösterreicherin Brigitta Bauchinger ein Wiener Kaffeehaus.

Brigitta Bauchingers Lebensgeschichte hört sich an, als entspränge sie einem Abenteuerroman. Die 55-jährige Oberösterreicherin lebt in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos – und betreibt dort ein Wiener Kaffeehaus. Der westafrikanische Binnenstaat gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, Tourismus gibt es hier kaum. Bauchinger ist eine von gerade einmal vier Österreichern, die hier leben. Als Abenteurerin fühlt sie sich trotzdem nicht. „Nein“, meint sie dann. „Dafür bin ich viel zu bodenständig, trotz allem.“

Aufgewachsen als „Kind vom Land“ im Innviertel wusste sie bereits als Teenager, dass sie in die Entwicklungszusammenarbeit gehen will. Ihre Eltern sahen das anders. „Du wirst eh einmal Bäuerin“, erklärte ihr Vater, als sie die damals noch achtjährige Volksschule abgeschlossen hatte. „Du brauchst keine Hauptschule.“ Doch Bauchinger gab nicht auf. Mit 16 schrieb sie das erste Mal an den Österreichischen Entwicklungsdienst (ÖID), doch um für ihn zu arbeiten, musste man mindestens 21 Jahre alt sein. Ihrer Mutter war das recht: „Sie hoffte, dass ich inzwischen einen Bauern heiraten und im Innviertel bleiben würde.“


Die Post brauchte fünf Monate. Doch dazu kam es nicht. Kurz vor ihrem 21.Geburtstag schrieb Bauchinger wieder an den ÖID – und diesmal hatte sie Erfolg. Denn wenige Wochen später flog sie ins damalige Zentralafrikanische Kaiserreich – Staatspräsident Jean-Bédel Bokassa hatte die Zentralafrikanische Republik im Dezember 1976 zum Kaiserreich ausgerufen. „Ich saß dann vier Jahre im Busch und half bei einem Entwicklungsprojekt. Ich lernte, dass es nicht um mich geht, sondern um die Bedürfnisse der Menschen, darum, was sie brauchen.“ Im Busch gab es kein Telefon, auf Post von zu Hause wartete man vier bis fünf Monate. „Wir haben dort nicht einmal den Putsch gegen Präsident Bokassa im September 1979 mitbekommen.“

Die kommenden Jahre pendelte sie zwischen Österreich und Afrika, studierte Soziologie und betreute Projekte in Burkina Faso. Vor sechs Jahren eröffnete sie schließlich ein Café in Ouagadougou. „Ich brauchte ein Standbein, um meine Projekte zu finanzieren.“ Ihre Köche haben schnell gelernt, wie man Schnitzel paniert, Sachertorten bäckt und Marmelade einkocht. Die Speisekarte verspricht ein vielfältiges Angebot: von Gulasch und Schinkenfleckerln über italienische Gerichte wie Lasagne und Tortelloni bis hin zu Apfelstrudel und Kokosbusserln.

All das wirkt in dieser Umgebung ungewöhnlich – immerhin lebt sie in einem Land, in dem man oft Schwierigkeiten hat, ein gekühltes Bier zu finden. „Ich kann durch meine Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit auf ein großes Netzwerk an Leuten zurück greifen“, sagt sie. Kollegen, die von Europa nach Ouagadougou fliegen, bringen die teuren Zutaten wie Nüsse und Schokolade. Lebensmittel wie Getreide, die nicht so leicht verderben, kommen in Containern, mit denen die NGOs ihr Material transportieren.

Deutlich schwieriger gestaltet sich der Nachschub an Butter, Käse und Schinken: „Das gibt es zwar hier zu kaufen, aber nicht immer. Wenn die Libanesen ihre Container nicht aus dem Hafen bekommen, gibt es keine Butter. Dann kann ich eben keine Esterházytorte backen.“

Besonders schlimm sind die regelmäßigen Strom- und Wasserausfälle. „Einmal hatten wir für 48 Stunden keinen Strom, da ging alles kaputt.“ Kleinere Verluste gibt es laufend, etwa wenn der Strom ausfällt, während die Sachertorte im Ofen bäckt. Eine Torte mag in Ouagadougou wie ein exotischer Luxus erscheinen, so wie auch Schnitzel und Rindsrouladen, doch die Gerichte sind auch für die heimische Mittelschicht leistbar. Dementsprechend ist das Publikum gut gemischt, im Café sitzen jeweils zur Hälfte Europäer und Afrikaner.


Luxus Klimaanlage. Einmal im Jahr fliegt Bauchinger nach Österreich, diesen Luxus gönnt sie sich. Doch ihr Lebensmittelpunkt liegt hier, in Ouagadougou. Natürlich verliert man auf diese Weise auch viel: Kontakte brechen ab, Freunde gehen verloren. Bauchinger nennt das „natürliche Selektion“. Zwar ist das Café zu einem Treffpunkt für Experten aus dem Ausland geworden, hier baut sie ihr Netzwerk weiter aus. Doch sei es schwierig, Freundschaften mit Europäern aufzubauen.

Ein wenig zu schaffen macht ihr auch die Witterung: Draußen hat es 42Grad im Schatten. An diese Hitze gewöhne man sich einfach nicht, egal, wie lange man hier ist. „Im Schlafzimmer habe ich eine Klimaanlage“, sagt Bauchinger. Das leiste sie sich, obwohl die Strompreise mit denen in Österreich vergleichbar sind. „Das“, sagt sie, „ist mein täglicher Luxus.“

Zur Person

Brigitta Bauchinger (56) kam vor 25Jahren zum ersten Mal nach Afrika. Die Innviertlerin arbeitet seit damals in der Entwicklungshilfe. Vor sechs Jahren hat sie schließlich in Ouagadougou ein Wiener Café eröffnet, in dem sie österreichische Spezialitäten anbietet – von Schinkenfleckerln und Schnitzeln bis zu Apfelstrudel und Sachertorte. Burkina Fasos Hauptstadt ist ihr Lebensmittelpunkt, nur einmal pro Jahr ist sie zu Besuch in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2013)

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