Schulden und ihre vielen Gesichter

„Schulden G.m.b.H.“
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Regisseurin Eva Eckert visualisiert in ihrem neuen Dokumentarfilm „Schulden G.m.b.H.“ die beinharten Windungen der Schuldenspirale.

Schuldenberater, Gerichtsvollzieher, Detektive, Inkassanten, ausgeräumte Geschäfte – Filmemacherin Eva Eckert zeigt in ihrer neuen Dokumentation „Schulden G.m.b.H.“ (seit Freitag im Kino) die Schattenseiten der Konsumgesellschaft. Jene, die sich übernommen haben, durch äußere Umstände in Zahlungsverzug geraten, falsche Prioritäten setzen, aber oft auch in betrügerischer Absicht handeln. Die Schuldner selbst sind nie zu sehen, nur aus dem Off zu hören: Die Kamera bleibt bei Amtshandlungen vor der Tür – was aber die Beklemmung nicht mildert.

„Ich wollte eigentlich einen fröhlichen Film drehen, aber er ist dann doch nicht so fröhlich geworden“, sagt Eckert. Zwischendurch blitzt zwar schwarzer Humor auf, der aber nicht der Kameraführung oder dem Konzept geschuldet ist, sondern unfreiwillig den Akteuren: ein Sparschwein, das ein Inkassobüro-Mitarbeiter über den Tisch hüpfen lässt, ein Detektiv, der in schöner Akzentuierung diverse Derbheiten von sich gibt, oder zwei Gerichtsvollzieher, die sich nicht ganz einig sind, welche Kriterien ein Haustier pfändbar machen (zur Auswahl standen unter anderem die gefühlsmäßige Bindung des Halters oder der hohe Wert eines Rassehundes).

Erfahrungen mit Schulden machte auch Eckert selbst, als sie einmal die SVA-Beiträge zu spät bezahlte. „Sehr bald stand dann ein Exekutor vor der Tür und wollte das Geld haben, sonst hätte er die Monitore meines Schnittcomputers mitgenommen“, erzählt die Regisseurin. „Außerdem ist es für mich als Selbstständige nichts Ungewöhnliches, auf meinem Konto immer wieder einmal ins Minus zu rutschen. Aber das ist natürlich kein Vergleich zu den Schicksalen der Protagonisten im Film.“

Geboren wurde Eckert 1969 in Wien. Nach einem Soziologiestudium besuchte sie die Hochschule für angewandte Kunst und studierte TV-Journalismus. Es folgten verschiedene Jobs als Lehrerin (Bildnerische Erziehung) und in der Blickforschung. „Dabei geht es darum, mit einer Software zu analysieren, wo jemand bei einem Bild hinschaut und wie“, so Eckert. Bis vor rund zehn Jahren bei ihr die Leidenschaft für Dokumentarfilme entbrannte. Zuvor hatte sie eine Videoproduktionsfirma gegründet und erste Projektdokumentationen produziert. Ihre erste Kinodokumentation „Eisenwurzen – das Musical“ handelt von einer Industrieregion mit einer speziellen Form von Volksmusik, die wie Alltagskommunikation funktioniert. „Das Singen zu einer Erzählform für einen Film zu machen, fand ich sehr spannend.“


Auf die Idee für „Schulden G.m.b.H.“ kam sie durch Nachbarn, „die plötzlich nicht mehr da sind, im zweiten Bezirk“, sagt die 43-Jährige. „Vor etwa zwei Jahren ist es mir passiert, dass ich nicht mitbekommen habe, dass meine unmittelbaren Nachbarn verschwunden sind.“ Ein paar Monate später sei genau dasselbe passiert. „Da habe ich mir erstmals gedacht: Das ist also die verdeckte Armut. Schuldner, die es eigentlich gar nicht gibt. Leute, die einfach verschwinden, und man weiß nicht, was sich da ereignet hat.“

Für Eckert ist „Schulden G.m.b.H.“ ein Film über unsichtbare Summen geworden, die ihre Wirkung zuerst schleichend entfalten. Erst am Ende werden diese unsichtbaren Summen zu offenen Forderungen, die unter Hochdruck eingebracht werden müssten. „Deshalb war ich bei den Dreharbeiten an der Seite der Einbringer – der Exekutoren, Profiler und Manager – unterwegs, um ein Gefühl dafür zu bekommen, in welchem Gewand akute Schulden in das Leben der Betroffenen eintreten“, sagt sie.

Denn es gehe in dem Film letztlich um etwas eher Unromantisches, um den unterdurchschnittlichen, verarmten Teil im schönen, märchenhaften Leben. „Denn wenn Mama und Papa ihre Schulden nicht bezahlen, taucht nicht der große schwarze Wolf auf, sondern der Gerichtsvollzieher. Und dann beginnt ein falscher Film. So einen wollte ich machen.“

Auf einen Blick

Versteckte Armut. Regisseurin Eva Eckert zeigt in ihrem neuen Dokumentarfilm „Schulden G.m.b.H.“ (seit Freitag im Kino) die Schattenseiten der Konsumgesellschaft. Mit Schulden und Schuldeneintreibern hat die 43-jährige Soziologin und Journalistin selbst auch schon Erfahrungen gemacht. Als sie einmal die SVA-Beiträge zu spät bezahlte, stand ein Exekutor vor der Tür, der die Monitore ihres Schnittcomputers mitnehmen wollte, sollte sie ihm nicht sofort das ausständige Geld geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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