Mit Fußball Kindern helfen

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Fabian Reyer hat ein Jahr lang gespart, damit er nun im Sommer Straßenkindern in Costa Rica gratis Fußballtraining geben kann. Bezahlt bekommt er dafür nichts. Warum machen junge Menschen so etwas?

Bruno soll auf den Angriff warten. Aber er schaut lieber auf eine Punkt auf der anderen Seite des Spielfeldes. Hinter ihm kugeln seine Teamkollegen über die halb nasse Fußballwiese. Oskar, Jakob und Konrad, alle zwischen fünf und sieben Jahre alt. Plötzlich fällt ein Tor. „Nein!“, schreit Tormann Konrad frustriert, läuft aus dem Tor und seinem Teamkollegen hinterher. Ein bisschen Theater – das muss wohl auch beim Kinderfußball sein. Neben dem Spielfeld steht Fabian Reyer in seiner Trainerkluft und gibt mit ruhiger Stimme Anweisungen. „Super gestört“, „näher zum Ball“, „gut gemacht.“ Dann bläst er in die Trillerpfeife.

Fabian bereitet sich vor. In zwei Wochen wird er auch wieder am Rand eines Spielfelds stehen. Mit dem kleinen Unterschied, dass das Feld dann auf der anderen Seite der Erde liegen wird. Ab Mitte Juli wird Fabian Reyer Straßenkindern in Costa Rica das Fußballspielen beibringen. Für zwei Monate. Ein Jahr lang hat er für dieses Projekt gespart. Bezahlt bekommt er dafür nichts. „Ich habe mir eigentlich gar nicht so überlegt, warum ich das tue. Es ist mir halt wichtig, etwas Soziales mit Kindern zu machen, in Verbindung mit meinem Lieblingssport“, sagt er in einer Trainingspause. Der 23-Jährige studiert derzeit Spanisch und Geschichte für das Lehramt.

Familiär wurde ihm eigentlich ganz etwas anderes in die Wiege gelegt. Fabian Reyer ist der Neffe von Österreichs erfolgreichstem Model Cordula Reyer. Sein Großvater ist der verstorbene Burgschauspieler Walther Reyer. Auch Fabian selbst hat überlegt, die Schauspielschule zu besuchen. Aber so richtig, ist zwischen den Zeilen zu hören, ist das derzeit nichts für ihn. Reyer will sich lieber auf seine soziale Ader konzentrieren.


Arbeit mit Straßenkindern. In Costa Rica wird er nun für die Nachmittagsbetreuung der Straßenkinder zuständig sein. Wie er das Programm dabei gestalten wird, ist ihm gänzlich selbst überlassen. „So viel Sport wie möglich“, stellt er sich vor. Alles, was er dort macht, basiert auf seinen eigenen Ideen. Die Kinder, die er betreuen wird, sind zwischen fünf und 15 Jahren alt. Sie haben Gewalt erlebt. Sie gehen nicht regelmäßig in die Schule. Sie kommen aus schlimmen Verhältnissen.

Hinter Fabians Sommeraufenthalt steht die Organisation „Vida Nueva“. Eine NGO, die sich in Costa Rica um die zahlreichen Kinder kümmert und gleichzeitig mehrere Projekte hat. Das bekannteste ist wohl der „Circo Fantazztico“, in dem sich Straßenkinder als Artisten eine neue Existenz aufbauen können. Der Zirkus war auch schon in Österreich zu Gast.

Fabian Reyers Projekt befindet sich in der Stadt San Isidro im Süden des Landes und heißt „La Casita“. Er hat es ausgewählt, weil es dort keine Mindestaufenhaltsdauer gibt, keine Gebühren und keine Verpflichtung, ein ganzes Jahr zu bleiben. Dafür bekommt er auch keinen Cent bezahlt. Nicht den Flug, nicht die Unterkunft und auch nichts fürs Essen.

Und das ist gar nicht einmal so ungewöhnlich. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der unbezahlten Arbeitsmöglichkeiten im Ausland stark gestiegen. Vor allem in Südamerika gibt es viele NGOs, die auf Menschen aus der ganzen Welt angewiesen sind, um überhaupt zu funktionieren. Nicht selten muss man sogar zahlen, um mitmachen zu dürfen. Diese „Gebühren“ werden für Essen und Unterkunft verwendet – und das Personal vor Ort. So hat sich in den vergangenen Jahren eine Art Helfertourismus entwickelt, vielleicht, weil er leicht umzusetzen ist. Viele junge Menschen machen eine Südamerika-Reise und hängen dann noch zwei Wochen in einer NGO an. Die Wienerin Judith etwa hat in Peru zwei Wochen geholfen, nach einem Erdbeben Häuser aufzubauen. Sie selbst war gerade in einer Umbruchsphase, wusste nicht: Job wechseln oder bleiben. Wie viele andere auch wollte sie einmal etwas „ganz anderes sehen“. Arbeiten außerhalb der ganz normalen und alltäglichen Berufswelt.

In Fabians Umkreis gibt es viele Menschen, die ebenfalls bereit sind, sich für andere einzusetzen. Was sie gemeinsam haben: Alle sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Sein bester Freund, ein Sozialarbeiter, hat sich im Scherz sogar beschwert, als der Wiener von seinem Vorhaben erzählt hat. „Ich wollte das vor dir machen“, hat er gesagt. Der Freund hatte eine ganz ähnliche Idee, nur eben für Kinder in Afrika.

Es scheint, als hätten junge Erwachsene heutzutage mehr auf ihrer Agenda stehen als nur Karriere. Die weltweite Web-Community hat es auch schwieriger gemacht, Not in anderen Ländern zu ignorieren. Aufrufe zu Hilfsaktionen laufen regelmäßig über Twitter und Facebook. Es ist schwierig, solche Bilder zu ignorieren, vor allem, wenn man beim Surfen auf der Couch sitzt und Schokolade isst.

„Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass viele nicht genau wissen, was sie machen wollen. Und bevor sie nichts tun, machen sie etwas Gutes“, meint Fabian. Er selbst würde sich von diesem Satz nicht einmal ausnehmen. Auch wenn er seine Richtung schon ungefähr kennt.


Freunde sollen spenden. Auf „Vida Nueva“ ist er schließlich durch einen Freund seines Vaters aufmerksam geworden. „Als er mir davon erzählt hat, war ich gleich begeistert“, sagt er. Das war vor einem Jahr. Seither versucht er die 2300 Euro für die Reise zusammenzubekommen. Außerdem animiert er auch seinen Bekanntenkreis, für „Vida Nueva“ zu spenden.

Seine Reise finanziert er sich durch seinen Nebenjob im Kindermuseum Zoom in Wien und eben als Trainer der U9 des FC „Praterkids United“ im Wiener Prater. Am Ende des Sommers, so hofft er, wird er die Kinder in Costa Rico so weit trainiert haben, dass sie mit Ballkunststücken im „Circo Fantazztico“ auftreten können. Das wäre sein Traum. In zwei Monaten andere auf die Beine stellen, darauf hat er sich jetzt ein Jahr lang vorbereitet.

Asociación Vida Nueva

Der Verein „Vida Nueva“ kümmert sich um Kinder und Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen in San Isidro/Costa Rica. Ziel des Vereins ist es, die Lebensbedingungen der Kinder zu verbessern. Dazu gehört der Kampf gegen Gewalt in der Familie, Bildungsarbeit sowie Sport- und Freizeitaktivitäten.

Im „Circo Fantazztico“ lernen Kinder und Jugendliche jonglieren oder Akrobatik. So können sie ihre Freizeit sinnvoll nützen und sich langfristig eine neue Existenz aufbauen.

„La Casita“ ist ein kleines Haus in San Isidro, in dem Kinder ihre Freizeit verbringen können. Dort wird gebastelt, gemalt, musiziert, Fußball gespielt und Nachhilfe angeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2013)

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