Gedächtnis der Festspiele: Originale von Max Reinhardt & Co.

Gedaechtnis Festspiele Originale Reinhardt
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Sie hütet das Programm der „Jedermann“-Premiere 1920 und andere Schätze: Franziska-Maria Lettowsky leitet das Archiv der Festspiele.

Eine frei stehende Bühne, Musik, eine Art Marktplatz, ein überströmendes Fest: Julian Crouch und Brian Mertes, die beiden Regisseure des neuen „Jedermann“, haben das Salzburger Traditionsstück mit einem Umweg über die Vergangenheit ins Heute befördert. Bei ihrer Spurensuche nach Ideen und Überlegungen, die schon Festspielgründer Max Reinhardt für den Domplatz umtrieben, haben sie auch auf das Festspielarchiv vertraut. Ein reicher Schatz an Fotos, Pressemeldungen, Noten, Literatur, Entwürfen, Notizen und Texten lagert in den Räumlichkeiten im sogenannten Schüttkasten neben dem Festspielhaus. Über all das wacht Franziska-Maria Lettowsky, die Leiterin des Archivs. Sie hat gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Lina Maria Zangerl schon im Vorjahr damit begonnen, historisches Material über den „Jedermann“ zusammenzustellen.

„Über den ,Jedermann‘ haben wir sicher das meiste Material“, erzählt Lettowsky. Auch Cornelius Obonya, der heuer in der Hauptrolle auf dem Domplatz steht, hat bei ihr nach historischen Bildern und Dokumenten angefragt. Ihn interessierte speziell Attila Hörbiger, der den Jedermann von 1935 bis 1937 und von 1947 bis 1951 gespielt hat. Nicht nur aus beruflichen, sondern vor allem auch aus persönlichen Gründen: Hörbiger war der Großvater von Obonya.


Dass Künstler persönlich im Archiv vorbeikommen, um etwas nachzuschauen, passiere eher selten. Frau Lettowsky sucht auch für die anderen Abteilungen im Haus Material heraus. Sie kann aus einem reichen Fundus schöpfen. Von jeder Produktion, die die Festspiele seit ihrer Gründung im Jahr 1920 gemacht haben, sind Bilder und Dokumente gesammelt. Besonders stolz ist Lettowsky auf den Programmzettel der ersten „Jedermann“-Aufführung am 22.August 1920 auf dem Domplatz oder auf das mit vielen handschriftlichen Vermerken versehene Originalregiebuch von Max Reinhardt aus dem Jahr 1911.

Bilder an den Wänden erinnern an alte Aufführungen: Dort eine Büste von Herbert von Karajan, da eine von Clemens Krauss. Ein Foto zeigt den jungen Plácido Domingo gemeinsam mit Maximilian Schell im Fußballdress, anlässlich des traditionellen Promiturniers. Daneben Fotos von Agnes Baltsa, Daniel Barenboim, Helmut Qualtinger, den Festspielgründern Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal. In den Schubladen verstecken sich unter anderem Bühnenbild- und Kostümentwürfe von Günther Schneider-Siemssen, Karl Lagerfeld oder Achim Freyer. Ein bunter Erinnerungsbogen aus bald 100 Jahren Festspielgeschichte.

„Im Festspielbezirk schauen die Kollegen meist in die Zukunft, es wird mindestens zwei, drei Jahre vorausgeplant. Ich schaue immer in die Vergangenheit“, sagt Lettowsky. Die Musikwissenschaftlerin leitet das Archiv seit 2005. Für die Festspiele gearbeitet hat die gebürtige Salzburgerin jedoch schon als Studentin. Mehrere Sommer verkaufte sie den jährlich erscheinenden Festspielalmanach. Auch in ihrer Zeit im Musikarchiv des ORF hatte sie viel mit den Festspielen zu tun.

Arbeit findet sich im Archiv das ganze Jahr über: Schon Monate vor dem sommerlichen Kulturereignis gibt es viele Rechercheanfragen u.a. von der Dramaturgie oder Presseabteilung. Wenn Ende August die Festspiele abgeschlossen sind, beginnt für Lettowsky wieder eine heiße Phase: Sie muss Entwürfe, Skizzen, Inspizientenbücher, Korrespondenz und Kritiken zusammentragen, Fotos ablegen und alles archivieren, was später von Interesse sein könnte. Schließlich ist das Archiv nicht nur für das Festival selbst interessant, sondern auch für Museen, andere Archive, Wissenschaftler, Autoren, Universitäten – und Besucher. Verliehen wird nichts, Interessierte können aber vor Ort in die Dokumente Einblick nehmen. Franziska-Maria Lettowsky hat oft Besuch und wacht über den Fundus aus Gedrucktem, Geschriebenem, Gezeichnetem, Kostümen, Requisiten, Musik- und Videoaufzeichnungen.

Auf einen Blick

Im Archiv der Salzburger Festspiele am Herbert-von-Karajan-Platz werden Texte, Dokumente sowie Ton- und Videoaufzeichnungen der vergangenen Festspiele gesammelt. Die Musikwissenschaftlerin Franziska-Maria Lettowsky leitet das Archiv seit 2005 und unterstützt Künstler bei ihren Recherchen ebenso wie die Dramaturgie, das Pressebüro oder andere Museen, Wissenschaftler und Archive. Führungen auf Anfrage, Infos: www.salzburgerfestspiele.at/kontakt/archiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)

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