Hollywoods leiser Komponist: "Ich gehe nie ins Kino"

Hollywoods leiser Komponist gehe
Hollywoods leiser Komponist gehe(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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James Horner hat die erfolgreichsten Filme der Welt vertont. Ein Gespräch über "Titanic", "Avatar 2" und wieso ihn sein Wien-Besuch überrascht.

Die Presse: Sie haben den Soundtrack zu „Titanic“ geschrieben. Was denken Sie, wenn Sie „My Heart Will Go On“ hören?

James Horner: Ich wollte den Film mit etwas Persönlichem beenden. Ich wollte, dass die Leute sitzen bleiben, nicht gleich hinausrennen. Seltsam, wie sich die Dinge dann entwickeln... James Cameron wollte dabei gar kein Lied in seinem Film haben. Davor hatte er Filme wie „True Lies“ oder „Terminator“ gemacht. Dann plötzlich eine Liebesgeschichte – ein Lied machte das für ihn noch schlimmer. Er hat erst drei Wochen vor dem Filmstart zugestimmt.

Hat er sich später bedankt?

Er hat mich angerufen, um mir zu sagen, wie gut der Film und die Musik laufen. Ich kümmere mich darum nie.

Dabei haben Sie mit „Titanic“ und „Avatar“ die zwei meistgesehenen Kinofilme der Geschichte vertont. Wie groß war Ihr Anteil am Erfolg?

Ich weiß es nicht. Die Musik allein ist nicht wichtig. Es geht darum, eine Art Ehe zwischen einem Bild und einer einprägsamen Musik zu schaffen. Die Filme waren gut, die Musik war okay – aber zusammen wurde es magisch.

Ihre Musik war nur okay?

Ja... Ich sehe das irgendwie klinisch. Etwas ist nicht gut, weil es populär ist. Ich frage mich, ist es gute Musik, so wie Prokofieffs Zweite Symphonie gute Musik ist? Ich beurteile meine Musik anders als die meisten.

Was finden Sie dann selbst gut?

Ich habe viele Favoriten, kleine Teile, aus „Braveheart“, „Apollo 13“, „Avatar“. Andere waren einfach nur Filmmusik.

Für „Avatar“ sind Sie selbst quasi zum Einwohner von Pandora geworden.

Das war intensiv. Jetzt macht Jim (James Cameron, Anm.) „Avatar 2“, und 3 und 4 oder so. Ich weiß noch nicht, wie das wird. Was Cameron tut, ist: Er erfindet eine Maschine, wie ein iPhone. Dann kopiert es jeder, und dann muss er sich etwas Neues einfallen lassen. Das wird schwierig. Nach seinem unglaublichen Tauchgang arbeitet er nun seit Kurzem daran, und er hat mich gefragt, ob ich mitmache. Aber ich habe noch nicht angefangen.

Wie arbeiten Sie denn?

Ich sehe gern vorher den Film, um zu schauen, ob ich der Richtige bin, ob es eine emotionale Reaktion gibt.

Waren Sie immer schon ein Filmliebhaber?

Ich bin gar kein Filmliebhaber. Oh nein, ich bin genau das Gegenteil, ich gehe nie ins Kino. Ich schaue mir nie Filme an. Nur alte, manchmal. Ich entspanne mich dabei nicht.

Weil es mit Ihrer Arbeit zu tun hat?

Ja. Und ich mag die Branche nicht sehr, hab ich nie. Sozial bin ich nicht Teil dieser Welt, ich bin sehr zurückhaltend, ruhig. Mir ist es wichtig, in der Musikwelt zu bleiben und mich nicht in dieser Hollywood-Welt zu verfangen. Ich will geerdet bleiben.

Was machen Sie stattdessen?

Alles Mögliche, ich spiele Klavier, ich fliege. Das ist schön, irgendwie mathematisch. Ich mache Kunstflug, das ist eine ganz andere Welt.

Ihr Vater war Szenenbildner in Hollywood. Hat er Sie zum Film gebracht?

Nein, er war zwar in der Filmbranche, aber ich hatte kein Interesse an Filmen. Ich wollte Musiker sein. Und ich wollte ernste Musik schreiben, Konzertmusik. Es ist dann durch Zufall so gekommen, jemand bat mich um Mitarbeit bei einem Studentenfilm...

Ihr Vater lebte in Wien, bevor er emigrierte. Was hat er Ihnen erzählt?

Ich weiß, was er gemacht hat, aber wir haben nicht viel über seine Geschichte gesprochen. Ich glaube, er wollte Teil der amerikanischen Welt werden. Und wir waren uns nicht sehr nahe, ich war sehr still, habe mich nur für meine Musik interessiert.

Freuen Sie sich auf „Hollywood in Vienna“ – oder sind Ihnen auch da zu viele Menschen?

(Leise.) Zu viele... Aber ich dachte mir, es wäre gut für mich zu kommen, um mich aus meiner Schale zu holen. Ich höre sonst nie meine Musik, weil immer schon das nächste Projekt da ist. Ich freue mich natürlich über den Preis. Und ich wundere mich, dass ich gekommen bin. Untypisch für mich.

ZUR PERSON

James Horner (60) ist Filmkomponist und Sohn des Wiener Bühnen- und Szenenbildners Harry Horner, der er in den Dreißigern in die USA emigrierte. Er hat über 100 Filme vertont. Für „Titanic“ erhielt er zwei Oscars, drei Grammys und zwei Golden Globes, der Soundtrack ist einer der meistverkauften der Geschichte. Zu seinen Arbeiten zählen „Star Trek“, „Alien“, „Der Name der Rose“, „Apollo 13“, „Braveheart“, „Der Sturm“, „A Beautiful Mind“ oder „Avatar“. Horner lebt in Los Angeles und London. Heute Abend wird er beim Konzert „Hollywood in Vienna“ mit dem Max Steiner Award ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2013)

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