Die Rolle des Großvaters: "Wie war das damals im Krieg?"

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Während Großmütter ein idealisiertes Revival erleben, sind Großväter vor allem als Erzähler von Geschichten und Geschichte gefragt.

Es ist ein idealisiertes Bild der alten Oma, das derzeit ein Revival erlebt – die liebenswürdige weißhaarige Frau, die im Haushaltskleid oder mit Schürze gemeinsam mit den Enkeln Kekse bäckt – natürlich dürfen die Kinder dabei auch ein bisschen vom rohen Teig kosten. Dazu kommt das Wissen um alte Rezepte, die eine oder andere Lebensweisheit und vor allem auch, dass die Oma immer Zeit hat. „Oma ist die Beste“ oder „Oma ist unbezahlbar“ sind Slogans, mit denen sich die Sehnsucht zusammenfassen lässt, und natürlich gehören auch „Schätze aus Omas Backbuch“ oder das „Lieblingsessen aus Omas Küche“ dazu, wie zwei aktuelle Buchtitel nahelegen.

Die Oma ist zu so etwas wie einer Projektionsfigur einer „Back to the basics“-Retrowelle geworden, vor allem die heutige Generation der 30- bis 40-Jährigen findet zunehmend wieder Gefallen an all dem, wofür Großmütter früher gestanden sind. Der männliche Gegenpart hat diese Popularität bei Weitem nicht.

Natürlich, es gibt das Bild des liebevollen Großvaters. Doch schon durch die damalige Rollenverteilung bedingt sind Bücher über Rezepte und Kinderbetreuung eher Mangelware – gut, Titel wie „Opas selbst gemachte Schnäpse und Liköre“ finden sich schon in manchem Buchgeschäft, doch die eigentliche Kompetenz des Großvaters liegt offenbar anderswo: „Opa, erzähl uns was“ ist so etwas wie der Grundtenor zahlreicher Bücher, die den Opa im Titel führen. Der Großvater als Erzähler von Geschichten und Geschichte ist das männliche Pendant zur Küchen-und-Keks-Oma. Allerdings trägt das Bild des Großvaters immer auch einen Schatten mit sich.

„Soldatenleben: Auf den Spuren meines Großvaters“ heißt etwa ein kürzlich erschienenes Buch. „Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg: Was der Erste Weltkrieg mit uns zu tun hat“ ist ein weiterer Buchtitel, der schön zeigt, in welcher Rolle Großväter heute vor allem gesehen werden: als Zeugen einer Zeit voller Konflikte, von Kriegen, die man nicht verstehen kann. Und natürlich auch von Schuld. Barbara Alberts Film „Die Lebenden“ aus dem Jahr 2012 über die Suche einer Enkelin nach der NS-Vergangenheit ihres Großvaters ist ein Dokument über die Enkel von NS-Verbrechern. Aber auch ein Dokument, das eine versöhnliche Note in sich trägt – dass nämlich nicht der eigene Großvater ein Monster war, sondern das System dahinter.


Dunkle Flecken. Derartige Bücher und Filme sind Versuche, die Großvätergeneration, die den Krieg noch in irgendeiner Form miterlebt hat, zu hinterfragen. Über das Verhältnis zu einer Person, mit der man verwandt ist, die man liebt – doch deren dunkle Flecken in der Vergangenheit eine Belastung, zumindest aber ein Grund zum Nachdenken sind. Es sind Versuche, die jahrzehntelang von der nachfolgenden Generation nicht gemacht wurden, weil über solche Dinge einfach nicht geredet wurde. Erst die Enkelgeneration hatte genügend Distanz, einem Verwandten auch unangenehme Fragen zu stellen – ob nun ganz direkt oder auch nur in der Beschäftigung mit der damaligen Zeit. „Opa, wie war das damals im Krieg?“

Ein weiteres aktuelles Beispiel ist das Buch: „Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen“ von Jennifer Teege. Im Alter von 38 Jahren erfuhr die Hamburger Werbetexterin zufällig, dass ihr Großvater der berüchtigte KZ-Kommandant Amon Göth war. Die Tochter eines Nigerianers und die Enkeltochter des Nazi-Schergen arbeitet daraufhin die schmerzhafte Familiengeschichte auf und veröffentlichte die Ergebnisse – und auch ihren persönlichen Umgang mit der Vergangenheit – in Buchform.

Da ist die bange Frage, ob womöglich auch sie Wesenszüge in sich trage, die von ihrem Großvater stammen könnten, den sie selbst nie kennengelernt hat. Und da ist auch eine weitere Dimension: Das Bild der liebevollen Großmutter wurde durch die Forschung ebenfalls erschüttert – denn die herzliche Frau, als die sie diese in Erinnerung hatte, stellte sich als naive Mitläuferin heraus, die gemeinsam mit ihrem Mann eine Villa im Konzentrationslager bewohnte und dort abends rauschende Partys gab.


Neue Generation. Der Umgang mit der Vergangenheit der Großeltern ist die eine Seite, auf der anderen rückt aber auch zunehmend die jetzige Großelterngeneration in den Fokus. Aktuelle Buchtitel wie „Wir neuen Großväter. Der schönste Job der Welt“ oder „Opa für Anfänger“ sollen offenbar Männer an ein neues Bild heranführen, wie man sich als moderner Großvater positionieren soll. Und damit einen Grundstein dafür legen, dass es in dreißig bis vierzig Jahren auch ein großes Großvater-Revival gibt. Wobei – auch dieses Revival wird dann wohl ziemlich viel Idealisierung in sich tragen.

Opa im Buch

„Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen“. Von Jennifer Teege und Nikola Sellmair. Rowohlt, 20,60 Euro.

„Opas selbst gemachte Schnäpse und Liköre“. Komet-Verlag, 10,30 Euro.

„So war das damals– Opa erzählt. Erinnerungsalbum“.Gondolino, 5,20 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2013)

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