Herzilein für Große

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Herzilein-Erfinderin Sonja Völker erfüllt wieder einmal Wünsche - und bietet ihre Kindermode auch in Damengrößen an. Diesmal (kurz) Wintersachen.

Eigentlich – und diese Tatsache weiß man in Wien längst weit über die innerstädtischen Reviere autoloser, Bioprodukte kaufender Kleinfamilien hinaus – ist Herzilein ja ein Kindermodengeschäft. Ein höchst beliebtes: 2006 eröffnete Chefin Sonja Völker ihren ersten Shop, mittlerweile sind es drei – inklusive Stoffwerkstatt für Selbernäher und Onlinehandel. Doch immer wieder, erzählt Völker, würden sich Damen in die größten Kindergrößen quetschen. Oder sie beknien, doch ausnahmsweise etwas Größeres zu schneidern. Und wenn Völker gerade Zeit hat, dann erfüllt sie diesen Wunsch.

Was in zweierlei Hinsicht erstaunlich ist: zum einen, dass Völker die Zeit findet, obwohl sie sich oft am liebsten klonen würde. Und zum anderen, dass ihr die Damen die Mode aus der Hand reißen, obwohl Herzilein-Kindermode, nun ja, kindgerecht ist. Herzig eben. Es ist gleichsam die Umkehrung dessen, was ihr die Kunden zutreibt: eine Modeindustrie, die Kinder gern als kleine Erwachsene kleidet. „Enge Glitzerjeans“, sagt Völker und schüttelt den Kopf in Gedanken an das Angebot der Konkurrenz. Wobei inzwischen selbst die Russen zu ihr kämen.

„Damentage“

Und eben Damen, die selbst Lust auf Kindlich-Buntes haben. Seit gestern, Donnerstag, laufen in ihrer Filiale in der Josefstädter Straße wieder kurzfristig einberufene „Damentage“. Und zum ersten Mal hat Sonja Völker so etwas wie eine kleine Kollektion zusammengestellt, fröhlich fotografiert mit ihren Mitarbeiterinnen als Models. Ihre Truppe, die für sie in Wien näht und verkauft, liegt der Chefin besonders am Herzen. „Was nützt es mir, wenn ich Ideen habe, wenn vorn im Geschäft jemand steht und grantig ist?“ Konkret gibt es für Damen diesmal Kurzmäntel, einfärbig oder bunt gemustert mit Blümchenapplikationen, Patchworkmützen, Schals aus Seide und Wolle und Fäustlinge mit Tieren, Herzerln oder Fliegenpilz. Apropos Fliegenpilz: Gleich mehrere davon, auf einem hellgrünen Kindermantel, sind gerade draußen am Fenster vorbeigewandert, Völker hat es über ihren Schwarztee hinweg sofort bemerkt und freudig kommentiert. Auch nach mehreren Jahren freue sie sich über jedes der Herzilein-Sackerl, das sie zufällig auf der Straße sieht, über jedes Kind in einem ihrer Stücke.

Die reichen inzwischen bis hin zu Badeanzügen und Strumpfhosen nach ihren Ideen, so weit hat die Anfang Vierzigjährige ihr Angebot schon erweitert. Letztere, die Strumpfhosen, soll es demnächst auch im Partnerlook geben, für Babys, Kinder, Mütter. Was es sei, das die Leute so anzieht? In erster Linie, glaubt die gebürtige Burgenländerin, seien es die Geschäfte selbst: Mit rot gemustert tapezierten Wänden, weißen Möbeln, vielen Details. Man kauft hier Herzilein-Feeling – ein wenig ländlich, ein wenig nostalgisch, immer mit der Anmutung liebevoller Handarbeit. Dazu gutes Gewissen, weil die Babydecken, Krokodil-T-Shirts und Taschen, auf die man die Kindernamen sticken lassen kann, nicht aus einem asiatischen Sweat-Shop, sondern aus ihrer Wiener Werkstätte kommen.

Zu nähen begonnen hat die Volksschullehrerin übrigens, als ihre Tochter klein war. Andere Eltern fragten nach der Herkunft der Kleider, sie verkaufte sie auf dem Weihnachtsmarkt, so ergab eins das andere. Nachdem ihr Sohn geboren war, stellte sich die Frage: Zurück in die Schule – oder in die Selbstständigkeit? Bereut habe sie den Schritt trotz aller Anstrengungen nie. Auch nicht, wenn sie des Nachts an ihren bekannten Schaufensterdekorationen arbeitet, die sie mit einer Freundin mit Sammelleidenschaft („Sie hätte Bühnenbildnerin werden sollen“) entwirft. In der Wollzeile ist nach der Viennale-Edition (Teddy und Co. im Kino) der Herbst eingekehrt, in der Josefstadt haben französische Stoffratten einen Hinterhof bezogen, die „coolste“ Version bisher. Hundebesitzer wie Reiseführer wählen längst den Weg an ihren Fenstern vorbei, Nicht-Eltern rufen ihre Begeisterung ins Geschäft. Gern, wenn es sich ergibt, hätte Völker ja ein Geschäft in Salzburg oder München. Nur wie, überlegt sie, soll sie dort alle zwei Wochen neu dekorieren?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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