Julianne Moore: "Stephen King ist unser Dickens"

Julianne Moore
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Julianne Moore ist derzeit doppelt im Kino zu sehen, in "Don Jon" und jetzt auch in der Neuverfilmung von "Carrie". Im Interview spricht sie über Stephen Kings Menschenkenntnis und Schönheit ohne Make-up.

Es gibt in der Filmindustrie ein paar Frauen, die über jede Kritik erhaben sind. Cate Blanchett ist so eine. Tilda Swinton. Und Julianne Moore: sommersprossig bis in die Fingerspitzen, Kinderbuchautorin und eine Schauspielerin mit präzisem Gespür für Rollen mit politischer Botschaft – ob es die Golden-Globe-prämierte Darstellung der Sarah Palin ist, die reife Geliebte des Vorstadtcasanovas „Don Jon“ (derzeit im Kino), oder jetzt die ultrareligiöse Mutter Margaret in „Carrie“, der Neuverfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker.

Diese Frau, die Sie in „Carrie“ spielen, könnte das reinste Monster sein. Sie porträtieren sie aber als Mutter mit durchaus nachvollziehbaren Sorgen ...

Julianne Moore: Ja, das finde ich viel spannender. Stephen King ist, finde ich, so etwas wie unser Charles Dickens, er schreibt mit großer Menschenkenntnis. Die einzige Beziehung dieser Frau ist die zu ihrer Tochter, sie ist komplett isoliert. Und sie glaubt, dass sie tatsächlich das Richtige macht, um Carrie zu beschützen. Sie sagt: „Die werden dich alle auslachen“ – und sie behält recht.

Als Sie selbst in Carries Alter waren, wie waren Sie da?

Viel größer als alle anderen. Und ein totaler Bücherwurm. Der wichtigste Unterschied zu den anderen war aber, dass ich schon damals wusste, dass ich Schauspielerin werden will.

Carrie leidet stark unter sozialer Isolation. Haben Sie so etwas auch erlebt?

Das hat doch jeder, ob es der erste Tag im Kindergarten ist, der erste Tag im neuen Job, oder wenn du allein auf eine Party kommst. Ich bin immer ganz beeindruckt, wie offen meine Kinder damit umgehen. Ich versuche ihnen zu vermitteln: „Wenn ihr jemanden in einer solchen Situation seht, geht hin zu ihm, lasst ihn nicht allein!“

Sie haben ein Kinderbuch geschrieben über ein Mädchen, das eine Außenseiterin ist ...

Ja, in „Sommersprossenfeuerkopf“ geht es ums Gehänseltwerden, das ist vergleichsweise harmlos. Die Geschichte, die Stephen King in „Carrie“ erzählt, ist inspiriert von zwei Schülerinnen, die er kannte: Die eine wurde ausgeschlossen wegen ihrer Armut, die andere, weil ihre Eltern so fanatisch religiös waren. King beschreibt, wie beide Mädchen deshalb ihr Leben lang unglücklich waren.

Sie haben in Ihrer Karriere einige sehr verstörende Rollen gespielt. Macht das besonders Spaß?

Mir macht mein Beruf immer Freude, sonst würde ich ihn nicht mehr machen. Und klar, immerhin ist das hier ein Film mit vielen Special Effects. Es macht Spaß, gegen eine Matratze geworfen oder in die Luft gezogen zu werden, das ist wie auf dem Jahrmarkt.

In „Carrie“ sehen Sie nicht besonders glamourös aus. Stört Sie das?

Im Gegenteil, ich fand es angenehm, die Vorbereitung ging so schnell. Margaret, meine Filmfigur, ist eine Frau, die nicht sonderlich auf sich achtet, also verwendet sie auch kein Make-up, sie war noch nie beim Friseur, und sie trägt einfache Kleider.

Sie sind auch ohne Make-up schön – aber für Hollywood-Verhältnisse ist so ein Auftritt ziemlich mutig.

Oh, danke. Niemand will unattraktiv aussehen, aber viele entsprechen eben nicht der herrschenden Norm. Die Kunstlehrerin meiner Kinder zum Beispiel ist eine sehr schöne Frau, vielleicht fünf Jahre älter als ich, sie hat langes Haar und trägt nie Make-up. In Hollywood hieße es: Moment, die muss sich doch zurechtmachen! Aber das wäre, als würde sie sich verkleiden. Ich finde es wichtig, auch diese Form des Aussehens im Kino vorkommen zu lassen.

Sie sind eine der wenigen, die klar Nein sagt, wenn sie von einem Film nicht überzeugt ist. Trotzdem sind Sie ständig im Kino zu sehen, noch in Ihren Vierzigern und ...

Sie können es sagen: in meinen Fünfzigern. Los, trauen Sie sich! Ich bin 52!

Haben Sie sich über das Älterwerden in Ihrem Beruf je Sorgen gemacht?

Das Älterwerden an sich macht mir Sorgen, einfach weil ich nicht sterben will. Wir reden immer darüber, wie schwierig es ist, in höherem Alter noch Jobs zu finden. Aber nennen wir die Sache doch beim Namen: In Wirklichkeit haben wir Angst vor dem Tod. Bis Mitte zwanzig ist einem nicht bewusst, dass das Leben irgendwann endet. Aber je älter man wird, desto klarer wird: Das ist es, worum es wirklich geht.

Steckbrief

1960 wurde Julianne Moore in North Carolina geboren. Dank roter Haare, Sommersprossen und Brille wurde sie oft gehänselt.

1997 spielte sie in „Jurassic Park“, große Erfolge feierte sie aber erst später, mit Filmen wie „Boogie Nights“, „The Big Lebowski“, „The Hours“.

Seit 2003 ist sie in zweiter Ehe mit dem Regisseur Bart Freundlich verheiratet. Sie haben einen Sohn und eine Tochter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2013)

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