Albertina-Chef: „Assingers Dialekt passt nicht“

Albrecht Schröder
Albrecht Schröder(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Albertina-Chef verteidigt sich. Er habe die Mundart nie als „reaktionär“ und „faschistisch“ bezeichnet, sagt Klaus Albrecht Schröder. Und fordert eine neue Hymne für Oberösterreich.

Die Presse: Herr Schröder, ein Gastkommentar in der „Presse“ wirft Ihnen vor, Sie würden Dialekt als „reaktionär und mit faschistoidem Gedankengut verseucht“ ansehen.

Klaus Albrecht Schröder: Das entspricht nicht im Geringsten meiner Auffassung.

Tatsächlich sagten Sie in einer SWR-Talkshow, Sie hätten sich den oberösterreichischen Dialekt abgewöhnt, weil er „korrumpiert“ war „durch den Missbrauch, den das Dritte Reich getrieben hat“.

In einem bestimmten historischen und biografischen Augenblick. In meiner Jugend im Oberösterreich der 1960er-Jahre gab es den Stelzhamer-Bund, der den Dialekt und die Landeshymne „Hoamatland“ als reaktionär-faschistische Waffe missbrauchte. Das war für mich antimodern und zutiefst nationalsozialistisch vergiftet. Dann waren da noch ein paar konkrete Anlässe, die mich dazu gebracht haben, mir den Dialekt mit 15, 16 Jahren abzugewöhnen, zum Beispiel die Reaktion auf den abstrakten Bruckner-Brunnen, der als entartete Kunst gesehen wurde. Aber ich bin kein Kronzeuge gegen den Dialekt generell! Ich leite daraus kein Weltbild ab, es ist meine „Homestory“.

Es gab Holocaust-Überlebende, die sich bewusst von der deutschen Sprache losgesagt haben. Sie dagegen haben den oberösterreichischen Dialekt gegen Hochdeutsch ausgewechselt, es also im Grunde wie seinerzeit Hitler gemacht.

Ich glaube nicht, dass meine Sprache etwas mit der dieses Monstrums zu tun hat, aber Sie haben recht – auch Hitler hat das Oberösterreichische bewusst abgelegt und versucht, Preußisch zu reden. Deshalb ist es auch völlig absurd zu sagen, Dialekt ist nationalsozialistisch.

Aber für die Sechzigerjahre ziehen Sie diese Verbindung.

Im Akademischen Gymnasium, wo ich war, haben wir beim Turnen noch exerziert, „Linksum, rechtsum!“...Und in Deutsch lernten wir die Überlegenheit der deutschen Sprache gegenüber den romanischen. Zum Beispiel, dass der Österreicher oder genau genommen der Deutsche „Liiieeebe“ sagt und der Italiener „Amorrre“ – weil die Italiener nichts von der Liebe verstünden.

Trotzdem haben Sie sich Hochdeutsch antrainiert.

Natürlich kann auch Hochdeutsch als Waffe dienen. Damit wurde ich mit 18 Jahren bei meiner Übersiedlung von Linz nach Wien konfrontiert. Das Institut für Kunstgeschichte war dominiert von höheren Töchtern, dort habe ich plötzlich gelernt, dass das Schönbrunner oder Hietzinger Deutsch das wahre Deutsch sein soll, nicht mein mühsam von Reinhard Mey und Udo Jürgens angelerntes Hochdeutsch. Da war man als Provinzler schnell so etwas wie die Phäaken, „die da draußen“, seinerzeit für die Athener.

Dialektverachtung verrät oft die Verachtung der „Gebildeten“ gegenüber den „Ungebildeten“.

Für mich gibt es da keine direkte Verbindung! In der Schweiz sprechen meine Sammlerfreunde Schwyzerdütsch, Hegel hat Dialekt gesprochen, bei Goethe reimt sich manches nur, wenn man es in seinem Dialekt von damals ausspricht. Anders ist es, wenn Assinger in der „Millionenshow“ nach einem seltenen Fremdwort fragt, und das ausgerechnet im Dialekt, in dem man vermutlich mit diesem Fremdwort nie konfrontiert wäre. Da halte ich es schon für authentischer, wenn man wie der Jauch spricht. Das hat aber nichts mit Dialekt versus Hochsprache, sondern mit Dialekt versus Bildungssprache zu tun – den Begriff hat ja Jürgen Habermas in den 1960er-Jahren ausführlich analysiert. Ausgerechnet eine Bildungssendung im Dialekt vorzutragen finde ich seltsam, es ist mir aber egal. Ich bin kein Fernsehkonsument.

Wollten Sie in der SWR-Sendung als Dialektkritiker provozieren?

Nein, ich dachte, ich bin eingeladen worden, um das Österreichische gegenüber dem Deutschen zu verteidigen! Stattdessen sitzen mir ein Schwabe und eine Kölnerin gegenüber und sagen „Tuppe“ statt „Tupfen“– und schon lachen alle. Das ist der wahre Sprachrassismus! Von ihm leben viele Kabarettisten, sie reden breiten Dialekt, und die Zuhörer lachen über den Trottel, wie der Auto fährt, wie der redet...Damit bestätigen sie genau jenes Vorurteil, gegen das sie in der Sendung anrennen wollten: dass Dialekt minderwertig ist. Die Kölner Kabarettistin hat auch gesagt, nur Dialekt ist echt, authentisch. Das ist Blödsinn. Dass das neulich auch Assinger behauptet hat, zeigt mir, wie dieses Vorurteil grassiert.

Was verbinden Sie mit Heimat?

Meine Heimat ist bis heute Linz. Bei manchem Nebel, verschmutzter Luft irgendwo in der Welt – in Linz hat man diesen Bleigeschmack nicht mehr – da stellt sich bei mir Heimatgefühl ein.

Hat Sie der Shitstorm im Internet beunruhigt, der auf Ihren Auftritt gefolgt ist?

Es war etwas leiser als ein Shitstorm, aber ja, es beunruhigt mich, wie leicht es zum Shitstorm kommen kann. Das führt zur Selbstzensur, jeder hat Angst: Was ist, wenn etwas aus dem Kontext gerissen zitiert wird? Wie vorsichtig werden wir dadurch im Formulieren, Denken? Wie toll war die Zeit, in der man noch polemisch pointieren konnte, um einem Gedanken eine forcierte Note zu geben! Die Angst vor dem Shitstorm nimmt einem die Chance, denkend zu reden, einen Gedanken, der hart klingen mag, den man noch nicht zu Ende gedacht hat, auszuprobieren, um im Denken weiterzukommen.

Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie die Hymne „Hoamatland“ hören?

Unverändert schlecht. Es ist ein miserables Gedicht, eine hundselendigliche Melodie. Oberösterreich sollte es zu einer besseren Hymne bringen.

DIALEKTSTREIT RUND UM SCHRÖDER

Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder hat mit einem Auftritt in einer deutschen Fernsehsendung heftige Reaktionen vor allem aus Österreich ausgelöst. Im „Nachtcafé“ des SWR zum Thema „Dialekt – charmant oder scheußlich?“ erzählte er, wie er sich als Teenager den oberösterreichischen Dialekt bewusst abgewöhnt und das Hochdeutsche antrainiert hatte. Der oberösterreichische Dialekt sei damals für ihn Ausdruck eines antimodernen, faschistischen Geistes gewesen. Kritiker warfen ihm daraufhin vor, den (ober-)österreichischen Dialekt generell als reaktionär und faschistisch „kontaminiert“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.