Weisz und die Piusbrüder: „Es war ein Drahtseilakt“

(c) Manfred Werner
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Schauspielerin Franziska Weisz über ihren Zugang zu Religion, Fanatismus in „Kreuzweg“ und den anstrengenden Dreh mit ihrer „Berliner Familie“.

Es gibt Filme, da würde man am liebsten etwas unternehmen: hineinspringen und die Beklemmung aufbrechen, oder besser noch flüchten, wie es die 14-jährige Maria machen sollte. Flüchten vor der Mutter, in Gestalt von Franziska Weisz.

Die 34-jährige Wienerin spielt in „Kreuzweg“ mit langem Rock, verkniffenem Mund und harten Worten das Familienoberhaupt einer Familie, die nach den Regeln einer fiktiven katholischen Paulusbruderschaft lebt, in der man unschwer die Piusbrüder erkennen kann. Gott behüte, dass die älteste Tochter der Einladung in einen Kirchenchor folge, in dem man auch Gospel und Soul singt – schließlich zählt man zu „Gottes Soldaten“ und weiß, wo der Teufel überall lauert.

Franziska Weisz, die Ulrich Seidl einst für „Hundstage“ entdeckt hat, war für die Rolle der Mutter an sich nicht vorgesehen. Tatsächlich bat sie Regisseur und Freund Dietrich Brüggemann, beim Kindercasting die Mutter zu geben, weil sie eben nicht seinen Vorstellungen entsprach, ihn nicht ablenken würde. Dann, zehn Tage vor Drehstart, rief er Weisz an. „Ich sah zwar nicht aus wie die Frau, die sie sich vorgestellt hatten, ich war auch nicht so alt – aber vom Spiel her hat es offenbar gepasst“, erinnert sich Weisz. Die so, nach einem erfolgreichen Fernsehjahr, noch unverhofft zu einer Kinoproduktion kam.

„Richtig harte Arbeit“

Und die inzwischen mit einem Silbernen-Drehbuch-Bären ausgezeichnet worden ist. „Richtig harte Arbeit“, beschreibt Weisz den Dreh für das strenge Werk: In 14 festen Tableaus wird die Geschichte des Mädchens Lea erzählt, das sich am Ende zu Gott flüchtet. Die Kamera ist starr, gespielt wird wie im Theater. „Ein Drahtseilakt, den ich genossen habe. Da musste der Text einfach viel mehr passen als bei jedem anderen Dreh.“ Zumal die anderen Familienmitglieder wenig zu sagen haben.

Anhand der Worte hat sich Weisz einen Charakter geformt, keinen bösen Menschen, aber „eine Frau, die anhand ihres Glaubenskonstrukts genau weiß, was richtig und was falsch ist“. Das sei, betont sie, keine Kritik an der Kirche. „Es ist ein Worst-Case-Szenario, was Fanatismus angeht.“ Möglich auch in anderen Religionen, aber Brüggemann hat sehr bewusst die eigene gewählt. „Wir sind wahnsinnig gut darin geworden, mit dem Finger auf andere Religionen zu zeigen“, sagt Weisz.

Sie hat als Kind selbst ministriert, ist aber inzwischen ausgetreten. „Es hat mich schon damals irritiert, dass Mütter und Väter, die geschieden und wiederverheiratet sind, keine Kommunion bekommen dürfen. Was ich an der Idee der Kirche schön finde, ist, dass sie auf Nächstenliebe basiert. Man muss nicht reich sein, man muss nicht intelligent sein, man muss nichts Besonderes können, man wird dort als Mensch aufgenommen. Warum muss man sich dann gewissen Gruppen gegenüber trotzdem zum exklusiven Klub mausern?“ Heute würde sie sich daher am ehesten als Agnostikerin bezeichnen. „Ich merke, wenn's ganz eng wird oder ich richtig verzweifelt bin, dass ich doch hoffe, dass da irgendetwas ist, das mich rausreißt.“ Die Messen der Piusbruderschaft, die sie im Vorfeld besuchte, seien auch keine unangenehme Erfahrung gewesen. „Die Kirchen waren voll, und ich fand es intensiver.“ Nur die Predigt, „die war mir zu heftig. Die lässt keinen Raum für Interpretation.“

Viel Raum deckt Weisz mit ihren Produktionen ab. Bis hin zum „Bergdoktor“, für den sie im Winter mit Ursula Strauss ein Special in Südtirol gedreht hat. Erst wenige Nächte war sie daher heuer in der Wahlheimat Berlin, wo sie in „Kreuzweg“-Regisseur Brüggemann und seiner Schwester Anna, die sie bei einem serbischen Filmfestival kennengelernt hat, schon vor Jahren eine Zweitfamilie gefunden hat.

Groß auffallen, sagt sie, würde man als Schauspieler in Berlin ja nicht, aber nach Fernsehrollen wie in „Der letzte Bulle“ erntet sie in Kreuzberg manchmal Blicke. „Ich weiß nie“, sagt sie und lacht ihr tiefes Lachen, „ob mich die Leute erkennen oder ob ich noch Schokoladeneis auf der Nase picken hab. Was auch schon vorgekommen ist.“

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