Fritz Karl: "Ich bin ein Geschenk"

Fritz Karl
Fritz Karl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schnelllebigkeit schmecke schal, sagt der Schauspieler Fritz Karl. Er versucht, sein Leben zu entschleunigen. Fliegenfischen ist eine der großen Leidenschaften, die er von seinem Vater geerbt hat.

Sie sind in Traunkirchen im Salzkammergut aufgewachsen. Ihre Eltern hatten dort ein Wirtshaus. Haben Sie manchmal mitgeholfen?

Fritz Karl: Ja, das habe ich und meine Geschwister auch. Im Sommer sind wir zur Bräuwiese, ein Badeplatz am Traunsee, gegangen, wo die Leute wie Sardinen geschlichtet gelegen sind. Auf ihre Autos haben wir kleine Zettel gesteckt. Und zwar nur auf die mit deutschem Kennzeichen. Darauf stand: Heute Abend Fondueessen im Berghof. Das ist so eine Kindheitserinnerung.

Hatten Sie nie Lust, den Betrieb zu übernehmen?

Nein. Dabei habe ich mit 13 Jahren viel bei uns gekellnert und mochte das auch sehr. Es ist schon ein toller Beruf. Aber ich kenne die Schattenseiten, der Stress ist sehr groß, vor allem, wenn man den Betrieb jeden Tag in Schwung halten muss.


Ihre Mutter stand in der Küche, Ihr Vater schupfte das Service. Die Kinder sind einfach mitgelaufen?

Das trifft es genau. Wir Kinder sind einfach mitgelaufen. Da gab es bei der Küche einen Pferch, da sind meine Schwester und ich drinnen gesessen. Später haben wir den ganzen Tag auf der Bräuwiese verbracht. Wir hatten wahnsinnige Freiheiten, einen unglaublichen Bewegungsradius. Großartig war das. Helikoptereltern gab es in dieser Zeit noch nicht.

Was sind Helikoptereltern?

Das wissen Sie gar nicht? Das ist ein stehender Begriff. Das sind Eltern, die dauernd über ihren Kindern kreisen, ständig damit beschäftigt sind, sie vor allem und jedem zu beschützen.


Sie waren also ziemlich auf sich gestellt. Haben Sie sich geborgen gefühlt?

Ja. Wenn man jemanden gebraucht hat, war der verfügbar, es gab eine Anlaufstelle. Und ich hatte in mir so ein Urvertrauen auf die eigene Existenz. Das haben diese ersten Jahr bewirkt.

Ein Urvertrauen auf die eigene Existenz?

Dieses Gefühl: Ich bin da! Und es bedarf nicht irgendwelcher neurotischen Handlungen, um mich meiner Existenz zu vergewissern. Ich habe auch keine Ängste, obwohl ich am ganzen Körper Narben habe, weil ich ein wildes Kind war. Ich erinnere mich auch daran, dass mein Vater mit mir immer fischen gegangen ist, und zwar zu jenen Stellen, wo auch er schon als Kind die großen Fische herausgezogen hat. Und ich tue das heute mit meinen Kindern. Ich liebe Tradition und versuche, sie weiterzugeben. Denn das ist das Einzige, was Beständigkeit hat. In meinem Beruf gibt es sie nicht.

Schnelllebig ist die Branche. Kaum ein Film, den man länger in Erinnerung behält.

Wenn es ein guter Film ist, dann reden die Leute vielleicht noch zwei, drei Tage darüber. Dann ist er weg. Ich habe das früher noch anders erlebt. Wie ich mit Götz Spielmann „Spiel im Morgengrauen“ gemacht habe, das war noch etwas. Aber in den vergangenen Jahren hat sich das radikal geändert. Alles wird so schnell abgehandelt, nicht nur im Fernsehen – überall. Das schmeckt schal. Umso mehr freue ich mich an den Dingen in meinem Leben, die Bestand haben. Deshalb bin ich auch in meinem Beruf relativ geerdet.

Macht er Ihnen immer noch Spaß?

Wahnsinnigen Spaß! Ich freu mich total, wenn ich spielen darf – und ärgere mich furchtbar über jede Absage. Gerade eben habe ich eine bekommen.

Diesen Ärger merke ich Ihnen gar nicht an.

Es ist ja verwindbar, Absagen gehören dazu. Ich verfalle nicht in Depressionen. Ich weiß: Eine Tür fällt zu, die andere geht auf. Und außerdem ist es doch super: Ich kann im August mit meinem Sohn fischen gehen!

Apropos Tradition: Einer Ihrer Söhne, Aaron, will auch Schauspieler werden. Wie ist das für Sie?

Ich trichtere ihm ein, dass er unbedingt eine Schauspielschule fertig machen soll, damit er das Handwerk gut lernt. Und er sagt: „Was verlangst du von mir? Du hast überhaupt nie eine Schule zu Ende gemacht.“

Am Max-Reinhardt-Seminar haben Sie es ja nicht allzu lang ausgehalten.

Nein, das war keine schöne Zeit für mich. Ich war erst 17 Jahre alt und alle anderen Schüler vier, fünf Jahre älter und viel gebildeter als ich. Ich hatte bis dahin zwei Bücher gelesen. Aber die Zeit dort hat vieles bewirkt: Erstens habe ich einen unglaublichen Wissensdurst entwickelt, und zweitens bin ich auf Leute gestoßen, die mich gezündet haben. Erwin Steinhauer, Otto Schenk und Bruno Dallansky. Wobei es Dallansky war, der mich aus dem Seminar hinausgeschmissen hat. Aber bei jeder Premiere, die ich bei freien Gruppen gespielt habe, war er da, um mich zu sehen und meinen Weg zu verfolgen. Einmal hat er zu mir gesagt: „Sie haben nicht auf diese Schule gepasst, aber ich sehe trotzdem: Da ist etwas!“

Was hat der Rauswurf für Ihr Ego bedeutet?

Gar nichts! Da war wieder dieses Urvertrauen: „Ich bin ja da!“

Ist es für Sie schwieriger gewesen, sich ohne Ausbildung zu etablieren?

Nein, ich habe alles durchs Machen gelernt, autodidaktisch und mithilfe meiner Mentoren und Begleiter – und in meinem Leben viel Glück gehabt.

Heute sind Sie so gut im Geschäft wie wenige andere Ihrer Kollegen. Wie wichtig ist es heute noch für Sie, besser zu werden?

Bitte, ich werde fürs Lernen bezahlt! Gerade jetzt bereite ich zwei Rollen vor. Einmal spiele ich Max Kruse, den Mann von Käthe Kruse. Er war ein Bildhauer. Deshalb beschäftige ich mich jetzt intensiv mit Bildhauerei. Danach spiele ich in einer Komödie einen Zahnarzt. Ich werde bald ein paar Tage in einer Zahnarztpraxis verbringen, um zu sehen, wie das eigentlich ist.

Dadurch wird man besser?

Das weiß ich nicht. Aber jedenfalls macht das etwas mit mir. Man muss ein irrsinniger Schwamm sein, so verstehe ich jedenfalls meinen Beruf. Ich möchte beobachten, aus mir herausgehen und das Leben anderer sehen, nicht immer mit derselben Frisur auftreten.

Sie sind ja auch sehr wandelbar.

Aber das ist ja irrsinnig schwierig! Gar nicht meinetwegen, sondern weil das Filmgeschäft nur auf Sicherheit setzt: Es wird ein Held gesucht – Schublade auf –, wir nehmen den da, weil der hat als Held schon einmal Erfolg gehabt. Dabei ist es so wichtig, viel auszuprobieren. Und es wird immer schwieriger, die Verbündeten zu finden, die dir das ermöglichen. Ich musste auch einen Schnitt machen, sonst wäre ich immer der junge Geliebte von Richterin Julia geblieben (Anm.: In der Serie „Julia – eine ungewöhnliche Frau“ spielte Karl an der Seite von Christiane Hörbiger).

Mutig, wenn man die nächste Rolle noch nicht in der Tasche hat.

Natürlich ist es leichter, wenn man schon ein Standing hat. Aber ich habe eines gelernt und verinnerlicht. Wenn man Schauspieler ist und zu einem Vorsprechen geht, muss man immer eines wissen: Ich bin ein Geschenk! Ich komme nicht mit leeren Händen. Ich bringe etwas mit, das kann dem Regisseur gefallen oder auch nicht. Aber wir Schauspieler sind keine Bittsteller!

Machen Sie heute noch Castings?

Ja, und ich finde das super. Ich möchte doch wissen, ob ich mit dem Regisseur zusammenarbeiten kann und will. Das ist wichtig. Ich werde ganz wahnsinnig, wenn Schauspieler so eine devote Haltung an den Tag legen. Und richtig böse werde ich, wenn auf einmal so ein Lehrer-Schüler-Verhältnis bei der künstlerischen Arbeit entsteht. Also ein Kollege den Regisseur mit dem Blick „Hab ich die Aufgabe eh richtig gemacht?“ anschaut.

Kommt man bei manchen Regisseuren nicht leicht in so eine Rolle?

Wenn mir das passiert, dann bin ich schlecht. Das weiß ich.

Und sagen Sie das dann auch?

Ich bin da introvertiert, still, arbeite mehr mit mir da drinnen. Ich habe gerade mit Niki Ofczarek gedreht. Der ist ganz anderes, der zuckt dann gleich aus, lässt alles raus. Wunderbar! Er braucht das. Vielleicht, weil er auch sehr viel Theater spielt.

Was hat das Theaterspielen damit zu tun?

Das ist so eine Beobachtung, die ich in den vergangenen Jahren beim Drehen gemacht habe. Leute, die auch viel Theater spielen, sind von ihrem Habitus viel extrovertierter als die, die vor allem Film und Fernsehen machen. Ich glaube, der Arbeitsprozess verläuft bei ihnen einfach ein bisschen anders.

Steckbrief

1967
wurde der Schauspieler Fritz Karl in Oberösterreich, Gmunden, geboren.

Nachdem Karl drei Semester am Max-Reinhardt-Seminar studiert hatte, brach er das Studium ab und spielte an freien Bühnen, dem Volkstheater und dem Theater an der Josefstadt.

1988
debütierte er in seiner ersten Fernsehrolle in der „Arbeitersaga“. In der Fernsehserie „Julia - eine ungewöhnliche Frau“ spielte er ab 1999 an der Seite von Christiane Hörbiger.

2006
gelang ihm mit dem Kinofilm „Wer früher stirbt, ist länger tot“ ein großer Erfolg. Heute zählt Karl zu den gefragtesten Schauspielern im deutschen Sprachraum. Der 47-jährige hat fünf Kinder, drei aus erster Ehe, zwei mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Elena Uhlig.

Herr Karl, darf man Sie auch fragen...


1... ob Sie Heimweh hatten, als Sie mit zehn Jahren zu den Sängerknaben nach Wien ins Internat gekommen sind?
Nein, gar nicht. Es hat dort zwar ein ziemlicher Drill geherrscht, aber darüber habe ich damals nicht nachgedacht.


2... wie es kam, dass Sie Sängerknabe wurden?
Meine Volksschullehrerin meinte, ich hätte eine schöne Stimme. Ich sang vor und wurde auch gleich genommen.

3... was Sie tun würden, wenn Sie auf einmal nicht mehr so gefragt wären wie heute?
Den Gürtel enger schnallen. Mein Vorteil ist, dass ich mein eigenes Instrument bin, meine Stimme, meine Mimik, mein Körper. Das heißt, ich kann alles machen, was ich gern tue: Lesungen halten oder am Theater mit meiner Frau ein Zweipersonenstück spielen. Dieser Beruf hat ja nichts mit dem roten Teppich und dem Gucci-Handtascherl zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2014)

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