Auf Spritztour ins Weltall

(c) AP
  • Drucken

Madrid. Der spanische Millionär und Losverkäufer Xavier Gabriel will als erster Spanier mit Richard Bransons Raumschiff in den Weltall reisen. Ein Gespräch.

Mit seinem dichten Schnurrbart und der Hornbrille wirkt Xavier Gabriel wie ein Rechnungsprüfer oder ein Volksschullehrer. Jedenfalls nicht wie ein Millionär. Von Beruf her ist der 51-Jährige Loshändler. Seine Lottoannahmestelle liegt an der Durchgangsstraße der 2000-Seelen-Gemeinde Sort in den spanischen Pyrenäen, 70 Kilometer von Andorra entfernt. Dort verkauft er unter dem Label „Die goldene Hexe“ seit 20 Jahren Lose für die spanischen Ziehungen.

Anfangs belächelt, was er denn in dem engen Pyrenäental suche, machte ihn die „goldene Hexe“ inzwischen berühmt. Seitdem in regelmäßigen Abständen die Hauptgewinne bei Gabriel einschlagen, gilt der Mann, der nur auf Marketing und Statistik vertraut, als Magier unter den Lottohändlern. Und Sort, was eigentlich Furt bedeutet, aber auch katalanisch mit Glück! übersetzt werden kann, ist längst ein Pilgerort der Glücksspieler. Aus Portugal, Osteuropa und Lateinamerika kommen seine Kunden, Geschichten gehen um vom Schäferhund, der mit einem mit Geld gefüllten Umschlag im Maul bei Gabriel Lottoscheine kaufte. Oder von den Zigeunern, die vor seinem Laden Drehorgel spielten, bis sie die 20 Euro für ein Zehntellos eingenommen hatten. Im Herbst, wenn die Saison für den „Dicken“ – den Jack Pot der spanischen Weihnachtslotterie – beginnt, säumen lange Schlangen von Loskäufern die Bürgersteige der Gemeinde.

Nun wird der Selfmademan Gabriel, der einst ein Reisebüro betrieb, in die Geschichte eingehen. 2009 plant er als erster Spanier die Teilnahme an einem kommerziellen Weltraumflug. Für 137.000 Euro wird er mit dem SpaceShipTwo des britischen Milliardärs Sir Richard Branson von New Mexico aus in den Orbit starten. „Meiner Frau habe ich den Plan ein Jahr lang verschwiegen“, sagt Gabriel. „Für den Fall, dass sie Angst bekommt.“ Inzwischen hat er bereits das dreitägige Trainingsprogramm für den Flug hinter sich.


Mit dreifacher Schwerkraft wird es 2009 in den Himmel gehen. Branson lässt derzeit in der kalifornischen Mojave-Wüste das Trägerflugzeug WhiteNightTwo fertig stellen, das SpaceShipTwo mit Platz für sechs Reisende und zwei Piloten in 15 Kilometer Höhe transportiert und dann ausklinkt. In wenigen Sekunden beschleunigt das Raumschiff auf Schallgeschwindigkeit und steigt auf bis zu 150 Kilometer – die offizielle Weltraumgrenze liegt bei 100 Kilometern –, wo die Passagiere rund vier Minuten lang in Schwerelosigkeit von Luke zu Luke gleiten und den Ausblick auf den blauen Planeten genießen können.

Nach einer Erdumrundung geht es zurück in die Atmosphäre und nach zweieinhalb Stunden ist der Weltraum-Ausflug vorbei. „Das ist der Beginn einer neuen Ära der Menschheitsgeschichte“, schwärmt Branson, Gründer des Platten- und Airline-Labels Virgin, der im Ballon den Atlantik überquerte und sich ein Ballon-Rennen mit dem inzwischen verschollenen US-Milliardär Steve Fossett lieferte.

Seit Jahren werkelt Branson zusammen mit der amerikanischen Flugzeugbau-Legende Burt Rutan an einem kommerziellen Weltraum-Gefährt. 2004 erhielt das Duo den 1996 ausgelobten Ansari-X-Preis: Der US-Unternehmer Peter Diamondis hatte jenem Team zehn Mio. Dollar versprochen, das als erstes ein privat entwickeltes und finanziertes Raumschiff mit Platz für zwei Passagiere zwei Mal in einer Woche ins All schickt. Rutans SpaceShipOne machte das Rennen und Branson vermarktet unter dem Label Virgin Galactic inzwischen sehr erfolgreich den Sternen-Ausflug: Die ersten 100 Passagiere erwerben den Beinamen „Gründer“ (Founders), die nächsten 900 heißen „Pioniere“ und alle weiteren sind einfache „Reisende“ (Voyagers). Den Beinamen erlangt man aber nicht nach Anmeldedatum, sondern nach Zahlungsmodalität: Die Founders müssen (wie Xavier Gabriel) die 137.000 Euro für das Ticket sofort überweisen, die Pioniere zumindest die Hälfte anzahlen, der Rest zehn Prozent.

Dazu lockt der offizielle Titel „Astronaut“, griechisch „Sternenreisender“, für die persönliche Biografie. 40.000 Anfragen, heißt es, lägen Branson vor, immerhin 200 Reservierungen sind fixiert. Das erstaunt nicht, denn der Branson-Tarif nimmt sich im Vergleich zur klassischen Raumfahrt wie das Ticket einer Billig-Airline aus.

Der US-Amerikaner Dennis Tito zahlte 2001 noch 24 Mio. Euro für den Ausflug zur Weltraumstation ISS. SpaceShipTwo soll dann auch einmal pro Woche starten. Später rechnet man mit zwei Flügen pro Tag.

Für Gabriel ist der Ausflug mit Virgin Galactic nur die Fortsetzung seiner Lebensphilosophie: „Ich habe nie studiert“, sagt er. „Jeder meiner Erfolge ist nur dadurch begründet, dass ich dorthin ging, wo sich sonst niemand hintraute.“

AUF EINEN BLICK

Der Millionär und Losverkäufer Xavier Gabriel, 51, will als erster Spanier der Welt eine Reise ins Weltall machen. Er wird 2009 mit dem Raumschiff SpaceShipTwo von Milliardär Richard Bransonin den Weltraum fliegen.

Dauer: ca. zwei Stunden

Kosten: ca. 140.000 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.