Gabalier: (Vielleicht) der geilste Fehler

Andreas Gabalier
Andreas GabalierAPA/EPA/KARL-JOSEF-HILDENBRAND
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Statt eines Shitstorms und Aufruhrs erntete Andreas Gabaliers tochterlos gesungene Hymne in einer Umfrage von Ö3 überraschend viel Zustimmung. Das Frauenbild des Volks-Rock'n'Rollers ist trotzdem ziemlich daneben.

Die Welt, in der wir leben, ist unsicher geworden. Das ist auf vielen Terrains zu bemerken. Sogar auf der Wiener Wiesn, wo man strikt Traditionelles erwarten könnte. In der flach gelegten, dafür um so schickeren Almhütte Rosi, der Außenstelle von Rosi Schipflingers legendärer Sonnberg Stuben, tummelten sich im Vorjahr viele „falsche“ Dirndln. Ob das echte Transsexuelle waren oder vielleicht bloß Travestiekünstler, wer weiß das schon?

Ein Andreas Gabalier gibt sich da pragmatisch. Solange das mit dem Balkon stimmt, ist Dirndl einfach Dirndl. Mitsingen muss es, die Maß stemmen und fidel sein. Das sind die Sachen, auf die es im ländlichen Festzelt, diesem Habitat der singenden und klingenden Heimatschützer, ankommt.

Die kleinen „modernen“ musikalischen Zutaten in seiner Musik lenken nicht davon ab, dass in Gabaliers Liederbuch einem sehr traditionellen Frauenbild gehuldigt wird. Grob wird da in „Zuckerpuppen“ und „Saubartln“, „Sweet Little Rehleins“ und „Dirndln“ unterschieden. Wenig überraschend sind sie alle begehrenswert. Zitat: „Wenn Zuckerpuppen, kess mit dem Schulterblattl zuckn, muasst sie zuwadruckn oder gehen“: Grundlos ist es also nicht, wenn ein Gros der Fans den Sängernamen wie „Kavalier“ ausspricht. Nur eben mit einem G zu Beginn.

Volks-Rock'n'Roll-Show

Freund und Feind trauen ihm viel zu. Die einen meinen, er tauge zur Rettung der Nationalhymne in klassischer Gestalt, die anderen argwöhnen, dass die Pose Gabaliers auf dem Cover seiner Erfolgs-CD „Volks-Rock'n'Roller“ ein Hakenkreuz darstelle. Viele sehen in ihm einen Exponenten progressiver Strömungen der volkstümlichen Musik. Ein Lied wie der neue Hit des Nockalm-Quintetts „Du warst der geilste Fehler meines Lebens“ ist ohne die Vorarbeit Gabaliers kaum vorstellbar.

Anderen gilt Gabalier aber als reaktionärer Beelzebub und FP-Sympathisant. Für sein aktuelles Album „Home Sweet Home“ internationalisierte Gabalier die bei Städtern eher übel beleumundete Heimatliebe etwas. Mit amerikanischen Countrymusikern spielte er seinen Megahit „I sing a Liad für di“ in Nashville nochmals ein. Die urig gehäkelte Melodie erschreckte dort niemanden, stammen die Musikanten doch aus der Welthauptstadt des Backwood, wie der Hinterwald in den USA heißt. Dieser beherbergt alles, was wir davon hierzulande kennen. Nur größer.

Es ist anzunehmen, dass solche Erfahrung in der Weite der provinziellen Fremde aufs Gemüt abfärbt. Auch wenn die Welteroberungspläne vorerst auf Deutschland und die Schweiz begrenzt sind, man darf es nicht minder schätzen, dass sich eidgenössische wie deutsche Fernsehanstalten darum reißen, gemeinsam mit dem ORF eine Musiksendung namens „Gabalier – Die Volks-Rock'n'Roll-Show“ auf die Schirme zu bringen.

Die Feuerprobe hatte er in der vom Privatsender Vox produzierten Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ bestanden. Gabalier erwarb sich mit seinem drolligen Schmäh viele Sympathien. Bekannte Kollegen wie Xavier Naidoo, Sasha und Roger Cicero sangen sich in ihrem jeweiligen Stil durchs Repertoire des Steirers. „Ulala, a so a schena Tog“ jubilierten die Stars abwechselnd soulig, rockig und jazzig. Revierkämpfe wie bei der gemeinen Wildsau oder beim hochbeinigen Fluchtwild kamen keine auf. Ganz anders jüngst in der „ZiB 24“, als zur Konfrontation mit Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat geladen wurde. Der Anlass war heikel. Gabalier sang beim Formel-1-Grand-Prix in Spielberg die Hymne ohne die 2011 eingefügten „Töchter“, also genau so, wie sie 1946 von Paula Preradović ersonnen wurde. Trotz beinharter Auseinandersetzung, die bis zur Erörterung der Funktionstüchtigkeit des Volksrock'n'roller-Schließmuskels ging, obsiegte Gabalier.

Stimme des Volkes

Political Correctness und Stimme des Volkes, das ist eben selten eines. Da mochte Heinisch-Hosek anderntags noch so laut „Macho!“ schreien, es half alles nichts. Das Resultat einer Ö3-Umfrage zum Thema geriet für Freunde des freihändigen Genderns zum Fiasko. Gabalier hat es mit gebotener Süffisanz auf seine Homepage gestellt: 90,65 Prozent der Hörerinnen und Hörer finden den alten Text durchaus in Ordnung. Sind wir am Ende doch das „Land der Hämmer, zukunftsreich?“

Steckbrief

1984 in Graz geboren.

2009 gastiert er im „Musikantenstadl“. Sein Debütalbum „Da komm' ich her“ schafft 2010 Platz 4 in den Charts. Das zweite Album „Herzwerk“ blieb 74 Wochen in den Top Ten. Nur Jacksons „Thriller“ verweilte länger. DJ Ötzi coverte „I sing a Liad für di“, erst danach wurde es auch für Gabalier zum Erfolg.

2013 nimmt er sein viertes Album „Home Sweet Home“ auf: Platz 1 in Österreich, Platz 4 in Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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