Austellung: Von Kopftuch und Badeanzug

Bettina Patermo
Bettina Patermo(c) Patermo
  • Drucken

Malerin Bettina Patermo zeigt in einer Ausstellung, wie Kopftücher wirken. Dafür hat sie sie selbst getragen – und ging sogar verschleiert baden.

Eigentlich, sagt Bettina Patermo, funktioniert ihr Katalog wie ein Daumenkino. Sie lässt die Seiten aufblättern: Eine Frau in weißem Shirt und Jeans legt sich ein Tuch ums Gesicht, bindet es, legt ein zweites darüber, bis sie voll verschleiert ist. Das letzte Bild hat mit dem ersten vermeintlich nichts mehr zu tun. Dabei ist es die gleiche Frau – Bettina Patermo.

„Different ways to wear a headscarf“ heißt die Ausstellung, die die Malerin und Grafikerin derzeit in der Singerstraße zeigt. Es ist ein heißer Sommertag, Patermo trägt ein luftiges Kleid und erzählt von ihren Reisen nach Indien, Sri Lanka, in die Vereinigten Arabischen Emirate. Vor allem in Abu Dhabi habe sie Frauen in Vollverhüllung ins Wasser gehen gesehen. „Das hat mich als Beobachterin befremdet.“ Sie steht auf, um zu demonstrieren, was sie meint: „Wenn man aus dem Wasser kommt, dann klatscht die Kleidung ja überall am Körper fest. Und man sieht in Wahrheit viel mehr als sonst.“

So begann die erste Serie, „different ways to take a bath“ (ab August im Künstlerhaus), für die Patermo in verschiedenen Ländern Frauen am Strand beobachtete, normale Frauen, „keine Models“. Nicht tierisch ernst zu nehmen sei ihre Arbeit, „ein bissl Koketterie“ sei durchaus dabei. Die Urlauberin mit Tschick in Fuerteventura, Muschelsucherinnen mit nicht mehr gertenschlanker Figuren in riesigen Badeanzügen, Badende in Sri Lanka am Strand. Speziell dort, sagt sie, sei ihr aufgefallen, wie unkompliziert sich verhüllte Muslimas und Frauen im Bikini mischen können. „Es war schön, man hat plötzlich keine Berührungsängste mehr.“

Als dann in Wien wieder einmal die Kopftuchdebatte aufflammte, hatte sie ein Schlüsselerlebnis – als vor ihrem Atelier, das damals an der Mariahilfer Straße lag, ein Taxifahrer zwei voll verschleierte Touristinnen unter wüsten Beschimpfungen nicht in sein Auto steigen ließ („Scheiß Fetzenweiber, schleicht's eich ham!“). „Ich war so beschämt“, berichtet Patermo, „ich dachte, ich halte diese Vorurteile nicht mehr aus.“ Erst einmal ging die temperamentvolle Künstlerin den Taxifahrer an, dann beschloss sie, selbst auszuprobieren, wie man sich mit Verschleierung fühlt.

Sie kaufte einen Niqab, der nur die Augen frei lässt, wanderte die Einkaufsstraße auf und ab. „Die Leute machen einen Bogen“, konstatiert sie, gleichzeitig sei das Gefühl nicht unangenehm. „Es ist egal, ob man gerade ein Wimmerl hat oder einen dicken Bauch.“ Ihre aktuelle Bilderserie zeigt nun, was man alles mit einem Kopftuch anfangen kann. Es unter dem Kinn binden wie ihre Großmutter, die Angst um die Dauerwelle hatte. Es am Hinterkopf binden, eine Sonnenbrille dazu aufsetzen. Auch das hat sie in der Öffentlichkeit ausprobiert – und staunte ob der Reaktion auf das vermeintlich Mondäne. „Das Projekt soll nicht idealisieren oder moralisieren, sondern zu einer Bestandsaufnahme der eigenen Werthaltung anregen“, sagt Patermo. Ganz bewusst zeigt sie sich in jedem Bild selbst.

Künstlerin übernimmt die Galerie

Und sie verkauft sie auch selbst: Von der Galerie in der Singerstraße wurde die Malerin und Grafikerin früher vertreten, doch der aktuelle Galerist Thomas Mark spezialisierte sich auf minimalistische Kunst. „Was ich so richtig gar nicht bin.“ Weil ihm das aktuelle Projekt trotzdem gefiel, bot er ihr statt Vertretung einfach die Galerie an: Während er urlaubt, zeigt sie hier ihre Bilder. Sie hat sich schon erkundigt: Ab Mitte Juli kommen die muslimischen Touristen. Schon jetzt hätten einzelne neugierig beim Fenster hereingeschaut. „Ich bin gespannt auf die Reaktionen.“

Wie sie selbst nun zum Kopftuch steht? „Ich bin mir nach wie vor nicht sicher. Aber ich glaube, man hat viel zu schnell eine Schubladenmeinung.“ Befremdet sei sie immer noch, wenn eine Frau samt Gewand ins Wasser geht. Das hat sie auch selbst ausprobiert: „Entsetzlich, man hat nichts mehr gesehen. Aber da können wir nichts machen, da müssen die Frauen selbst auf die Barrikaden gehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.