Die Depression mit Humor nehmen: „Die Basis von Stand-up-Comedy“

Oliver Polak
Oliver Polak (c) imago/Future Image (imago stock&people)
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Mit unkorrekten Scherzen über seine jüdische Identität in Deutschland wurde Oliver Polak berühmt. Nun scherzt er über seine eigene Erkrankung.

Er darf das, könnte man meinen. Sein Innerstes nach außen kehren, nämlich. Und auch noch Scherze darüber machen. In seinem neuen Buch „Der jüdische Patient“ schreibt Oliver Polak über seine schwere Depression, die ihm zwei Monate Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik bescherte. Und er lässt dabei kaum ein Detail aus, von Gedanken an Selbstmord, von Psychopharmaka und Gesprächstherapie bis zu Einblicken in sein Sexual- und Familienleben. Doch für den deutschen Comedian ist das nichts Besonderes: „Es war keine Überwindung nötig“, sagt er zur „Presse“, „das ist die Basis von meinem Stand-up.“

Die eigene Depression als Basis für ein humoriges Buch – doch von Schenkelklopfen ist Polak weit entfernt. Vielmehr geht er mit großer Offenheit an das Thema heran. Nur kann er sein Dasein als Comedian dabei nie abschütteln und lässt mitten in traurigen und tragischen Momenten plötzlich eine Portion schwarzen Humors los. Das gehört zu seinem Verständnis davon, wie Unterhaltung funktionieren muss – und wie er sie bei vielen Komikern in Deutschland häufig vermisst: „Dem Komiker ist es wichtiger, sich anzubiedern, als Leute zum Lachen zu bringen. Es geht um nichts.“

Scherzen über den Holocaust

Einige gebe es, mit denen er etwas anfangen könne. Unter anderem auch mit Österreichern: „Stermann und Grissemann sind die besten Komiker im deutschsprachigen Raum, denn sie haben Wärme und Respekt. Leute wie sie oder Josef Hader sind gut. Die meisten anderen sind immer nur auf Zustimmung aus.“ In eine ähnliche Kerbe will Polak mit seinem Humor schlagen. Er will verstören, will über den Weg der Comedy auch unangenehme Themen behandeln. So wie er es in seinem ersten Buch „Ich darf das, ich bin Jude“ getan hat. Mit Scherzen über den Holocaust, zum Beispiel. Scherze, die das Publikum oft irritieren – wie kann man dann über so etwas lachen. Oder: Darf man das denn überhaupt? Genau das will Polak auch erreichen.

Auch, wenn er damit oft das verletzt, was unter Political Correctness verstanden wird – ein Begriff, den Polak in seiner Verwendung nicht akzeptieren will. „Die Political Correctness in Deutschland ist eine Farce. Sie wird als Argument verwendet, sich mit einem Missstand nicht auseinandersetzen zu müssen.“ Einen Grund dafür, dass er mit seinen Witzen die Menschen oft verstört hat, sieht er unter anderem auch darin, dass er lange vor dem falschen Publikum gespielt hat. Auf Kabarettbühnen, nämlich. Dort, so meint er, habe das Publikum Erwartungen gehabt, die er nicht erfüllen wollte. Dass er den jüdischen Zirkusclown macht, irgendwo im Stil eines Woody Allen. Immer lustig, ein bisschen jüdisch – aber doch nicht so. Polak fühlte sich zunehmend missverstanden – so wie Udo Jürgens immer wieder als Schlagersänger gesehen wird, obwohl er doch eigentlich ein Chansonnier sei.

Immer mehr begann ihn diese Rolle zu zerfressen, er stürzte in eine tiefe Depression. Bis er eines Tages nicht mehr konnte – und sich in eine psychiatrische Klinik einweisen ließ. Es folgten acht Wochen Wassergymnastik, Gesprächsgruppen und starke Medikamente. Und mit der Therapie wuchs auch das Bewusstsein dafür, warum er in diese Spirale geraten war: wegen seines stressigen Lebens in dem gesellschaftlichen Klima gegenüber Juden, des alltäglichen Rassismus, wie er ihn in Deutschland erlebte. Und noch viel mehr litt er darunter, wie die Menschen reagierten, wenn er in seinen Shows Missstände in Form von Comedy aufzuzeigen versuchte.

„Krankes Schwein“

Polak arbeitet mittlerweile wieder, geht mit seinem Programm „Krankes Schwein“ auf Tournee und hält Lesungen aus seinem Buch. An seinem Verständnis von Humor – einem schwarzen, den viele als unkorrekt bezeichnen, hat sich aber nichts geändert. Er will auch weiter Dinge sagen, die betroffen machen – und über die man trotzdem lachen kann. Auch, wenn er damit anecken sollte. „Das Problem ist“, meint er, „dass die Deutschen Humor nicht verstehen.“

ZUR PERSON

Oliver Polak (geb. 1976) ist seit 2006 als Stand-up-Comedian im deutschsprachigen Raum unterwegs. Bekannt wurde er 2008 durch sein Buch „Ich darf das, ich bin Jude“, in dem er sein Leben als Jude in Deutschland mit schwarzem Humor verarbeitet. Sein neues Buch „Der jüdische Patient“ (KiWi; 10,30 Euro) dreht sich um seine Depressionserkrankung. Am 4.Dezember liest er aus dem Buch im Wiener Rabenhof-Theater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2014)

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