Kunst unter der Brücke: Mit der Kamera am Donaukanal

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Vier junge Fotokünstler laden im Rahmen des Monats der Fotografie, zu einem Projekt unter die Marienbrücke. Und feiern damit zumindest einen bürokratischen Erfolg.

Der Wind ist schneidend kalt, alle paar Minuten rattert direkt neben einem die U-Bahn durch, hie und da trägt der Wind einen Hauch von Urin vorbei. Gemütlich ist anders, aber gemütlich haben es sich die vier Studenten aus der Fotoklasse der Angewandten wohl auch nicht vorgestellt. Nachdem es für junge Künstler immer schwierig sei, Galerien oder Offspace-Orte aufzutreiben, erklärt das Quartett, habe man sich dafür entschieden, sprichwörtlich unter der Brücke auszustellen. Weshalb sie nun, zum Start des europäischen Fotofestivals „Eyes on – Monat der Fotografie“ mit weißer Farbe, Spraydosen, Bilderrahmen und Skateboard bewaffnet unter der Marienbrücke stationiert sind.

Wobei man sagen muss: Das ist nicht nur Koketterie mit den künstlerischen Startschwierigkeiten, sondern auch Konzept. Sie habe sich intensiv mit der Idee des White Cube auseinandergesetzt, sagt Maria Porsch, dick angezogen und mit ein paar Farbspritzern im Gesicht. Also mit jener Form der gängigen Kunstpräsentation, die seit den 1920ern die opulenten Rahmen in belebten Salons ersetzt hat. „Damit hat sich das Bild aber auch von den Menschen, von der Gesellschaft entfernt.“ Mit dem Ausstellungsort auf Schwedenplatzhöhe am Donaukanal ist man nun wieder mitten unter der Bevölkerung – „ich bin selbst auf meinem früheren Arbeitsweg immer hier vorbeigekommen“, sagt die 30-Jährige. Der White Cube bleibt: Jeden Tag wird sie die Arbeit des Vortags übermalen, oder auch das, was Sprayer daraus gemacht haben.

Für alles ein eigenes Amt

Allerdings, Cube ist dabei ein wenig übertrieben, denn der Boden bleibt grau. Dafür hätte man nämlich die Genehmigung einer weiteren Magistratsabteilung gebraucht. Die Vorstellung, unter der Brücke leichter an Ausstellungsraum zu kommen, habe sich ob der vielen Behördenwege ad absurdum geführt. Mitunter sei man erst an der dritten Instanz gescheitert: „Da hieß es dann: Nein, da sind Bauarbeiten.“

Nicht immer allerdings waren die Erlebnisse mit der Wiener Bürokratie negativ. Einmal habe sie einem Mitarbeiter entnervt erklärt, sie gebe jetzt auf, berichtet Maria Porsch. Worauf der Beamte protestierte. „Er fand das Konzept toll und hat erklärt, er hilft uns. Er hat Vorschläge gemacht und für uns recherchiert.“

Etwas vorsichtig sei man auch bei „Eyes on“ dem Outdoor-Projekt begegnet, das noch dazu einen sehr weiten Begriff von Fotografie verfolgt. So versucht Peter Hoiß, dem mathematischen Ideal der geraden Linie nahezukommen. Er malt schwarze Streifen durch die lokalen Graffitibilder. Da das mit freier Hand nicht geht, hat er in vierwöchiger Tüftelei ein System entwickelt, bei dem er sich von gespannten Gummibändern auf einem Skateboard ziehen lässt. Bastian Schwind dokumentiert die Vorgänge: Jeden Morgen macht er ein Foto, das wenig später dort im Rahmen hängt. Die Klammer bildet das Vergehen der Zeit: Zum Jubiläum „175 Jahre Fotografie“ hat Christian Kurz, der Vierte im Bund, ein Bild vom Donaukanal auf einem Glasnegativ aufgetrieben, „bei einem Postkartenhändler im achten Bezirk“. Das wird als Poster aufgehängt. „Man steht dabei genau auf dem Grund, den man auf dem Foto sieht.“

Das passt wiederum gut zum alle zwei Jahre stattfindenden „Monat der Fotografie“: Unter den Themen habe sich heuer jenes der Erinnerung herauskristallisiert, heißt es seitens der Veranstalter. Insgesamt sind 650 Künstler ins 175 Ausstellungen zu sehen. Dort zeigen die vier von der Brücke auch klassische Fotoarbeiten, Peter Hoiß etwa finnische Schornsteine. Er ist der Spätstarter hier, hat elf Jahre im Textildesign gearbeitet – und für Mercedes oder Porsche Autositzmuster entworfen.

Auch die anderen kennen das „echte Leben“. Maria Porsch arbeitet als Literaturwissenschafterin in einem Verlag, Kurz im Filmarchiv, Bastian Schwind verdient sein Geld als Liftboy im Donauturm. Nicht ungern: „Es schafft den Abstand, den ich brauche.“ Ziel wäre für alle freilich ein Leben durch die Kunst. Es sei die Neugier, die sie treibe, sagt Porsch. „Weil ich so gern viel mehr verstehen würde von der Welt. Aber das Gefühl habe, dass ich gar nichts versteh.“

AUF EINEN BLICK

„Sorry, we're open“ heißt das Projekt von Peter Hoiß, Christian Kurz, Maria Porsch und Bastian Schwind, das von heute, Dienstag, bis Freitag unter der Marienbrücke am Donaukanal stattfindet. Performance täglich um elf und um 18 Uhr, heute mit Punsch.

„Eyes on – Monat der Fotografie“ findet alle zwei Jahre statt und lädt im November in Galerien, Museen, Bibliotheken und den öffentlichen Raum. Heuer gibt es mehr als 650 Künstler in 175 Ausstellungen zu sehen, den Auftakt macht die Schau „Memory Lab“ im MUSA. www.eyes-on.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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