Reese Witherspoon: "Werde die Rolle nie ablegen"

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Oscar-Preisträgerin Reese Witherspoon krempelt in „Der große Trip – Wild“ ihr Image um. Im Interview spricht sie über die strapaziösen Dreharbeiten zur Wanderung über den Pacific Crest Trail und die Hoffnung, damit "Menschen zu helfen, eine harte Zeit zu überstehen".

Blutig gelaufene Zehen und blaue Flecken am ganzen Körper, Heroinspritzen und Sex mit Fremden: So kennt man Hollywoods Leinwandblondine Reese Witherspoon („Natürlich blond“) noch nicht. Mit ihrer mutigen Tour-de-Force in „Der große Trip – Wild“ (seit Freitag im Kino) als ehemalige Heroinsüchtige, die sich auf einen extremen Fußmarsch begibt, krempelt die 38-jährige Oscar-Preisträgerin ihr Image um.


Was war Ihnen an dem Buch „Der große Trip“ so wichtig, dass Sie die Rechte kauften, den Film produzierten und einen strapaziösen Dreh auf sich nahmen?

Reese Witherspoon: Der Roman hat mir so viel bedeutet. Er beschreibt die Reise einer Frau, die mit sich und ihrem Leben ins Reine kommen will. Meine Agentin hat mir „Wild“ geschickt, ich habe es innerhalb von 24 Stunden gelesen – und war baff. Ich hatte das Gefühl, die Autorin Cheryl Strayed durch und durch zu kennen, ihre intimsten Gedanken und Ängste – obwohl ich ihr nie begegnet war.


Haben Sie lange überlegt, ob Sie die Rechte an dem Buch kaufen sollen, das in den USA ein Bestseller wurde?

Nein. Ich habe Cheryl gleich am nächsten Tag ausfindig gemacht und angerufen. Schon bei diesem Telefonat habe ich ihr mein Wort gegeben, dass ich ihr Leben bestmöglich auf die Leinwand bringen würde. Und dass sie auch gar nicht lange auf den Film warten muss, wenn sie mir die Rechte überlässt. Oft liegen die Rechte ja jahrelang in Hollywood herum, ohne dass etwas passiert. Sie hat eingewilligt.


Kamen Sie mit ihr persönlich auch so gut zurecht?

Ja, wir verbrachten viel Zeit miteinander, um das Drehbuch zu entwickeln. Während des Drehs war sie auch jeden Tag am Set, bis auf die Szene, als ihre Mutter starb. Das ging ihr zu nahe.


Stimmt es, dass Sie beim Dreh einen echten Rucksack mit 30 Kilo Gewicht schleppten?

Ja. Ich dachte, man würde mir den Rucksack mit Zeitungspapier ausstopfen. Aber Regisseur Jean-Marc Vallée sagte sofort: „Warum wirkt dein Rucksack so leicht?“ Ich antwortete: „Ich spiele es später so, als ob er schwer wäre.“ Aber er war dagegen. „Nein, der muss tatsächlich schwer sein. Sonst ist es nicht überzeugend.“ Ich dachte erst, der Mann macht Witze.


Machte er aber nicht.

Ich muss aber zugeben, dass er recht hatte. Denn die Last hat meinen Gang komplett verändert, die Striemen auf meiner Schulter sahen anders aus, und ich wurde schneller müde – was man mir auch ansah.


Die Rolle muss emotional und physisch sehr anstrengend für Sie gewesen sein. Konnten Sie das nach Drehschluss einfach so abschütteln?

Ich war abends schon ganz schön müde, gerade die emotionalen Szenen haben mich geschlaucht. Die Rolle abzuschütteln gelang gar nicht mehr – kaum war ich zuhause, schlief ich auch schon ein. Aber so ganz ablegen werde ich diese Rolle wohl auch nie. Doch das ist ja das Schöne an einem Film: In den nächsten Jahren werden immer wieder Menschen diesen Film für sich entdecken und mit mir darüber reden wollen. Das ist für mich als Schauspielerin das größte Geschenk.


Sie bekamen für diese Rolle eine Oscar-Nominierung. Wie gehen Sie damit um?

Wenn ich ein Projekt beginne, dann denke ich nie an die Preise, die es vielleicht bekommen könnte. Mein Ziel war, Cheryls Geschichte mit diesem Film zu ehren. Ich hoffte, dass meine Darstellung ihr gefällt. Cheryls Zustimmung war mir wichtiger als jede Nominierung. Als ich dann neben ihr im dunklen Vorführraum saß, war ihre positive Reaktion der wichtigste Applaus, den ich je bekommen habe. Wenn ich mit diesem Film nur einem Menschen helfen kann, eine harte Zeit zu überstehen, dann macht mich das selig.


Welcher Teil Ihres Lebens wäre der Stoff für eine gute Geschichte?

Da gäbe es schon so einige Ereignisse, die einen guten Stoff abgeben würden, doch von diesen erfährt man hoffentlich erst, wenn ich nicht mehr unter den Lebenden weile. (lacht)


Müssen Schauspieler eigentlich gute Lügner sein?

Natürlich. Schauspieler müssen sogar großartige Lügner sein. Wobei es da einen enormen Unterschied gibt, ob man gut lügen oder eine Lüge nur gut vortragen kann.

Steckbrief

1976 wurde Reese Witherspoon in New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana geboren.


1998 gelang ihr der Durchbruch mit dem Film „Pleasantville“. Es folgten weitere Kassenschlager wie „Eiskalte Engel“, „Natürlich blond“ und „Sweet Home Alabama“.

2006 bekam sie für ihre Rolle in „Walk the Line“ den Oscar als beste Hauptdarstellerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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