Von Heldenplatz bis Kottan: Bibiana Zellers Tagebuch

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bibiana Zeller erzählt in ihrem Buch offenherzig von ihren Ängsten und Selbstzweifeln. Und von ihrer langen Karriere auf der Bühne und im TV.

Es war ein Tag im März 1938, als Bibiana Zellers Vater sie und ihre drei Geschwister mit auf die Mariahilfer Straße nahm, wo die Menschenmassen dem vorbeifahrenden Adolf Hitler zujubelten. Wilhelm Zeller sah seine Kinder an und sagte: „Da machen wir nicht mit, gell!“

Da war Bibiana Zeller gerade zehn Jahre alt und „es war der Tag, an dem meine Kindheit endete“, wie es in ihrer Biografie mit dem offenherzigen Titel „Bitte lasst mich mitspielen!“ heißt. Bis heute erinnert sie sich an die Schreie aus den Kellern im ersten Bezirk, in denen Juden eingepfercht auf ihren Abtransport warten mussten.

Zwischen damals und heute liegen viele Jahrzehnte und hunderte Theater- und Filmrollen. Bibiana Zeller ist im Februar 87 Jahre alt geworden. Sie könne es immer noch nicht glauben, sagt sie in ihrer Wohnung in der Josefstadt, in der sie Mozartkugeln und Mannerschnitten für den Besuch hergerichtet hat, dass sich viele Menschen für ihre Lebensgeschichte interessieren. Eben habe der Verlag angerufen, das Buch sei nun in der Bestsellerliste.

Zeller kichert zwischendurch und klingt dabei immer noch wie ein junges Mädchen. Ein Image, mit dem sie durchaus zu kokettieren scheint. „Immer gebe ich mich alberner als ich wirklich bin“, ist in ihrem Buch zu lesen, das die Journalistin Marina C. Watteck basierend auf Zellers Tagebucheintragungen verfasst hat. Jahrzehntelang hat Zeller Tagebuch geführt, nicht viele Schauspieler würden diese Einträge, die häufig von Selbstzweifeln, von der Angst, zu schlecht zu spielen, zeugen, mit der Öffentlichkeit teilen.

Seit 1972 an der Burg

Erlebt hat Zeller viel. 1945 hat sie eigenständig mitgeholfen, die Trümmer des zerbombten Burgtheaters wegzuschaffen („Ich war dem Theater immer körperlich verbunden“) und davon geträumt, einmal selbst dort auf der Bühne zu stehen. Gelungen ist ihr das – nach ersten Erfolgen im Theater in der Josefstadt und auf deutschen Bühnen – 1972, als sie für die erkrankte Gusti Wolf einspringen durfte. „Das sind diese Glücksmomente, die entscheiden, wie es weitergeht“, sagt Zeller. Ein „winziges Röllchen“ zwar nur, aber es sollte der Beginn einer langen Ära sein: Bis heute ist Zeller an der Burg (das nächste Mal allerdings erst 2016 auf der Bühne), wenn auch nur als Gastschauspielerin.

Mehrere Direktoren hat sie erlebt, Klaus Bachler war ihr der liebste, weil er „mir so viele Möglichkeiten gegeben hat“. Unter Claus Peymann lief es für sie weniger gut, „er hat mich kaum besetzt, ich durfte in dieser Zeit aber auch keine Fernsehangebote annehmen“. Trotzdem blickt sie nicht negativ auf diese Zeit zurück, „ er ist ein so gescheiter Mann, aber sehr, sehr verrückt“. (In ihrem Tagebuch notierte sie damals, Peymann sei „ein Despot unbeschreiblichster Art“.) Bei den Proben, erzählt Zeller, durfte niemand zusehen, Peymann ließ die Türen mit Seilen versperren.

Zeller war auch 1988 als Frau Liebig in der Uraufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ zu sehen. Heute, glaubt sie, würde das Stück nicht mehr so viel Aufsehen erregen wie damals. „Die Politik ist so beiläufig geworden, was aber in einer Demokratie nichts Schlechtes ist.“

An einer weiteren Skandalproduktion, diesmal im Fernsehen, war sie ebenfalls beteiligt: In „Kottan ermittelt“ spielte sie Kottans Ehefrau. Die Serie löste Empörung in der Bevölkerung aus, weil die heilige Institution Polizei ins Lächerliche gezogen wurde. Die Schauspieler wurden auf der Straße angespuckt. Wie geht man damit um? „Ausweichen, so gut es geht“, sagt Zeller und kichert wieder.

„Die berühmteste Nebendarstellerin des Burgtheaters“ nannte sie das „Profil“ einmal und ganz falsch ist das wohl nicht. Auch weil sie sich, wie im Buch nachzulesen ist, nicht mehr zugetraut hat: Immer wieder hat sie größere Rollen an Gusti Wolf abgetreten und sich selbst mit kleineren begnügt.

In Kürze fliegt sie für Dreharbeiten nach Stuttgart. „Ich spiele eine 91-Jährige, die im Garten sitzt und nichts redet. Ich habe im ganzen Film nur fünf Sätze und die soll ich im litauischen Dialekt sprechen.“ Als sie jung war, hat sie sich vor dem 60er gefürchtet, heute kann sie darüber nur lachen, steht in ihrem Buch: „Jetzt lebe ich mit dem Alter schon recht lang, und wir haben uns angefreundet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

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