Die Stadt als Krimikulisse: Mit Kottan in der Straßenbahn

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der alte „Inschpekta“ kommt zurück nach Wien: Mit Performances entlang der Straßenbahn wird die Stadt zur Filmkulisse.

Manchmal wundert man sich in Wien ja. Ist das real, spielt da einer, oder bin ich jetzt beim alten Kottan? In den kommenden Wochen könnte es einem zumindest zu gewissen Zeiten und entlang einiger Straßenbahnstationen so vorkommen, und dabei könnte es tatsächlich mit dem Kultinspektor zu tun haben. Medienkünstler Oliver Hangl inszeniert die alte „Kottan“-Folge „Räuber und Gendarm“ auf Wiens Straßen zwischen Matzleinsdorfer Platz und Ottakring – die genaue Strecke will er nicht verraten – und lässt sein Publikum in einem Sonderzug daran vorbeifahren.

Was ist inszeniert, was ist Alltag der Straße, was Zufall? Das soll, so sagt Oliver Hangl, nicht so leicht erkennbar sein. Immerhin sei es keine Schnitzeljagd, kein Abfahren von Szenen entlang einer Strecke. Stattdessen spielen Stadt und Inszenierung zusammen. Der alte Film – das Publikum hat den Originalton der Folge im Ohr, leicht geschnitten, bearbeitet und ergänzt von Kommentaren à la Audiodeskriptivservice für Blinde im TV. Und so passiert man während der gut einstündigen Fahrt mehr als 70 Szenen.

„Viele sind als solche aber nicht erkennbar“, sagt Hangl. Andere wieder sind so skurril – die abgerissene Autotür, zum Beispiel – dass man weiß, das gehört zum „Kottan“. Der alte Film füge sich, so sagt es Künstler Hangl, „lustvoll ein“, Passanten werden zu Darstellern, die Stadt zur Kulisse, die Straßenbahn zum Kinosaal. Allein das Publikum, das mit Kopfhörern im Zug sitzt, muss herauslösen, was ist Wien, was ist Kottan.

Die Filmperformance, die im Rahmen des „Wir sind Wien“-Festivals nun zehnmal in Wien inszeniert wird, ist bereits die sechste „Kino im Kopf“-Produktion: Zuvor hat Hangl zum Beispiel „Komm süßer Tod“ in Wien oder „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ in Graz auf die Straße als Bühne gebracht. Es ist das Spiel mit Wahrnehmung, das Verschmelzen von Realität und Inszenierung, die ihn daran reizt. Dass in jedem Kopf ein eigener Film entsteht, das Spiel mit der Realität, Dramaturgie und Zufall – schließlich weiß niemand, wie Verkehr oder die Passanten bei jeder einzelnen Inszenierung mitspielen. Hangl selbst sitzt während dieser Fahrt dazu vorn neben dem Fahrer, mischt die Tonspur live, je nach Tempo und eventueller Hindernisse entlang der Strecke. So ergebe sich, erzählt Hangl, jeden Tag etwas anderes, wie sich schon bei den Proben mit mehr als 60 Darstellern und Statisten, die entlang der Strecke im Einsatz sind, gezeigt habe.

Allein im eigenen Kopfkino

Das „Kino im Kopf“ ist nicht die erste Produktionsreihe, bei der sich Hangl mit der Interaktion von Inszenierung und öffentlichem Raum befasst, bei der es darum geht, die Stadt, ihre Straßen, Parks und Plätze, einmal anders zu nützen. Bei der es um das Zusammenspiel von Bild und Ton geht und bei der Hangl sein Publikum per Kopfhörer voneinander isoliert, („Da ist jeder ganz bei sich“, erklärt er die Idee).

Vor rund 15 Jahren hat Hangl die Silent Discos miterfunden und nach Wien gebracht, bei denen jeder für sich zu Musik aus dem Kopfhörer tanzt. Hangl veranstaltet auch die Guerillawalks, das sind geführte Audiotouren, die Teilnehmer per Funksystem durch öffentliche Räume navigieren. Und auch im Rahmen des Festivals gibt es ein zweites Projekt von ihm zu sehen: ein Silent-Bootskonzert mit Skero auf der Alten Donau (siehe unten).

Info

Kottan im Kopf. Die Straßenbahn als Kinosaal, die vorbeiziehende Stadt als Kulisse der sechsten Folge des legendären Fernsehkommissars Kottan. Die Film-/Kino-/Theaterperformance findet am 2., 3., 5., 8.–12. Juni um 17.30 Uhr und am 6., 13. Juni um 14 Uhr statt. Schlechtwetterersatztermine sind der 16. und 17. Juni, ebenfalls um 17.30 Uhr. Start: an der Haltestelle Laurenzgasse im Zwischengeschoß, 1050 Wien.

Tickets gibt es ausschließlich in der Infostelle Stephansplatz der Wiener Linien und kosten zwölf Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.