Mieze Medusa: Die Pionierin des Poetry-Slam

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Mieze Medusa hat den Poetry-Slam in Österreich salonfähig gemacht. Am 18. Juli veranstaltet sie wieder den großen Poesiewettbewerb im Lustspielhaus.

An ihren ersten Auftritt bei einem Poetry-Slam erinnert sich Mieze Medusa, eigentlich Doris Mitterbacher, nicht so gern. Es war vor langer Zeit in Innsbruck, ihr Text ein typischer „Ein Mädchen möchte Lyrik machen“-Vortrag. „Es war nicht gut. Ich glaube sogar, dass es irgendwo ein Video davon gibt“, erzählt die 39-jährige Oberösterreicherin. Inzwischen sind fast 15 Jahre vergangen. Mieze Medusa ist nicht nur eine erfolgreiche Hip-Hop-Künstlerin, sondern schreibt auch Romane und hat den Poetry-Slam in Österreich salonfähig gemacht. Worauf sie sehr stolz ist. „Ich habe zwar nicht vor, aufzuhören, aber es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass ich das jederzeit könnte und die Szene trotzdem bestehen bleiben würde.“

Einer der Höhepunkte ihrer Jahresplanung ist wieder der Poetry-Slam im Wiener Lustspielhaus am 18. Juli, der unter ihrer Patronanz und der ihres Mannes, Markus Köhle, den Auftakt der Rahmenprogramme für Shakespeares „Hamlet“ (Premiere: 16. Juli) unter der Regie von Hausherr Adi Hirschal bildet. Motto des Poesiewettbewerbs, bei dem das Publikum lautstark Jury spielt: „Alter Schwede, es ruppelt im Lustspielhaus.“

„Lesen kann man überall“

Zusätzlich zu dem amtierenden deutschsprachigen Meister, Lars Ruppel, und der Newcomerin des Jahres, Lisa Eckhart, sowie dem österreichischen Meister, Elias Hirschl, demonstrieren fünf weitere Dichter mit viel Esprit, Geist und Tempo ihr wortgewaltiges Können. „Bei der Auswahl der Gäste war uns wichtig, neben internationalen Künstlern auch die lokale Szene einzubinden“, betont Medusa. „Und diese – was nicht selbstverständlich ist – auch angemessen zu bezahlen, als Wertschätzung für ihre Arbeit.“ Besonders gespannt ist sie auf den Auftritt von Lisa Eckhart: „Ihr bösartiger Humor ist perfekt für das Publikum des Lustspielhauses.“

Sie selbst steht immer noch regelmäßig auf der Bühne, sowohl als Slammerin als auch als Slammasterin, also Moderatorin eines Abends. Im Wiener Lokal rhiz veranstaltet sie „textstrom“, den dienstältesten Poetry-Slam Wiens. „Die These im Poetry-Slam lautet: Lesen kann man überall“, erklärt Medusa. „So wird eine Bar zur Bühne für selbstverfasste Texte und das Publikum zur Jury.“ Regeln gibt es nur wenige, die wichtigsten sind die Zeitbegrenzung auf etwa fünf Minuten und das Verbot von Hilfsmitteln aller Art. Nur der Slammer selbst und Notizzettel sind auf der Bühne erlaubt. „Das Publikum soll sich zuständig fühlen und nicht wie bei einer herkömmlichen Lesung einfach zwanzig Minuten warten, bis alles vorbei ist.“

Ihren ersten eigenen Sieg feierte Mieze Medusa im Wiener Schikaneder. Nach dem Studium frisch in Wien angekommen, plagte sie notorische Geldnot. Eines Tages wurde sie beim Schwarzfahren erwischt, die Strafe war innerhalb von drei Tagen zu bezahlen, das Gehalt ließ aber noch bis Monatsende auf sich warten. Mit dem sprichwörtlichen Mut der Verzweiflung bestritt sie noch am selben Abend den Poetry-Slam und gewann genau die Summe, die sie für das Begleichen der Strafe brauchte. „Da hab ich mir gedacht: Das hat Zukunft, das mach ich weiter.“ Heute genießt sie an ihren Auftritten vor allem den Moment, in dem sich die Gesichter des Publikums entspannen. „Dann merkst du, sie verlieren sich in deinem Text. Das ist ein wunderschönes Gefühl.“ Ein „Herzensanliegen“ und „Sorgenkind“ zugleich ist ihre Band Mieze Medusa & Tenderboy. Aufträge gäbe es genug, was fehle, sei die Zeit. Die Band aufzulösen, komme dennoch nicht in Frage.

Wie Mieze zu Medusa kam, ist für Mitterbacher beinahe ein glücklicher Zufall. Für ihre Arbeit als Hip-Hop-MC (Master of Ceremonies) brauchte sie einen Namen. Mieze klang zwar nach einer weiblichen Form von MC, war aber „zu rosarot“. Medusa, die altgriechische Gorgone mit Schlangenhaaren und titelgebende Figur des Artikels „Das Lachen der Medusa“ der Philosophin Hélène Cixous, der sich mit weiblichem Schreiben beschäftigt, brachte – „maximal unrosa“ – den Ausgleich. Irgendwie gefiel das, und der Name blieb. Inzwischen zählt er zu den bekanntesten im deutschsprachigen Raum. Trotzdem bleibt der Poetry-Slam für Mieze Medusa eine Understatement-Bühne: „Es ist immer eine gute Idee, sich zuerst mal nicht zu groß zu machen, dafür aber dann im Text mit der Sprache zu klotzen.“

Zur Person

Sprechkunst. Die Oberösterreicherin Doris Mitterbacher alias Mieze Medusa ist eine der bekanntesten Poetry-Slammerinnen im deutschsprachigen Raum. Am 18. Juli veranstaltet sie wieder mit ihrem Mann, Markus Köhle, den Poetry-Slam im Lustspielhaus. Motto des Poesiewettbewerbs, bei dem das Publikum lautstark Jury spielt: Alter Schwede, es ruppelt im Lustspielhaus. Die 39-Jährige schreibt auch Romane und ist erfolgreiche Hip-Hop-Künstlerin. Im Wiener Lokal rhiz veranstaltet sie „textstrom“, den dienstältesten Poetry-Slam in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.