Life Ball: Sehr feucht und sehr hetero

(c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Europas größtes Aids-Charity-Spektakel ist längst dem Status einer Schwulenveranstaltung entwachsen. Die Gratwanderung zwischen dem karitativen Anliegen im Kampf gegen Aids und einem bloßen Society-Event wird immer schwieriger.


Konsequent war das Thema des heurigen Life Ball – Wasser – in jedem Fall: Das Publikum bekam bei der Eröffnungsfeier am Samstagabend jedenfalls feuchte Füße. Denn ganz dicht war das überdimensionale Becken, in dem Markus Rogan und Co. im Takt mit den Tänzern auf dem Laufsteg plantschten, nicht; über den Rathausplatz strömten unzählige kleine Bäche.


Abgesehen von dieser wohl unbeabsichtigten Referenz an das Motto „Let Love Flow“ war die Inszenierung rund um das nasse Element perfekt. Vom Bassin im Arkadenhof, in dem Meerjungfrauen ihre Runden drehten, über die Hauptbühne, die einem barocken Wasserschloss nachempfunden war, bis zum Auftritt von Katy Perry, die als Venus aus der Muschel auf die Bühne schwebte.
Ein Schelm, der auch noch Gery Keszlers Tränen der Rührung dem Motto des Abends zuschrieb – der Life-Ball-Organisator zeigte sich sichtlich bewegt, als er den Brief des kürzlich verstorbenen Ex-Bürgermeisters Helmut Zilk aus dem Jahr 1993 verlas, in dem ihm dieser erlaubte, das Rathaus für sein Charity-Event zu benutzen.


Seit damals hat sich viel getan, ist der Ball zunehmend professioneller geworden – und auch kommerzieller. Bei der Eröffnung gab es einen Unterschied zwischen zahlenden Gästen – erstmals gab es auch Stehplätze auf den Tribünen für 13 Euro – und jenen Schaulustigen, die sich hinter den Gitterzäunen drängten. Letztere bekamen vom Treiben im Wasserbecken kaum etwas mit.

Und auch so mancher Bereich des Rathauses, der vor einigen Jahren noch für alle Gäste offen stand, war nur mehr für jene Besucher zugänglich, die das Armband mit der richtigen Farbe vorweisen konnten – auf Einladung eines der Sponsoren. Anzug und Abendkleid im Vormarsch – auch wenn Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner zumindest ihre Haare auftoupiert hatte.
Die wirklich schrillen Kostüme gab es natürlich schon – auf vielen von ihnen prangten die Logos von Kooperationspartnern, etwa bei jenem Gast, der als wandelnde Dusche durch das Rathaus wanderte, den Duschvorhang mit dem Logo eines Mobilfunkbetreibers dekoriert.


Daneben dominierten vor allem blaue und türkise Töne, bei der Bekleidung oder beim Bodypainting. Ein Tribut an das Element Wasser, das die Kreativität zwar bei vielen beflügelte, die farbliche Gestaltung allerdings etwas monoton wirken ließ. Neben den den Körper betonenden Kostümen – Muschelschalen auf der nackten Brust, Fischernetze um den Körper – sorgten mehrere an Piratenkapitän Jack Sparrow angelehnte Verkleidungen und einige Spongebob-Schwammkopf-Varianten für kindlich harmlose Abwechslung. Kostüme, wie sie auch beim Kinderfasching durchgehen würden.


An diesem Bild war der heurige Life Ball auch um einiges näher dran als an den vielerorts kolportierten Exzessen von wüsten Orgien in den dunklen Ecken des Rathauses. Das Publikum amüsierte sich bei Pop und DJs, vom verruchten Image, das manche noch mit dem Ball verbinden, war man jedenfalls weit entfernt.

Gut so, ist doch der Kampf gegen Aids ein Thema, das jenseits homosexueller Klischees betrachtet werden soll. Denn – wieder eine jener falschen Zuschreibungen – HIV ist beileibe keine Krankheit, die nur Homosexuelle betrifft. Im Gegenteil, 99 Prozent der Betroffenen sind heterosexuell. Ein Faktum, dem auch die Eröffnung Raum widmete, bei der 99 gemischte und ein gleichgeschlechtliches Pärchen zur Polonaise schritten.
Die Gäste waren dementsprechend bunt gemischt, viele homo- und heterosexuelle Pärchen tanzten oder schritten die Stiegen des Rathauses ab. Von einigen Schwulenikonen wie Tatjana Taft oder Amanda Lepore abgesehen, war klischeehafte Homosexualität jedenfalls nur spärlich zu sehen.
Ja, so wirklich „schrill“, wie es oft heißt, war es diesmal nicht. Was nicht heißt, dass der Ball schon am Asexuellen geschrammt wäre. Im Gegenteil, von der Modeschau auf dem Catwalk, in denen das Avantgarde-Couple „The Blonds“ Bustiers, kurze Kleidchen und Spitze von Prominenten und echten Models vorführen ließ, bis zu den mehr oder weniger freizügigen Verkleidungen der Gäste gab es viel zu sehen.


Letztlich bleibt der Eindruck, dass der Life Ball ein hochprofessionell organisiertes und spannend inszeniertes Charity-Event ist. Das ist gut für die Sache, den Kampf gegen HIV und Aids. Aber, und auch dessen muss man sich klar sein – die Veranstaltung ist längst im Mainstream angekommen.

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