Zusammen hilft man besser als allein

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Elf Wienerinnen bieten Hanaa, Abd und Zain Hamid aus Syrien ein neues Zuhause in Wien.

Vor ein paar Tagen ist er kollabiert. Plötzlich war Abd Hamid in seiner neuen Wiener Bleibe zusammengesackt. Seine Magenschmerzen waren zu stark geworden – er hatte sie bei seinen Gastgebern lange nicht erwähnt, weil er keine Umstände machen wollte. Aber Ehefrau Hanaa wusste, was zu tun war: Sie rief ihre Helferinnen an. Die hatten nach einer kurzen Beratung in ihrer WhatsApp-Gruppe und einigen Telefonaten erstaunlich rasch einen Arzt aufgetrieben, der den unversicherten Abd unentgeltlich behandelte. Am selben Tag kehrte er wieder nach Hause zurück und erholt sich seither langsam.

Elf Wienerinnen sind es insgesamt, die sich seit Kurzem gemeinsam um die Hamids kümmern (siehe großes Bild). Die elf sind Freundinnen seit den Kindergartentagen ihrer mittlerweile halbwüchsigen Kinder. Darunter etwa die Volksschullehrerin Doris Kucera, die Gastronomin Barbara Stöckl (nicht die Moderatorin), die Verlegerin Sibylle Hamtil, die Freizeitpädagogin Larissa Mayer und Sabine Klein, Sprecherin einer NGO. Immer wieder tauschten sie sich über die Entwicklungen in der aktuellen Flüchtlingskrise aus. „Am letzten Schultag standen wir zusammen und haben uns gedacht, dass man irgendwie helfen sollte“, erzählt Doris Kucera. Weil eine der Frauen eine kleine, freie Wohnung in der Gegend besitzt, entstand die Idee, dort eine Familie unterzubringen. Sie meldeten sich also Anfang August bei der Diakonie und noch am gleichen Tag lernten sie die Hamids kennen.


Freundschaft entsteht. Für Hanaa und Abd Hamid, beide 26, und ihren kleinen Sohn Zain ist es mehr als ein sicheres, sauberes Zuhause. Zwischen ihnen und den Helferinnen gab es sofort eine Verbindung. Hanaa ist eine schlanke, junge Frau mit hellen Strähnen im dunklen, langen Haar, wachen, funkelnden Augen und einem gewinnenden Lächeln. Sie spricht inzwischen so gut Englisch, dass man sich mit ihr unterhalten kann, und kann schon einige Worte auf Deutsch sagen.

Hanaa kommt aus der syrischen Küstenstadt Latakia, ihr Mann aus Aleppo. Sie war in ihrer Heimat als Buchhalterin tätig, er arbeitete nach dem Militärdienst als Verkäufer. Weil sie weder mit Assads Regime noch mit den Machthabern des Islamischen Staates (IS) kooperieren wollten, beschlossen sie zu fliehen. Ehemann Abd ging voraus in die Türkei, Hanaa kam kurz darauf nach. Da war ihr Sohn Zain nur wenige Tage alt. Heute geht der 17 Monate alte Bub mit den gelockten Haaren schon allein, wenn auch manchmal noch recht wackelig, und spricht erste Worte. Mehr als 50 Tage war die Familie zu Fuß von Griechenland nach Österreich unterwegs. „Die Schlepper sagten uns nicht, wo wir landen werden, ob Deutschland oder Schweden“, sagt Hanaa. Anfang Juli erreichten sie schließlich Österreich und das Auffanglager in Traiskirchen. Dort schliefen sie zunächst alle im Freien, ehe Hanaa und Zain mit 30 anderen in einem Raum schlafen konnten. Weil alle drei und vor allem der kleine Zain so krank waren, konnten sie das Lager verlassen und trafen schließlich auf die elf Helferinnen. „Ich bin so froh, dass ich diese großzügigen Frauen getroffen habe“, sagt Hanaa und lächelt.

Nach dem Einzug der Hamids übernahm jede der Freundinnen etwas anderes. Die einen kauften Möbel, die anderen halfen beim Aufbauen, andere begleiten die Familie bei Arztbesuchen oder zeigen ihr die neue Gegend und sprechen Deutsch mit ihr. Der Asylantrag läuft für die drei. Ihr oberstes Ziel ist: so schnell wie möglich Deutsch lernen.

Die Helferinnen erzählen, dass es von Vorteil ist, eine so große Gruppe zu sein: „Zusammen können wir das packen. Da traut man sich mehr zu. Allein ist das fast nicht vorstellbar,“ sagt Doris Kucera. Natürlich seien auch Kommunikationsmittel wie WhatsApp von Vorteil. „Manches geht dann ein bisschen schneller“, erzählt Sabine Klein. Auch im Bekannten- und Freundeskreis holen sie sich Hilfe. Die Reaktionen in ihrem Umfeld seien ganz verschieden. Von der unaufgeforderten 500-Euro-Spende im Kuvert bis zu blöden Sprüchen über „Machen wir jetzt auf Gutmensch“ sei alles darunter. Derzeit suchen sie für eine andere junge Syrerin und deren dreijähriges Kind, die Hanaa aus Traiskirchen kennt, eine kleine Wohnung innerhalb des Gürtels.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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