Sommerplanung in Belgravia

Benjamin Bernheim sang für die britischen Festspielfreunde in der Botschaft.
Benjamin Bernheim sang für die britischen Festspielfreunde in der Botschaft.(c) Christopher Gunson
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Die Salzburger Festspiele präsentieren ihr Programm auf einer globalen Tour – in London für die Nachfahren von „Franckensteins Komitee“.

Belgrave Square 18 ist eine noble Adresse. Roman Abramovich wohnt hier im Viertel namens Belgravia zwischen Westminster und Kensington, auch Andrew Lloyd Webber und Elle Macpherson, die Modelgeschwister Cara und Poppy Delevingne sind hier aufgewachsen. Rund um den Belgrave Square Garden, den man nur als Anrainer mit Schlüssel betreten darf, reiht sich eine weiß gestrichene Botschaft an die nächste.

Das üppig dimensionierte österreichische Botschaftsgebäude, darauf ist man hier stolz, ist das einzige, das der österreichischen Diplomatie im Ausland aus K.-u.-k.-Zeiten erhalten geblieben ist. Drinnen warten vor rot-goldenen Vorhängen auf der langen Tafel englisches Shortbread und österreichische Vanillekipferln, dazu werden in Augartentassen Tee und Kaffee gereicht. „Wie Weihnachten“, konstatiert eine der Kritikerinnen großer britischer Blätter und Magazine.

„Roadshow“ nennen die Salzburger Festspiele jene Tour, die Präsidentin Helga Rabl-Stadler (die sich schon einmal als „Außenministerin“ der Festspiele bezeichnet) und Sven-Eric Bechtolf als gewitzt-eingespieltes Duo rund um den Globus führt. Wien, New York, London, Zürich, München, Berlin, Shanghai und Peking sind die Stationen der Reise, die (mit Unterbrechungen) von der ersten Präsentation vor „Freunden und Förderern“ am 5. November in Salzburg bis in den Dezember hinein dauert – um Presse und befreundetem Publikum das Programm des kommenden Sommers persönlich vorzustellen. Nur die Station in Paris, angesetzt für Montag dieser Woche im Hôtel de Talleyrand, wurde nach dem Terroranschlag „aufgrund der tragischen Ereignisse“ auf Jänner verschoben.

Manchmal, meint Helga Rabl-Stadler kurz vor Ankunft der Gäste, „habe ich das Gefühl, die Festspiele sind im Ausland wertgeschätzter als in Österreich.“ Die Tour, ergänzt Bechtolf, nachdem er sich einen der roten „Fürst“-Nougatwürfel mit Logo der Festspielfreunde geangelt und mit seiner blau aufleuchtenden E-Zigarette Dampf in den Raum geblasen hat, die Tour also diene ja nicht nur der Rekrutierung neuen Publikums. „Die Grundidee ist auch die Repräsentation Österreichs. Es ist ja ganz erstaunlich, dass Österreich und auch Deutschland und die Schweiz sich auf ihre Kultur beziehen – noch, und man das Gefühl hat, dass dort etwas Wesentlicheres als an den Börsen verhandelt wird.“

In doppelter Mission

Das Interesse in London ist jedenfalls groß, auch, weil mit „The Exterminating Angel“ von Thomas Ades das Auftragswerk eines Briten uraufgeführt wird. Daneben übernimmt Deborah Warner die Regie von „The Tempest“, Shakespeares vermutlich letztem Stück. Sie wolle, sagte Warner, dafür „the most stunning cast“ zusammenstellen – dass man abgesehen von Prospero Hans-Michael Rehberg noch keine Besetzung habe, sei ergo „ein gutes Zeichen“.

Von der „doppelten Mission“ der Festspiele sprach Botschafter Martin Eichtinger, einer kulturellen und einer „politischen, friedenssichernden“. Er hatte sogar das Piano stimmen lassen – zur Freude Rabl-Stadlers („Das sind wir in Botschaften nicht gewohnt“). Eichtinger erinnerte auch an seinen Amtsvorgänger, den ersten Londoner Gesandten der Republik, Georg Franckenstein. Ihn habe Hugo von Hofmannsthal schon 1925 gebeten, ob er nicht ein Salzburg-Komitee in London gründen könne – was er tat. Eine Überraschung selbst für den Präsidenten der Festspielfreunde, Heinrich Spängler, der die Roadshow zu seinen internationalen Mitgliedern treu begleitet. Mit 5400 Mitgliedern ist seine Organisation der größte Sponsor des Festivals, die Freunde kaufen 54.000 Tickets und stemmen 17 Prozent des Budgets.

Zu ihnen gehören etwa die beiden Malcolms, der eine Banker, Anwalt und neuerdings Sänger, Autor und Impresario, der andere Fondsmanager, beide Stammgäste seit mehr als 20 Jahren, die sich bei Apfelstrudel und Sachertorte von Franz Schinagls Londoner Speck Mobile der Planung des kommenden Sommers widmen. Wie auch Interieurdesigner Tim Gosling. Er habe britische Freunde, die er nur in Salzburg sehe. Mit der Programmpräsentation starte die Diskussion: „Wer wann wie lang fährt und was man sieht.“

Die zufällig angesprochene Journalistin, Klassikkritikerin für japanische Medien, hätte von den Festspielen nicht besser ausgesucht werden können. Es sei just die Einladung zur Roadshow gewesen, die sie zum ersten Salzburg-Besuch bewogen habe. „Ich dachte, das ist doch das, wo sich nur die Reichen treffen. Aber es ist gar nicht die versnobte Sache, für die ich es gehalten habe.“

Compliance-Hinweis:

Die Reise nach London erfolgte auf
Einladung der Salzburger Festspiele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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