Wein am Pogusch: "Aus dem Elend Kraft schöpfen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Welcher Wein passt am besten zur Krise? Auf der Suche nach dem passenden Trost- und Therapietropfen haben Winzer und VIPs die besten steirischen Weine verkostet. Die Rezepte für eine rezessionsrehabilitierende Trinkkur sind vielfältig.

Vergessen, verdrängen, verharmlosen – wenn das alles nichts hilft, kann man im Kampf gegen die Krise noch immer zum Wein greifen. Der tröstet nicht nur, sondern schmeckt auch noch ganz erträglich.

Nur: Welcher ist die beste Arznei? Welcher passt am besten zur Krise?

„Ein Heuriger – es gibt nichts Besseres“, will Infrastrukturministerin Doris Bures (SP) gar nicht erst auf heranreifende Qualität warten. „Jeder“, rät noch umfassender Alfred Gusenbauer, ehemaliger Bundeskanzler, noch immer Önologie-Auskenner und zur Weinverkostung der „Kleinen Zeitung“ beim Steirereck am Pogusch am vergangenen Freitag direkt von einer Vortragsreihe aus den USA angereist. „Man darf nicht wählerisch sein“, bestätigt Ski-Ass Hermann Maier und setzt auf einen für eine Verkostung unkonventionellen Zugang. Auch Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (VP) wählt diese eher ganzheitliche Dosierungsform: „Weil es keinen gibt, der nicht belebend wirkt. Man kommt in eine andere Dimension – das Leben wird leichter“, begründet er. An derselben Argumentationsgrundlinie, aber mit einem härteren verbalen Aufschlag serviert Ex-Weltranglistenprimus Thomas Muster: „Weil wenn man besoffen ist, tut's weniger weh“, scherzt er. Nachsatz des Weingartenbesitzers: „Hauptsache, es ist ein steirischer Wein.“ Davon gab es bei der „Kleine“-Verkostung der 30 besten auch ausreichend.

Zwar mengenmäßig ebenfalls ohne explizite Grenzwerte, aber auf differenzierte regionaltypische Therapieformen legt Vizekanzler Josef Pröll (VP) Wert. „Ein Sauvignon aus der Steiermark, ein Grüner Veltliner aus Niederösterreich und ein Blaufränkischer aus dem Burgenland“ passen laut dem auf einem Weingut in Niederösterreich groß gewordenen Finanzminister am besten zur Krise. Alle drei würden „für gute und für schlechte Zeiten belebend wirken“. – Wein als Koalitionsaphrodisiakum? Am Pogusch gurgelte und beurteilte Pröll jedenfalls unter den Augen von Bundespräsident Heinz Fischer Seite an Seite mit Bundeskanzler Werner Faymann (SP).


Jedermann beim Trinken. In der Kulturabteilung der 150 Gäste gab man sich indes differenzierter. „Wenn es um den Ausdruck für die Krise geht“, würde Noch-ein-letztes-Mal-„Jedermann“ Peter Simonischek zu einem Uhudler aus dem Burgenland raten. Der sei ein „Direktträger“, spielt er auf ein Zusammenspiel aus extravaganter Charakteristik und betäubender Wirkung an. Wenn es um eine Versüßung der bitteren Zeit geht, bevorzugt der Burgschauspieler eher einen Süßwein aus der diesbezüglichen Edelmanufaktur Kracher. Fürs sprichwörtliche letzte Glas auf einer einsamen Insel würde er aber jedenfalls zu Weißwein aus der steirischen Heimat greifen.

Schriftsteller Gerhard Roth bevorzugt dagegen – aus pragmatischen Gründen („der schmeckt besser“) – einen Rotwein. „Der bringt Euphorie, und man kann aus dem Elend Kraft schöpfen.“ Er warnt aber vor einem eher suchtgefährlichen Wirkungskreis: „Wein gibt einem den Eindruck, dass man stark ist – und am nächsten Tag ist man wieder auf der Suche nach der Euphorie.“

Zu dezidierten Sortenempfehlungen als passende Weinbegleitung zur Wirtschaftskrise ließen sich bei der 17. Auflage der Weinverkostung nur die Wenigsten hinreißen. Winzer Walter Polz würde als Trostspender zu einem leichten, frischen Welschriesling raten („Weil man davon mehr trinken kann“), als Belohnung für eine erfolgreiche Krisenabwehr zu einem kräftigen, vollmundigen Traminer.

Der steirische Landeshauptmann Franz Voves findet sich wiederum auf einer Linie mit dem südsteirischen Winzer Erwin Sabathi: „Ein Muskateller, weil er den Start für Neues symbolisiert.“ „Wenn eine Flasche nicht reicht, eben eine zweite“, verfeinert Sabathi die Therapieempfehlung. Eher antizyklisch agiert dagegen Kabarettist Florian Scheuba. Der „Poysdorfer Saurüssl“ passt für ihn am besten zur Krise. Warum? „Der hat ein derart unglamouröses Image, dass man als Käufer Schulterklopfen ernten würde, weil man merklich ans Sparen denkt.“

Burg-Mime Simonischek verweist diesbezüglich auf die beispielgebende Karriere des heimischen Weins: „Dass er heute so gut ist, haben wir auch einer Krise, nämlich dem Weinskandal, zu verdanken. Wenn die Wirtschaft ihre Krise in ähnlicher Weise bewältigt, kann man sich darüber nur freuen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2009)

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