Romano: "Manche raten mir, erwachsen zu werden"

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Romano, ein Köpenicker Original, ist ein Allrounder im Showbusiness und ein ewiges Kind. Mal spielt er mit dem Schlager, dann mit Metal, Drum'n'Bass oder Hip-Hop. Nun gastiert er erstmals in Österreich.

Sie sind ein Kind der DDR. Hat die materiell arme Kindheit Ihre Fantasie beflügelt?

Romano: Jedenfalls. Ich konnte mich stundenlang in Fantastereien verlieren. Da arbeitete ich etwa Schlachtpläne für imaginäre Soldaten und für Cowboy-Indianer-Auseinandersetzungen aus.

Wie wirkte sich die Wende auf Ihr Bewusstsein aus?

Es wurde ziemlich umgekrempelt. Ich fand diese Mischung aus westlichem Überfluss und östlichem Mangel ungeheuer aufregend. Das war brodelnd, das war heiß. In der Zeit lernte ich auch neue Musikrichtungen wie Hip-Hop und New Jack Swing kennen.

Sie sind dafür bekannt, dass Sie alles von Metal bis Schlager, von Hip-Hop bis Drum'n'Bass mögen. Wie ist das möglich?

Alles, was ich höre, hat eine andere Energie. Das mag ich. Ich möchte mich nicht begrenzen. Manche meiner Schulfreunde hörten Public Enemy, andere Metal. Ich war überall mit dabei. Mein alter Freund Eric, der schon zu kommunistischen Zeiten einen Ausreiseantrag gestellt hatte, war schon Anfang der Neunziger Techno-DJ. Er hat mich oft in den Bunker, in den Tresor oder das Exit mitgenommen. Da gab es krasse erotische Partys mit Masken und Latexanzügen. Ich dachte, ich spinne.

Ab wann verspürten Sie die Neigung, sich auch selbst vor Publikum zu produzieren?

Schon früh. In der Schule stellte ich mich gern hin und krähte „I Want Your Sex“ von George Michael. Die Mädels haben's gefeiert, die Jungs laut gelacht. Das war geil. Später schrieb ich meine eigenen Raps.

Trotzdem erlernten Sie zunächst den Beruf des Mediengestalters. Was brachte das?

Bodenhaftung. Jeden Morgen um 7 Uhr im Zug zu sitzen und zur Arbeit zu fahren, das erdet. Mir ging es darum, nicht materiell von meiner Musik abhängig zu sein. Ausverkauf und Coverversionen singen, das wollte ich nie. Musik blieb immer meine Leidenschaft.

Ihr erstes Album als Romano war recht schlagerhaft. Was reizte Sie daran?

Das Spiel mit den Klischees. Um schnelles Geld ging es jedenfalls nicht. Es passierte eher zufällig. Ich besuchte Jan Driver, einen Techno-Produzenten, im Studio, als er gerade bei einem Remix saß. Die weiblichen Gesänge nervten ihn. Ich sang ein bisschen mit, da kam er auf die Idee, mich aufzunehmen. Und schon war der Song „Worte der Liebe“ geboren. Aus diesem Spaß heraus machten wir das Album „Blumen für dich“. Und schon ging's auf Schlagertournee.

Für Ihr neues Album „Jenseits von Köpenick“ arbeiteten Sie aber mit Jakob Grunert und Moritz Friedrich zusammen. Wie verlief der kreative Prozess?

Die beiden kannte ich schon vom Videodreh zu „Itchy/Cornerboy“. Also kamen wir zusammen und erforschten uns. Mir ging es darum, Deutsch zu singen, weil es bedeutet, Menschen näher an dich heranzulassen. All diese Lieder waren schon in mir. Die musikalische Untermalung haben die Jungs geschaffen. Es groovte einfach.

Ihr Song „Köpenick“ klingt wie feinster G-Funk aus den frühen Neunzigerjahren. Hat Sie die Kultur der afroamerikanischen Vorstadtgangster geprägt?

Auf jeden Fall. Ich habe sicher um die tausend Tonträger aus der Frühzeit des Westcoast-Hip-Hop. Das bekannteste Label war Death Row mit dem berüchtigten Suge Knight als Chef. Der hatte alle wichtigen Rapper von 2 Pac bis Snoop Doggy Dogg unter Vertrag.

Warum wollten Sie das Video zu „Köpenick“ ausgerechnet in Compton filmen?

Weil wir es lustig fanden, wenn wir Köpenick von Compton aus loben. Ich drehte ja schon 1999 mit meiner damaligen Rockband ein Video in L.A. Damals ging ein Traum in Erfüllung, jetzt war ich abgeklärt. Fast cool. Nach dem Fall der Mauer ging die Fantasie mit mir durch. Ich habe Köpenick L.A.-mäßig unterteilt. Bei mir am Center war Downtown, Friedrichshagen war Venice Beach und Waltherhaus, der Millionenhügel, wo die gut situierten DDR-Musiker wie die Puhdys wohnen, das war Hollywood. Die Neubausiedlung in Köpenick hab ich Watts genannt.

In Ihrem Video fällt ein bulliger Afroamerikaner auf. War er Ihr Aufpasser?

So in der Art. Er war unser Führer für die heiklen Gegenden. Wir wollten auch in Watts drehen. Er riet uns davon ab, weil man dort nicht einmal als Afroamerikaner hinfährt, wenn man da nicht wohnt. Wir drehten nachmittags. Da war alles recht ruhig. Ich lief mit meinen blonden Zöpfen herum, ging sogar in den örtlichen McDonalds.

Haben Sie „Compton“, den Film über Dr. Dre, Ice Cube und die anderen Gangster-Rapper gesehen?

Gefiel mir gut. Ice Cube durfte ich dann sogar bei der offiziellen Vorstellung des Films in Berlin treffen. Ich fühlte mich ermutigt, ihm eine Einladung auf einen Schwedeneisbecher (Vanilleeis, Apfelmus, Sahne) in Köpenick auszusprechen. Er blieb unverbindlich.

Im „Köpenick“-Video sitzen Sie im berühmten C von Compton, wie es auch im Film zu sehen war. Wie kamen Sie da hinauf?

Per Räuberleiter. Ich hab mich frech reingesetzt und die Beine baumeln lassen. Es steht übrigens direkt vor der Bahnstation Compton, falls Sie mal da sein sollten.

Das Video zu Ihrem Hit „Klaps auf den Po“ hat Grunert gemeinsam mit Antonin B. Pevny, dem Regisseur der Videos der österreichischen Band Bilderbuch gemacht. Woher kam das Pferd?

Das hab ich mich auch gefragt. Man verkleidete mich als Indianer, was ich noch okay fand. Plötzlich stand da ein Pferd im Raum. Es war ziemlich smart, aber nach drei Stunden – es war heiß wie im Solarium – wurde es ein wenig unberechenbar. Es ging aber alles gut.

Sie haben im Herbst eine erste Tournee mit dem neuen Programm gemacht. Welche Menschen tauchen da auf?

Da kommen krass tätowierte Leute mit Metalkutten, schwule Pärchen, die sich auf „Klaps auf den Po“ freuen. Väter mit ihren Kindern, Hip-Hopper, Techno-Girls – diese Mischung dürfte ziemlich einmalig sein. Und alle haben ein Lächeln im Gesicht.

„Heiß, heiß, Baby“ ironisiert unsere Schönheitsideale. Mögen Sie Schräges?

Der Makel macht Menschen für mich oftmals erst interessant. Bloße Ebenmäßigkeit ist nicht ausreichend. Das wäre zu steril. Erst die Abweichung vom Schema F konstituiert den 3-D-Charakter des Schönen.

Auf „Brenn die Bank ab“ begibt sich Romano in eine kapitalismuskritische Pose. Ist das ein Erbe der DDR-Kindheit?

Nach der Wende fand man den materiellen Überfluss toll. Das hat sich bald gelegt. Bald fragte man: Ist jetzt wirklich alles besser? Zu Ostzeiten waren wir in eine graue Zelle gesperrt, jetzt sind wir in einer, die bunt beklebt ist.

Sind die Verheißungen der Konsumwelt trügerisch?

Nicht nur das. Ich habe zwei politische Systeme kennen gelernt, keinem ist zu trauen. Mein eingeheirateter Opa ist hundert geworden. Er hat die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, die Nazis, die DDR und die jetzige Zeit erlebt und sagte immer: „Mach unabhängig von jeglichem Regime dein Ding.“

Was war der Anlass, das Lied „Brenn die Bank ab“ zu schreiben?

Ich trat eines Abends aus meiner Haustür raus, sah eine Omi mit Taschenlampe im Müll suchen. Das machte mich traurig. Vielleicht war das eine Trümmerfrau, die mithalf Deutschland aufzubauen? So was darf es nicht geben. Das ist einfach nur erbärmlich.

Wie geht es Ihnen als ewiges Kind mit dem Älterwerden?

Manche raten mir, endlich erwachsen zu werden. Ne, das will ich nicht. Natürlich kriegt man Krähenfüße, Falten, und vielleicht fallen die Zöpfe auch mal ab. Meine Eitelkeit kann ich runterschrauben, aber meine Infantilität will ich mir als Schatz bewahren.

Aber Sie halten auch gern Kontakt mit den Alten im Kiez. Warum?

Weil es schön ist. Der Kiez ist ja Entenfütterregion. Alles ist sehr beschaulich. Mir ist es wichtig, die Sorgen und Freuden der Nachbarschaft zu kennen. Die direkte Kommunikation geht in der Hektik unseres Lebens oft verloren.

Wer stand eigentlich Pate für Ihre Frisur?

In erster Linie Snoop Dogg. Auch im Metal gab es die Tradition der Zöpfchen, der Bassist von Corn hatte welche. Pippi Langstrumpf war es nicht, obwohl sie mir grundsympathisch ist, weil sie die Welt so baut, wie es ihr gefällt. Das tu ich nämlich auch.

Romano, darf man Sie auch fragen...


1. . . wer Ihnen die Zöpfe flicht?

Das machen meine Zwillingsomas, die Schuhmachers, die wohnen im gleichen Bau. Die haben mir auch das Nagelstudio empfohlen, in das ich regelmäßig zur Pediküre gehe. Das hat eine erstaunliche erotische Komponente.

2. . . wie Sie Ihre originellen Bewegungen ersinnen?

Größtenteils erfinde ich sie. Ein bisschen Taekwondo, Kung Fu und Hip-Hop, und schon hat man eine gute Basis. Seit Neuestem gehe ich montags zum Ballett. Es ist nicht die harte, russische Schule. Bei mir geht es mehr um das ewig Adrette.

3. . . ob Ihre Mutter stolz auf Sie ist?

Natürlich ist sie es. Egal, was ich bisher gemacht habe, ob Metal, Schlager oder Hip-Hop, Mutti stand immer auf meiner Seite.

Steckbrief

1977 als Roman Geike in Berlin-Köpenick geboren. Der Sänger und Rapper ist auch bekannt unter den Pseudonymen MC Ramon, Cornerboy und Dayton The Fox.

1992 beginnt er erste Rap-Texte zu verfassen; 1999 nimmt er seine erste Single mit der Rockband Maladment auf.

2002 wendet er sich dem Drum'n'Bass zu und wird Teil der Hightekcrew.

2003 lernt er den Techno-Produzenten Jan Driver kennen und arbeitet seither mit ihm.

2009 wendet er sich dem deutschen Schlager zu, nimmt das Album „Blumen für dich“ auf.

2015 veröffentlicht er „Jenseits von Köpenick“, das er gemeinsam mit Jakob Grunert und Moritz Friedrich kreiert hat.

2016 ist er zum ersten Mal live in Österreich, am 15. März, Posthof Linz, am 16. März Arena, Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2016)

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