Kinderstar und Operndiva

Danielle de Niese
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Die australische Sopranistin Danielle de Niese ist wieder einmal in Wien zu Gast. Seit sie als Kind eine Talenteshow gewann, ging es steil bergauf.

Sie singt sich direkt vor dem Interview ein, so konzentriert, dass sie gar nicht bemerkt, dass plötzlich hinter ihr in der Maske Menschen stehen. Und nimmt ihre Stimmübungen direkt nach dem Gespräch wieder auf, während sie durch die verwinkelten Gänge im Backstage-Bereich des Theaters an der Wien Richtung Bühne geht.

Die Opernsängerin Danielle de Niese ist wieder einmal in Wien, dieses Mal, um hier in Händels „Agrippina“ die Rolle der Poppea zu singen. De Niese, 1979 in Melbourne geboren, gilt als Barock- und Händel-Expertin, eine Bezeichnung, mit der die Sopranistin selbst eher wenig anfangen kann. „Ich hatte nicht die Absicht, mich darauf zu spezialisieren“, sagt sie, aber zum einen sei Barockmusik gerade für junge Sänger ideal, und Händel ist für sie „der beste Songwriter seiner Zeit. Er konnte um die 40 Arien in einer einzigen Oper vereinen und jede Rolle erzählt unglaubliche Geschichten. Es gibt keine schlechten Rollen bei Händel.“ Zum anderen hat sie vor Jahren als Cleopatra in der Händel-Oper „Giulio Cesare“ ihr Europadebüt in Amsterdam gegeben: Seither eilt ihr der Ruf als Händel-Spezialistin voraus.

Und nicht nur der. Auch jener der schönen Sängerin, deren Äußeres in Medienberichten nicht selten ebenso viel Aufmerksamkeit bekommt wie ihre künstlerischen Leistungen. Ein deutscher Journalist geriet vor einigen Jahren so ins Schwärmen, dass er de Nieses Augen als „so braun, glänzend und schön wie zwei frisch gefallene Kastanien“ beschrieb.

Tatsächlich hat de Niese, deren Eltern aus Sri Lanka stammen, eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Schon als Kind „wollte ich nur tanzen, singen und schauspielen“, erzählt sie. Und bald bemerkte sie, „dass zwar viele meiner Freundinnen gut singen konnten, aber keine so gut wie ich“. Ihre Mutter fand eine Gesangslehrerin, die bereit war, eine erst Achtjährige professionell zu unterrichten. Von diesem Zeitpunkt an hat de Niese das Singen nicht mehr losgelassen. Oder wie sie es formuliert: „I was hooked.“ Als Achtjährige gewann sie – als jüngste Teilnehmerin – einen Talentewettbewerb im australischen Fernsehen. Vor der Kamera sang sie zwar Whitney Houston, tatsächlich umfasst ihr Repertoire in dem Alter aber auch schon Bach, Haydn und Wolf.

Um „Dannis“ Karriere zu fördern, übersiedelte die Familie nach Los Angeles, wo de Niese eine Musiksendung im TV moderierte, für die sie mit sechzehn einen Emmy gewann. Da hatte sie an der Los Angeles Opera schon ihr Debüt gegeben, auch an der Met war sie die jüngste Sängerin, die jemals im Young Artists Studio aufgenommen wurde. Heute lebt sie in England: De Niese ist mit Gus Christie verheiratet, der das Glyndebourne Opera Festival leitet. Im Vorjahr kam ihr Sohn zur Welt. Drei Wochen nach der Geburt stand sie schon wieder auf der Bühne.

„Meister Harnoncourt“

Zwischendurch baut de Niese immer wieder deutsche Wörter ein, etwa wenn sie von dem kürzlich verstorbenen Nikolaus Harnoncourt als „Meister“ spricht. Das erste Mal getroffen hat sie ihn in Zürich, als sie sehr kurzfristig einspringen musste (ebenfalls als Poppea) und nur eine Stunde Zeit hatte, um mit Harnoncourt die Rolle durchzusprechen. „Ich habe versucht, mir alles zu merken, was er mir mitgegeben hat. Mit ihm zu arbeiten, war wie mit einer Legende zu arbeiten.“

Während sie Italienisch und Französisch flüssig spricht – und sogar schon für eine Italienerin gehalten wurde, der man zu ihrem guten Englisch gratulierte – findet sie ihr Deutsch noch immer nicht gut genug, um eine Oper auf Deutsch zu singen. Noch nicht. „Es wird“, sagt sie, ehe sie aufsteht und zur Probe geht, „langsam Zeit für meine erste Pamina.“

ZUR PERSON

Danielle de Niese, Jahrgang 1979, ist eine aus Melbourne in Australien stammende Sopranistin. Als Achtjährige gewann sie eine Talenteshow im Fernsehen, mit 16 einen Emmy für die US-Fernsehshow „L.A. Kids“. Mit 19 debütierte sie an der New Yorker Met.

Im Theater an der Wien ist de Niese derzeit in der Inszenierung von Robert Carsen von Georg Friedrich Händels „Agrippina“ als Poppea zu sehen, die nächsten Termine: Morgen, Sonntag (20.3., 19 Uhr), 22.3. sowie 29. uns 31. 3. Tickets und Infos: www.theater-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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