Von der Schönheit der Zerstörung

Mandy Barker und Simon Norfolk vor ihren Bildern im Kunsthaus Wien.
Mandy Barker und Simon Norfolk vor ihren Bildern im Kunsthaus Wien.(c) Eva Kelety/Kunst Haus Wien
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Simon Norfolk, Mandy Barker und Eduardo Leal zeigen in ungewohnter Ästhetik die Spuren menschlicher Zerstörung.

Das Problem mit dem Plastikmüll, der überall, an Stränden, in Meeren bis in die Arktis wieder auftaucht, die schmelzenden Gletscher – es sind Themen mit einem gewissen „Ja, eh . . .“-Effekt. Schlimm, aber irgendwie auch fast als unveränderlich akzeptiert – wie die dazugehörigen Bilder. Die Fotografen Mandy Barker, Simon Norfolk und Eduardo Leal finden trotz der unzähligen Bilder, die man von Zerstörung und Verschmutzung schon gesehen hat, einen eindringlichen Weg, die Umweltschäden drastisch zu zeigen.

Die drei Fotografen, deren Arbeiten von Kuratorin Verena Kaspar-Eisert für die Ausstellung „Seen on Earth“ im Kunsthaus zusammengestellt wurden, eint die ungewohnte Ästhetik. Bilder von faszinierender Schönheit, die man sich genau anschauen muss, um den Müll und die Zerstörung darin zu sehen.

Mandy Barker hat für ihre Serie „Hong Kong Soup 1826“ Plastikmüll an den Stränden Hongkongs gesammelt – Feuerzeuge, Plastikblumen, Superheldenfiguren, etwa. Die einzelnen Objektgruppen beziehen sich auf bestimmte Ereignisse, zum Beispiel das Drachenbootfest. Die Idee entstand, so erzählt Barker in Wien, als sie im Rahmen einer Forschungsreise zum Thema Bilder von den Plastikbergen an den Stränden Hongkongs sah. „Teilweise vier Meter hoch, es ist unglaublich, ich wusste sofort, das ist mein nächste Projekt“, sagt Barker, die mit ihren Arbeiten zum Thema Plastik international bekannt geworden ist.

Tagelang hat sie also Müll an verschiedenen Stränden gesammelt, auf schwarzem Hintergrund arrangiert und fotografiert. Entstanden sind visuell ansprechende Arrangements, die auf den ersten Blick wie Blumen, Ornamente oder Aufnahmen aus dem All aussschauen – und erst auf den zweiten erkennt man, auf welche Handlungen, die den Müll produzieren, sie sich beziehen. Zum Beispiel One-Way-Plastikverpackungen für Essen, die in Hongkong massenhaft verwendet werden – was dort ein enormes Problem ist.

„Als ich die Bilder zum ersten Mal in Hongkong gezeigt habe, waren die Leute schockiert, dass diese Gegenstände, die Verpackung ihres Mittagessens, Feuerzeuge, eine Zahnbürste, schlussendlich an ihren Stränden landen.“ Sie, so Barker, sagt, sie will mit ihrer Arbeit der Wissenschaft eine „visuelle Stimme“ geben. Im Gegensatz zur nüchternen Wissenschaft könne sie mit ihren Bildern an die Emotionen, das soziale Bewusstsein der Menschen appellieren – und vielleicht das Verhalten verändern.

Ein ähnlicher Ansatz, wie ihn Simon Norfolk verfolgt. Er hat sich als Dokumentar- und Landschaftsfotograf, vor allem von Kriegsgebieten, einen Namen gemacht. Ihn, so sagt er, interessieren „Landschaften, die Geschichte in sich tragen“. Für seine Fotoserie „When I am laid in earth“, die nun in Wien gezeigt wird, ist er zum Lewis-Gletscher am Mount Kenya, dem größten Gletscher Afrikas gereist, um dessen Verschwinden zu dokumentieren. Mit historischen Karten der Universität Innsbruck (die detailliertesten Aufzeichnungen zum Lewis-Gletscher stammen aus Österreich, ebenso wie die Alpenvereinshütte am Mount Kenya, in der er während der Arbeit am Gletscher gewohnt hat), GPS-Gerät und einer Fackel ausgestattet, hat er dokumentiert, was einst da war und nun nicht mehr ist. Mit der Fackel ist er in der Nacht die kahlen Umrisse des früheren Gletschers in verschiedenen Jahren abgeschritten, durch Langzeitbelichtung hat er diese historischen Konturen als brennende Linie festgehalten.

Als würde der Berg Lava speien

„Die Frage war: Wie macht man etwas, das nicht mehr da ist, sichtbar? Es ist bittere Ironie: Das Feuer, die Petroleumfackel hilft, die Zerstörung durch die Erwärmung sichtbar zu machen. In den ersten Aufnahmen hat das Feuer wie Lava ausgesehen, als würde der Gletscher seinen Ärger ausspeien, dass er innerhalb von 100 Jahren fast zerstört wurde.“ Immerhin hat dieser Gletscher seit 1934 etwa 90 Prozent seiner Masse verloren – „In zehn Jahren wird der Lewis-Gletscher verschwinden, er ist verdammt“.

Auf einen Blick

Simon Norfolk und Mandy Barker waren jüngst zur Eröffnung der Ausstellung „Seen on Earth“ in Wien. Diese ist noch bis 30. Juni im Kunsthaus Wien zu sehen. Norfolk hat sich als Dokumentar- und Landschaftsfotograf international einen Namen gemacht, Barkers Arbeiten zum maritimen Plastikmüll wurden u. a. schon im „Time Magazine“ abgedruckt. Beide wurden (wie Eduardo Leal, dessen Bilder ebenfalls gezeigt werden) 2015 mit dem Earth Award von LensCulture ausgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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