Im Sarg der Bertha von Suttner

Anita Zieher feiert das Jubiläum ihres Vereins Portraittheater.
Anita Zieher feiert das Jubiläum ihres Vereins Portraittheater.Verein Portraittheater
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Seit zehn Jahren spielt Anita Zieher starke historische Frauen. In der Rolle von Marie Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr ist sie heute im Cern zu Gast.

„Man habe gar nicht gewusst, dass sich die drei Frauen so ähnlich gesehen hätten“, Anita Zieher erzählt amüsiert von dieser Anekdote zu ihrem Physikerinnenstück. Tatsächlich ist die Frau auf den drei Einladungsfotos immer sie selbst – in der jeweiligen Rolle, sorgsam im Stil der jeweiligen Zeit gekleidet, geschminkt und von Burgtheater-Fotograf Reinhard Werner epochengetreu beleuchtet fotografiert: als Marie Curie, die berühmte Entdeckerin der Radioaktivität, als Lise Meitner, die Atomphysikerin – die man viel weniger kennt, „obwohl sie eine Koryphäe war, auf Du und Du mit Einstein, Planck und Boltzmann“ – und als Hollywoodstar Hedy Lamarr, die als „schönste Frau der Welt“ galt. Und der manche bis heute nicht zutrauen, dass sie mit dem Komponisten George Antheil das Frequenzsprungverfahren erfunden hat, das bis heute in der Mobilfunktechnologie eine wichtige Rolle spielt. „Schönheit und Klugheit“, sagt Zieher, „werden offenbar immer noch als Widerspruch betrachtet.“

Seit zehn Jahren bringt Anita Zieher Biografien wie diese auf die Bühne. Begonnen hat alles Anfang 2006, als ihr aufgefallen ist, dass Hannah Arendt ihren 100. Geburtstag feiern würde. Zieher forschte nach, stieß auf alle möglichen Jubiläumsveranstaltungen zu Mozart, Rembrandt, Freud, „aber auf kaum etwas zu ihr“. So kam sie auf die Idee, die Erinnerung an Arendt mit den Mitteln des Theaters zu betreiben. Zuerst, gesteht sie, hat sie an eine Lesung gedacht – „aber dabei fadisiere ich mich selbst oft“. Gemeinsam mit Regisseurin Brigitte Pointner gründete sie also den Verein Portraittheater. Bis heute würden Leute glauben, „das sei eine eigene Theaterkategorie“ – und tatsächlich würde es auch gut beschreiben, was man tut: Frauen und ihr politisches, philosophisches, wissenschaftliches oder künstlerisches Werk vorzustellen, „und dabei aber auch immer einen Bezug zur Gegenwart zu suchen“.

Gemeindesäle und Gasthäuser

In Theatern und Schulen, Gemeindesälen, Museen und Gasthäusern hat sie seither Figuren wie Simone de Beauvoir oder die umstrittene Arbeitervordenkerin Rosa Luxemburg verkörpert. „Uns ist wichtig, dass wir das Theater zu den Leuten bringen.“ Es sei Grundvoraussetzung für jedes Bühnenbild, „dass es in einen Kombi passt“. Knapp, aber doch ist sich das immer noch ausgegangen. Nur der Sarg, in dem sie als Bertha von Suttner liegt, ist daher „leider ein bissl kurz für mich“. Mit Curie, Meitner und Lamarr ist Zieher am heutigen Donnerstag sogar im Schweizer Kernforschungszentrum Cern zu Gast. Bei einer Konferenz in Wien hat sie das Stück erstmals auf Englisch gespielt, Mitarbeiter des Cern waren damals dabei und haben sie eingeladen. Zieher freut sich doppelt: weil die Aufführung ausverkauft ist. „Und weil ich am nächsten Tag eine Führung bekomme.“

Sie sei nämlich durchaus selbst naturwissenschaftlich interessiert, sagt Zieher, wenngleich sie „eigentlich immer schon“ Schauspielerin werden wollte. „Aber ich komme aus einem sehr kleinen Dorf, da war die Vorstellung zu weit weg.“ Also studierte sie Politik und Publizistik, ging in die PR. Es war ein New-York-Trip, der ihr die Energie verlieh, irgendwann doch noch die Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule zu versuchen. „Ich dachte, sonst werfe ich mir ein Leben lang vor, ich hätte es nicht versucht.“

Heute spielt sie in verschiedenen Formationen Improtheater, ist Improkabarettistin (Zieher & Leeb) – und wagt sich alle eineinhalb bis zwei Jahre an die Recherche für eine neue Figur für ihr Portraittheater. Es habe eine Weile gedauert, gesteht sie, bis sie mithilfe des Atominstituts „die Kernspaltung intus hatte“. Zum Zehn-Jahr-Jubiläum im Juni schlüpft Zieher nun wieder in die Rolle der Bertha von Suttner. Seit sieben Jahren (und 70 Gastspielen) spielt sie die Wiener Pazifistin, die 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Gerade hat sie die Einladungspostkarten für die Wiederaufnahme des Stücks in Druck gegeben: im Waldviertler Schloss Harmannsdorf, dem damaligen Familienschloss der Suttners, in dem die Schriftstellerin lange Zeit lebte – und auch selbst Theater spielte. Anscheinend, erzählt Zieher, habe Bertha von Suttners Mann recht schwülstige Stücke geschrieben, die man dann selbst in der Sala Terrena des schlosseigenen frühbarocken Schüttkastens inszeniert hat.

ZUR PERSON

Anita Zieher hat Politik und Publizistik, später Schauspiel studiert und schafft sich ihre Rollen gern selbst. Sie ist Gründerin des Vereins Portraittheater, Improkabarettistin (Zieher & Leeb) und mit der Improtheatergruppe Theatre Works für Klausuren und Workshops buchbar. Zuletzt hatte „Rosa Luxemburg“ Premiere, Bertha von Suttner spielt sie ab 3. Juni auf Schloss Harmannsdorf, im Herbst ist sie mit dem Curie-Stück in Deutschland, Teheran und Temeswar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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