Peter Alexander, ein Herold des Trostes

Peter Alexander mit seiner Ehefrau, Hilde, im Jahr 1955.
Peter Alexander mit seiner Ehefrau, Hilde, im Jahr 1955. (c) Imagno / picturedesk.com
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Am 30. Juni wäre er 90 Jahre alt geworden. Peter Alexander bot einer traumatisierten Nachkriegsgesellschaft Trost und Schutz vor einer zu groß werdenden Welt. Die "Kleine Zeitung" ehrt ihn mit einem Magazin.

Als in den Abendstunden des 12. Februar 2011 aus Peter Alexanders Familie die Nachricht vom Ableben durchsickerte, ging kein Ruck durch die Nation. Zu lang hatte er sich schon zuvor von jedweder Öffentlichkeit zurückgezogen. Und zu lang war auch die hohe Zeit jener Unterhaltung vorbei, die Peter Alexander so groß gemacht hatte. Devisen wie Liebe & Übermut waren Themen wie Sex & Renitenz längst gewichen. Und der Bedarf an Optimismus-Injektionen war längst in die Lust auf Konsumismus übergegangen.

Vielleicht haben sie ihm da oben zum Empfang ja einen Salut geblasen. Ohne Zweifel hätte sich Peter Alexander dann an den Film erinnert, mit dem alles begann. Er hieß „Der Engel mit der Posaune“, entstand 1948, und Peter Alexander hatte darin eine Statistenrolle. 39 weitere Filme sollten folgen, sehr bald spielte der eloquente Wiener größere, dann nur noch Hauptrollen. Sein ursprüngliches Ziel, am Burgtheater zu reüssieren, hatte er schon früh aufgegeben. Er legte sich auf den charmanten, immer lustigen Typ fest, dem auch unschuldige Blödeleien nicht fremd waren. Besonders wenn sein Spezi Gunther Philipp dabei war. Generalbotschaft: Nehmt das Leben nicht so schwer!

Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer, Sohn eines Bankangestellten und einer Hausfrau, hatte nach schulischen Schwierigkeiten in Wien 1944 im heute tschechischen Znaim die Matura geschafft. Danach wurde er zur Kriegsmarine eingezogen, um zu seinem Glück alsbald in britischer Gefangenschaft zu landen. Sein Leben neigte sich offenbar schon früh auf die Butterseite: Die Monate militärischer Haft nutzte er dazu, sein schon vorher notorisches Show- und Parodietalent vor den Mitgefangenen zu erproben und zu optimieren.

Erste Gutfühl-Aufträge. 1946 unterzog er sich dann einer professionellen Ausbildung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar. Danach stürzte er sich regelrecht ins Filmgeschäft. Es waren die Gutfühl-Regisseure jener Zeit, Franz Antel und vor allem Géza von Cziffra, die den feschen Lausbuben mit zunehmender Leidenschaft engagierten. Ihre Filme trugen Trost verheißende Titel wie „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“, „Die süßesten Früchte“, „So ein Millionär hat's schwer“ und ähnlich. Später kamen diverse Operetten und die Graf-Bobby-Serie mit dem kongenialen Komödianten Gunther Philipp dazu.

Damals, als noch Massen in die Kinos strömten, wirkten solche Filme wie Stimmungsaufheller einer ganzen Nation. Daneben nahm Alexander Platte um Platte auf, 120 sollen es insgesamt gewesen sein. Die Verkaufsauflage wird auf 54 Millionen geschätzt. In Summe könnte man seine Film- und Sangeskarriere unter den Titel seines bekanntesten Schlagers stellen: „Komm mit und steck dir deine Sorgen an den Hut“. Sein Publikum sah buntes Rampenlicht statt fahler Flakscheinwerfer, Tanzbein statt Stechschritt.

Er war wie gemacht für diese Zeit nach dem großen Krieg. Als Person so harmlos, wie es gern das ganze Land in den furchtbaren Jahren zuvor gewesen wäre. Ein charmanter Typ, dem man alles verzeihen konnte, so wie man sich so gern verziehen hätte. Und einer, der speziell mit seinen Liedern eine betrogene Generation zu Optimismus ermunterte, statt über die Finsternis der davor liegenden Jahre zu grübeln. Ein Think-positive-Prophet, lang, bevor dieser Imperativ in Mode kam. Das klang dann so:

Komm mit und steck dir deine Sorgen an den Hut,/dann wirst du sehen, bald ist alles wieder gut,/wir lassen uns're Gläser klingen,/lachen, tanzen, singen /und das gibt dir wieder neuen Mut!/Komm mit und steck dir deine Sorgen an den Hut,/noch heute Abend wirst du sehn, wie gut das tut./Ab und zu geht was daneben, doch wozu darüber reden,/steck dir deine Sorgen an den Hut!

Auch vor der heraufdämmernden Globalisierung bot er Schutz, indem er die Freuden des Kleinräumigen, Vertrauten beschwor. Zum Beispiel in einem seiner größten Hits:

Das kleine Beisl in unserer Straßen,/Da, wo das Leben noch lebenswert ist/Dort in dem Beisl in unserer Straßen,/Da fragt dich keiner, was du hast oder bist.
Aber auch ganz persönliche Tröstungen hatte Peter Alexander im Talon. Etwa die folgende:

Liebesleid dauert keine Ewigkeit./ Komm und lass Dich trösten,/dann geht's schnell vorbei,/und das Glück es wartet, wartet auf uns zwei.

Mit solchen Schalmeientönen war Peter Alexander zwar nicht allein [. . .]. Aber keiner verbreitete sie so überzeugend wie er, keiner schien über einen so unerschöpflichen Vorrat an angewandtem Frohsinn zu verfügen. Dass er zudem ein untadeliges Privatleben führte, machte ihn als Projektion eines gelungenen Seins noch vertrauenswürdiger. Dass er sich, im Gegensatz zu Udo Jürgens, jedweder Sozialkritik oder, Gott behüte, politischen Äußerung enthielt, war seinem Publikum offenbar auch recht. Alexander garantierte eine Art buntes Neverland, in welchem die Widrigkeiten des Alltags Hausverbot hatten. [. . .] Der Aufstieg in den Olymp der Megastars, und ein solcher war er von den Sechziger- bis in die Neunzigerjahre, führte über das Fernsehen. Und zwar das gute, alte deutsche Fernsehen mit seinen Rundfunkorchestern, seinen Balletts und seiner Hauptabendunterhaltung, für die es damals – von Privatsendern ungestört – noch ein einig Vaterland gab. Er war vermutlich der erste echte Voll-Entertainer deutscher Zunge. Frank Sinatra, Sammy Davis und Dean Martin mögen seine Vorbilder gewesen sein.

Rotwein und Schweinsbraten. Doch während das Rattenpack Fässer von Whisky leerte und Groupies ins Bett zerrte, nippte Peter Alexander am Rotwein und speiste Schweinsbraten. In rund 200 Peter-Alexander-Shows gab es kein harsches Wort, keinen falschen Ton. Dafür aber tolle Leistungen des Entertainers Alexander, der auch als Parodist, Pianist und Pointenschleuderer reüssierte. Das Publikum dankte es ihm mit regem Zulauf.

Bis zu jeweils 40 Millionen Deutsche und Österreicher sahen die „Peter Alexander Show“, die bis Mitte der Neunzigerjahre regelmäßig auf dem Programm stand. Da hörte man dann auch Lieder wie das folgende:

Feierabend, man sagt, na dann, bis morgen,/Feierabend, und all die kleinen Sorgen, die vergisst man [. . .]

Das ging über fast 30 Jahre gut und ohne Probleme vonstatten. Vermutlich hatte das mit dem stabilisierenden Einfluss seiner geliebten Frau und später gestrengen Managerin, Hilde, zu tun. In den besten Zeiten vertraute er ihr auch beruflich vollkommen; Journalisten wussten, dass ohne sie absolut nichts ging, und ordneten sich ihrem bisweilen rigiden Diktat unter. Aber sie schaffte es auch, ihren Mann durch die [. . .] turbulenten Fährnisse einer Branche zu geleiten, die schon manche Kollegen Alexanders das Leben vor dem Tod gekostet hatten.

Die Figur Peter Alexander verwich ganz langsam, vorerst fast unbemerkt. Aber während sich manche seiner Branchenkollegen zu Tode soffen oder koksten, blieb Alexander körperlich vital und gesund. Es starb bloß jene Welt langsam weg, die in sein Tun und Treiben lange Heilserwartungen gesetzt hatte. Es gab immer weniger Leute, die solcherart Tröstungen bedurft hätten. Aber anders als manch anderer hat Peter Alexander auch später nicht auf Altersweisheit oder Charakterrollen gesetzt. Er blieb seinem Stil beharrlich treu. Und der schnöden neuen TV-Szene mit blanken Busen, brachialen Talkshows und chronischer Indiskretion mochte er sich nicht mehr aussetzen.

Rückzug nach Hildes Tod. Sein Rückzug hatte etwas mit persönlicher Würde zu tun. Die emotionell heftigste Fraktur erlitt Peter Alexander dann wohl 2003, als seine Frau, Hilde, nach 51 Jahren Ehe, überraschend starb. [. . .] Mit einer radikalen Konsequenz wurde er für die Allgemeinheit quasi unsichtbar. Und der Unfalltod seiner Tochter, Susanne, sechs Jahre später auf der thailändischen Insel Ko Samui ließ ihn vollends in sich kriechen. Nur sein allerengster Freundeskreis hatte noch Zutritt zu seiner Grinzinger Villa. Sein Haus am Wörthersee hatte er schon lang gemieden.

Alexander war ein Künstler, dem schon zu Lebzeiten viele Kränze geflochten wurden: Bambi, Goldene Kamera, Romy, Bundesverdienstkreuze, etc. pp. hat er bekommen. Auf Erden hätte man ihm nicht mehr viel Gutes tun können. Nun, da er unzweifelhaft „oben“ gelandet ist, haben sie doch hoffentlich wenigstens gesungen, wenn gerade keine Posaune zur Hand war.

Das Heft

„Dankeschön, es war bezaubernd“. Das Magazin ist ab sofort erhältlich. 90 Seiten, 14,80 Euro, mit Beiträgen von Peter Kraus, Michael Niavarani u. v. a. Kombi mit CD und DVD um 24,80 Euro über kleinezeitung.at/shop

Peter Alexander, 30. Juni 192612. Februar 2011. Der ORF erinnert am 29. 6. um 20:15 Uhr mit dem Film „Hier ist ein Mensch“ (ORF 2).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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