Oliver Stone: „Das war ziviler Ungehorsam“

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FILES-HONG KONG-US-SECURITY-INTELLIGENCE-SNOWDEN(c) APA/AFP/PHILIPPE LOPEZ (PHILIPPE LOPEZ)
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Whistleblower Edward Snowden sitzt nach wie vor in Moskau im Exil fest, in wenigen Tagen kommt der Film „Snowden“ in die Kinos. Hollywood-Regisseur Oliver Stone über den Protagonisten und was der Umgang mit ihm über Demokratien aussagt.

Oliver Stone ist dreifacher Oscarpreisträger und gilt in Hollywood als „Chefverschwörer“ des internationalen Polit-Films. Werke wie „Platoon“, „Geboren am 4. Juli“ oder „JFK“ wurden kontrovers diskutiert. Am 22. September feiert sein Film „Snowden“ Premiere.

Welche Bedeutung haben Edward Snowdens Enthüllungen?

Oliver Stone: Snowden glaubt an die Demokratie. Daher findet er, dass die Menschen von dem Datenmissbrauch erfahren sollten. Natürlich kann man philosophische Diskussion darüber führen, inwieweit es sinnvoll ist, dass das Volk überhaupt darüber informiert wird. Im Fall der US-Bevölkerung scheint es eher so, dass sie nicht in der Lage ist, damit umzugehen. Sie interessiert sich kaum dafür. Das Amerika von heute ist zu einer reinen Populär- und Konsumentenkultur geworden.

Ist der Whistleblower für Sie ein Held?

Ja. Ed Snowden hat den Mut, die Chuzpe und die Eier, sich gegen unsere Regierung zu stellen, die in meinen Augen ein strikt totalitäres Regime ist.

Wie wirkte Snowden auf Sie bei Ihren persönlichen Gesprächen?

Er ist ein sehr beeindruckender und wortgewandter, nachdenklicher Mann. Ich habe mich mehrmals mit ihm getroffen. Er nimmt das Exil gefasst und ruhig hin. Er setzt auch dort weiterhin fleißig seine Arbeit fort. Seine Freundin Lindsay ist inzwischen bei ihm, was ihm die ganze Situation sehr erleichtert. Mit ihr ist er viel glücklicher. Man nimmt keine Zeichen wahr, dass er nicht mehr zu seiner Entscheidung steht. Er scheint geradezu unverwüstlich. Doch ich weiß, dass er gern in die USA zurückkehren würde. Momentan würde er dort allerdings keinen fairen Prozess kriegen.

Woher kommt es, dass Snowdens Tat die Welt so extrem gespalten hat? Entweder es wird von einer Heldentat geredet – oder aber von Hochverrat.

Polarisierungen sind das Resultat von Vereinfachungen. Oberflächlich betrachtet: Er hat Geheimnisse verraten, also ist Snowden ein Verräter. Doch das Argument ist: Er hat eine kriminelle Handlung begangen, um eine viel größere kriminelle Handlung aufzudecken. Manche Menschen verstehen dieses Konzept des zivilen Ungehorsams nicht, das auch die Bürgerrechtsbewegung in den USA wiederholt anwendet. Ja, manchmal müssen Gesetze gebrochen werden, um die Aufmerksamkeit auf größere Übertretungen zu lenken.

Wie beurteilen Sie die Situation der USA rund um den Präsidentschaftswahlkampf ?

Trump hat ja bereits die Exekution Snowdens gefordert. Und Hillary Clinton fordert einen extrem harten Gerichtsprozess gegen ihn. Und das von einer Frau, die selbst bereits mehrfach das Gesetz gebrochen hat.

Obama konnte in den USA nicht viel bewegen. Was trauen Sie Trump zu?

Die Präsidentschaftswahl ist für mich ein furchtbar deprimierendes Thema. Ich sehe in beiden Alternativen kein gutes Ergebnis für Amerika. Clinton ist eine noch größere Kämpferin als Obama, sie ist eine Verfechterin strenger Machtausübung. Als Außenministerin war sie eine Katastrophe. Wenn ihr nicht doch noch eine späte Erkenntnis kommt, dass sie zum Beispiel mit Libyen, Irak und Syrien sowie Afghanistan damals völlig falsch gelegen hat, halte ich sie nicht für eine bessere Wahl. Mein Glaube an die Demokratische Partei ist nach wie vor stärker, weil Richter und Politiker aus ihren Reihen einfach progressiver sind als bei den Republikanern. Aber meiner Meinung nach stecken die USA in einer tiefen Misere.

Auch Europa steckt in einer Krise.

Das liegt daran, dass Europa seine Souveränität aufgegeben und sich den USA untergeordnet hat. Tut mir leid, ich glaube, das war echt verkehrt, dass ihr der Nato so in den Arsch gekrochen seid. Das ist euer Ende. Europa muss seine Unabhängigkeit zurückgewinnen. Ihr könntet ein wichtiger Friedensstifter für diese Welt sein, aber stattdessen lasst ihr euch von den USA dazu überreden, gegen Russland mit Sanktionen vorzugehen. Das ist eine fundamental falsche Entscheidung und bereitet mir große Sorgen. Gerade Frankreich und Deutschland könnten sich eine unabhängige Position leisten! Und gerade Deutschland kennt sich doch mit totalitären Überwachungsstaaten aus, ihr solltet die Zeichen deuten können! Warum wird Merkel abgehört, was hat sie denn verbrochen?

Steckbrief

Oliver Stone
wurde 1946 in New York City geboren. Der US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent ist vor allem für seine politischen Filme bekannt. Er wurde dreimal mit dem Oscar ausgezeichnet.

Edward Snowden
ist ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter. Seine Enthüllungen gaben Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2016)

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