Laurence Rupp: "Die Familie hat Mist gebaut"

Laurence Rupp liebt Herausforderungen und setzt auf Zufälle. In „Die Nacht der 1000 Stunden“ geht er auf Suche nach Familiengeheimnissen.

„Das war Zufall“ und „das hat sich einfach so ergeben“: Solche Sätze fallen im Gespräch mit dem Schauspieler Laurence Rupp immer wieder. Der 29-Jährige wurde schon mit elf bei einem Casting für „Kommissar Rex“ entdeckt und bekam eine Rolle, weitere Engagements folgten bald. Doch eigentlich wollte er gar nicht Schauspieler werden, erinnert er sich, sondern lieber Pilot: „Mein Vater ist Produktionsleiter beim Film, dieses projektbezogene Arbeiten und die Unsicherheit, die wir dadurch als Familie hatten, haben mir nicht gefallen. Ich wollte die Welt sehen und ein regelmäßiges Einkommen haben.“ Dass er heute doch hauptberuflich Schauspieler ist, sei einigen schicksalshaften Fügungen zu verdanken. Etwa der, dass er nach der Matura beim erfolgreichen österreichischen Horrorfilm „In 3 Tagen bist du tot“ mitspielen konnte. Und wenn er von diesem Film erzählt, nimmt man ihm die Geschichte mit dem Zufall schon nicht mehr ganz ab: „Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was Schauspielen bedeutet. Ab dem Moment habe ich den Entschluss gefasst: Ich möchte versuchen, dem nachzugehen.“

Eigenwillige Herausforderungen. Dass Rupp sich danach vom Schauspiel wieder ein wenig abwandte und an die Universität für Bodenkultur studieren ging, wirkt nur wie ein Bruch mit dem Entschluss, tatsächlich habe er in den Phasen, in denen er nicht drehte, einfach „seinen Kopf ein bisschen gebrauchen“ wollen, wie er sagt. Dieser Ehrgeiz zu lernen und die Suche nach Herausforderungen führten ihn schließlich zu einem Studienwechsel ans Max Reinhardt Seminar und auch erstmals zum Theater: „Ich wollte mir die Prüfungsstimmung geben, wissen, wie weit ich komme. Ein Selbsttest, der nach hinten losgegangen ist,“ scherzt er, denn er wurde genommen, noch bevor er für sich die Entscheidung getroffen hatte, das wirklich zu wollen. Natürlich sei er dann mit vollem Einsatz dabei gewesen, weil er aber nie eine „ungesunde Verbissenheit“ gehabt habe, hätten sich weitere Schritte mit Glück ergeben: etwa ein Vertrag am Burgtheater, wo er bis vorigen August für drei Jahre Teil des Ensembles war. Eine ganz aktuelle, „ziemliche Herausforderung“, so Rupp, war nun aber wieder ein Spielfilm: In Virgil Widrichs „Die Nacht der 1000 Stunden“ spielt er den jungen Philip, der das Familienunternehmen Ullich & Cie übernehmen soll – doch bei der Vertragsunterzeichnung ergeben sich Komplikationen, als sämtliche toten Vorfahren plötzlich wieder recht lebendig im Wiener Palais der Familie auftauchen.

„Eigenwillig“, nennt Rupp diesen Film, und meint damit vor allem „die Art und Weise, wie wir mit der Technik umgegangen sind.“ Regisseur Widrich experimentierte mit dem Verfahren von Rückprojektionen in einem begrenzten Raum. Rupp ist begeistert von der Visualität des Filmes, die daraus entstand: „Ich glaube, diese Bilder bleiben, an den Film wird man sich erinnern.“ Eigenwillig sei aber freilich auch die Geschichte, die, angesiedelt zwischen Kriminalfilm, Mysterythriller und Komödie. mit abgründigem Humor wirre Geschehnisse einer langen Nacht erzählt: Da muss ein Mord aufgeklärt werden, denn Philips Großvater Hermann ist als Einziger nicht von den Toten zurückgekommen – musste er ein zweites Mal sterben? Da geht Hermanns erste Frau Renate, die zur Zeit des Nationalsozialismus Selbstmord begangen haben soll, mit ihrem Großneffen Philip ein Verhältnis ein. Da wundert es auch nicht, wenn etwa Philips rechtsradikaler Cousin plötzlich im Keller mit Nazis fechtet oder Polizisten aus der Kaiserzeit auftauchen. Es liegt an Philip, in diesem dichten Kammerspiel aufzuklären, was in der Vergangenheit wirklich passiert ist. „Widrichs Buch ist hochkomplex, mit den Zeitverschiebungen, der Vergangenheit, die zur Gegenwart wird“, beschreibt Rupp, wie herausfordernd es gewesen sei, beim Lernen der Rolle den roten Faden zu behalten.

Einfühlungsvermögen. Geholfen hätten lange Gespräche mit Widrich und auch, die Geschichte vor jeder gedrehten Szene noch einmal durchzugehen. Allerdings sei ihm dabei eine riesige Katastrophe passiert, erzählt er: „Ich habe alle Anmerkungen in mein Drehbuch geschrieben, das habe ich in einem Zug liegen lassen, es ist nie wieder aufgetaucht.“ Gut, dass er letztendlich auf seinen Kopf vertrauen und ein wenig improvisieren konnte.

Um den Prozess des Lesens, Denkens und Findens einer Rolle ging es thematisch auch beim Fotoshooting im Traditionshaus Zum Schwarzen Kameel. Rupps Anekdote zeigt schon, wie er diesen Prozess auch bei anderen Rollen zu meistern versucht: Erst wird diszipliniert gelernt und genau recherchiert, „man sollte sich Fertigkeiten aneignen oder anschauen. Zum Beispiel: Wie gehen, wie denken solche Leute“, sagt er und ergänzt: „Zu vorgefertigt darf man aber nicht ans Set kommen, man muss offen sein für die Kollegen und Wünsche des Regisseurs.“ Sich zu öffnen sei ja grundsätzlich das Wichtigste, findet Rupp: „Da ist man natürlich angreifbar und verletzlich, aber das gehört zu diesem Prozess des Findens“.

Wie ging es ihm mit der Rolle des Philip, der nichts von den unbequemen Geheimnissen der Ullichs wusste, die im Film ans Licht kommen? „Seine Familie hat Mist gebaut und nicht in Ordnung gebracht. Sie wollte ihn davor bewahren, aber das war der falsche Weg. Es sollte unsere eigene Entscheidung sein, wie wir damit umgehen“, meint Rupp, der sich während der Vorbereitungen mit der eigenen Familiengeschichte beschäftigt hat und nun auch gern seine Ahnen treffen würde: „Diese Informationen muss man sich holen und bewahren. Ich habe Spannendes erfahren!“

Vergangenheit und Zukunft. Ob in Filmen oder im Leben: „Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist unglaublich wichtig, um reflektieren zu können“, glaubt Rupp. Dass sich auch die anderen anlaufenden Filme, in denen er mitspielt, mit Vergangenem beschäftigen, sei aber – erraten – purer Zufall. Das TV-Epos „Das Sacher“ erzählt etwa die Geschichte des Hotels, der Film „Die Geträumten“ fragt, inwiefern die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan noch heute aktuell ist. Doch auch auf ganz aktuelle Themen habe er Lust, schwärmt etwa vom brisanten Film „Thank You for Bombing“. Zudem spielt Rupp weiterhin Theater: In dieser Saison ist er am Volkstheater in „Die Räuber“ zu sehen, in der Staatsoper im Ballett „Blanc“ und am Burgtheater in Stücken, die während seines Engagements entstanden. Ob er zukünftig eher Film oder Theater machen will, weiß er noch nicht: „Vielleicht will ich diese Entscheidung auch gar nicht treffen.“ Als Vater zweier Kinder brauche es viel Organisation während all dieser Projekte. Deswegen wünscht er sich für die nahe Zukunft vor allem eines: „Zeit mit der Familie und mich einfach mal treiben lassen im Strom des Lebens.“ Die nächste Rolle – in einem Polizeifilm – ist aber bereits in Planung.

Tipp

„Die Nacht der 1000 Stunden.“ Mit Laurence Rupp, Amira Casar u. a., Regie: Virgil Widrich, ab 18. 11. im Kino.

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