Polen bemüht sich um Gnade für Regisseur Polanski

Roman Polanski
Roman Polanski(c) EPA (FRANCESCA RUGGIERI)
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Bei einer Auslieferung des in der Schweiz verhafteten Oscar-Preisträgers, könnte ihm eine mehrjährige Haft in den USA drohen. Polen überlegt, direkt beim US-Präsidenten um Gnade anzusuchen.

Der weltberühmte Filmregisseur Roman Polanski ist überraschend in der Schweiz in Polizeigewahrsam genommen worden. Er wurde am Samstag bei der Einreise in die Schweiz aufgrund eines US-Haftbefehls aus dem Jahre 1978 festgenommen.

Der 76-jährige Regisseur befindet sich derzeit in Auslieferungshaft. Das bestätigte der Sprecher des Ministeriums, Guido Balmer, auf Anfrage am Sonntag. Wo sich Polanski derzeit befindet, sagte Balmer nicht. Auf die Frage, warum man den Regisseur, der in den vergangenen Jahren häufig vollkommen unbehelligt in der Schweiz war, gerade jetzt festgenommen habe, sagte der Sprecher: "Wir wussten diesmal genau, wann er einreist." Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Los Angeles sagte, die Festnahme Polanskis sei in der vergangenen Woche geplant worden, als Polanskis Besuch in der Schweiz bekannt geworden sei.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski will die US-Behörden um Gnade für Polanski bitten. Er erwäge derzeit ein Ersuchen, damit der US-Präsident die Möglichkeit überprüfe, von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen, sagte Sikorski der Polnischen Presse-Agentur PAP am Sonntag. Polen habe "das größte Recht, die Stimme zu ergreifen", weil die ursprüngliche Staatsbürgerschaft immer am wichtigsten sei. Der aus Polen stammende Regisseur hatte erst Mitte der 1970er Jahre den französischen Pass angenommen.

Auch Präsident Lech Kaczynski deutete an, er wolle mit der US-Seite sprechen. Er werde wahrscheinlich in nächster Zeit eine Gelegenheit zum Meinungsaustausch haben, sagte Kaczynski. Solche Fälle seien aber "verdammt schwierig". Zuständig seien nicht Bundesbehörden, sondern ein US-Staat.

Polanski könnte in Kalifornien Rechtsexperten zufolge eine Haftstrafe bis zu vier Jahren drohen, sollte er an die Justiz in Los Angeles ausgeliefert werden. Aus amerikanischen Juristenkreisen hieß es dazu am Sonntag, dass es keine Verjährungsfrist für vorsätzliche Vergewaltigung gibt.

Auslieferung noch nicht fix

Ob Roman Polanski tatsächlich an die USA ausgeliefert wird, steht erst fest, wenn das Auslieferungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Das stellte die Schweizer Polizei in einer Aussendung am Sonntag fest. Sowohl ein Auslieferungshaftbefehl als auch ein Auslieferungsentscheid könne beim Bundesstrafgericht angefochten werden.

Der 76-jährige Polanski hätte am Sonntagabend beim diesjährigen Zürcher Filmfestival das "Goldene Auge" für sein Regie-Lebenswerk erhalten sollen. Die Festivalleitung zeigte sich in der Mitteilung über die Festnahme bestürzt und betroffen, beschloss aber, die unter dem Motto "Tribute to Roman Polanski" angesetzte Retrospektive mit ausgewählten Polanski-Werken programmgemäß aufzuführen, mit einer besonderen Würdigung des filmischen Schaffens von Polanski durch die Festivalleitung.

Ein US-Richter hatte im Mai den Antrag Polanskis abgewiesen, den Missbrauchsprozess gegen den Filmemacher einzustellen. Er begründete das damit, dass Polanski nicht selbst in die USA gereist war, um sein Anliegen vorzutragen. Polanski hätte bei einer Einreise in die USA seine Festnahme riskiert.

In dem Fall geht es um den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch eines minderjährigen Mädchens im Jahr 1977. Polanski wird vorgeworfen, die 13-Jährige vergewaltigt zu haben. Er bekannte sich damals des Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen für schuldig. Noch vor Prozessbeginn floh er damals nach Europa und lebt seither in Frankreich. Von dort konnte er nicht ausgeliefert werden, weil er auch französischer Staatsbürger ist.

Frankreich will sich nicht einmischen

Die französische Regierung hat sich am Sonntag überrascht von der Festnahme Roman Polanskis in der Schweiz gezeigt. Er sei "höchst erstaunt" über "das Vorgehen gegen den international renommierten Regisseur", erklärte Kulturminister Frederic Mitterrand dem Rundfunk zufolge. Präsident Nicolas Sarkozy wünsche "eine schnelle Lösung der Lage". Mitterrand erinnerte daran, dass Polanski französischer Staatsbürger sei. Ohne sich in das Justizverfahren einmischen zu wollen, bedauere er "diese neue Prüfung für jemanden, der bereits so viel durchlebt" habe.

(Ag.)

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